Wirtschaft

Die verpasste Chance beim Erneuerbare-Wärme-Paket

Ein Verbot von fossilen Heizungen kommt nun doch nicht. Das ist nicht nur klima-, sondern auch wirtschaftsfeindlich, meinen Experten wie Peter Holzer vom Institute of Building Research & Innovation.

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Viel ist vom ursprünglichen, in mehr als 130 Abstimmungsrunden ausverhandelten Erneuerbare-Wärme-Gesetz nicht übrig geblieben. Vor allem das Kernstück, der verpflichtende Tausch von Öl- und Gasheizungen bis spätestens 2040, wurde gestrichen. Kritikerinnen bezeichneten dies als „Kniefall vor der Öl- und Gas-Lobby“. Tatsächlich hat der ÖVP-Wirtschaftsbund massiv gegen das Gesetz angekämpft und sich schlussendlich auch durchgesetzt. Statt auf Pflicht wird nun also wieder einmal auf Freiwilligkeit und Förderungen gesetzt. Doch wenn Österreich seine Klimaziele einhalten will, ist der Ausstieg aus fossilen Heizungen unerlässlich.

Klimaziele adé

Rund 1,4 Millionen Öl- und Gasheizungen gibt es noch in Österreich. Die Raumwärme macht über 30 Prozent des gesamten heimischen Energieverbrauchs aus und ist mit rund zehn Millionen Tonnen CO2 für über zehn Prozent der heimischen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Ein enormer Hebel also für den Klimaschutz. Und will Österreich – wie im Regierungsübereinkommen vereinbart – bis 2040 Klimaneutralität erreichen, müssen die fossilen Heizungen schnellstmöglich eingemottet werden. Dazu müssten pro Jahr über 85.000 Heizungen getauscht werden. Oder 225 pro Tag – über 17 Jahre hinweg. „Tatsächlich werden pro Jahr lediglich 25.000 fossil beheizte Hauptwohnsitze auf nachhaltige Heizsysteme umgestellt. Bei diesem Tempo würde es bis zum Jahr 2080 dauern, diese Zeit haben wir nicht“, sagt Peter Holzer vom Institute of Building Research & Innovation in der aktuellen Folge von „Tauwetter“, dem profil-Klimapodcast.

Peter Holzer, Institute of Building Research & Innovation

"Ohne verbindliches Aus für fossile Heizungen wird dem Lobbyismus Tür und Tor geöffnet."

Und mit der abgeblasenen Heizungstauschverpflichtung fällt auch das ursprünglich im selben Gesetz vorgesehene sofortige Verbot, alte Ölkessel gegen neue zu ersetzen. Neubauten dürfen zwar seit 2020 nicht mehr mit Öl beheizt werden, doch in bestehenden Häusern haben neue Ölheizungen weiter freie Bahn, ein Prolongieren des klimafeindlichen Heizens bleibt also gesetzlich erlaubt. „Die unhaltbaren Versprechen der Ölindustrie, man werde irgendwann erneuerbare flüssige Brennstoffe herbeischaffen, werden nicht zu überhören sein und die Menschen in die Irre führen“, warnt Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich.

Nachdem Heizungselemente wie Thermen oder Kessel eine statistische Lebensdauer von etwa 25 Jahren haben, wäre man 2040 bei einem Großteil der Heizungen in der Nähe dieses Lebensendes gewesen und hätte die Aufgabe wohl bewältigen können. Wenn nun der Tausch von Gas auf Gas weiterhin erlaubt wird, ist die Gefahr groß, dass auch in den nächsten fünf, sechs Jahren noch Gasheizungen eingebaut werden und nicht durch erneuerbare Energieträger ersetzt werden. „Dann haben wir es mit Neuanlagen zu tun, die nur wenige Jahre alt sind und die berechtigterweise nicht gerne getauscht werden. Das sind verlorene Investitionen; das ist unwirtschaftlich und auch volkswirtschaftlich sehr schlecht“, sagt Peter Holzer.

Das Prinzip Freiwilligkeit

Klimaministerin Leonore Gewessler ist optimistisch, dass angesichts der üppigen Förderungen der Umstieg gelingen wird. Tatsächlich sollen bis zu 75 Prozent der Kosten ersetzt werden. Für einkommensschwache Haushalte soll es sogar eine hundertprozentige Förderung geben. Unklar ist jedoch, wie lange dieses Angebot aufrecht bleiben soll. In einer neuen Regierungskonstellation könnte es schnell wieder zurückgezogen werden.

Auch in Sachen Wohnrecht und für Hausverwaltungen hätte ein Gasheizungsverbot einige Erleichterungen bedeutet – etwa was Entscheidungsfindungen hinsichtlich künftiger Investitionen betrifft. Weil die Mehrheit der Eigentümer dem Vorhaben zustimmen muss, ist eine Umstellung des Heizungssystems oft eine Herausforderung. Und gemäß Mietrechtsgesetz haben Mieter ein Duldungsrecht. Das heißt, auch wenn eine zentrale Versorgung ermöglicht wird, müssen sie sich dieser nicht anschließen. „Wenn es ein staatlich angeordnetes Ende von fossilen Heizungen gibt, dann ist die Chance, dass ein Tausch wohnrechtlich als Erhaltungsmaßnahme und nicht als Verbesserungsmaßnahme gilt, viel höher“, sagt Holzer. Denn eine Verbesserungsmaßnahme beruht im Gegensatz zur Erhaltungsmaßnahme auf Freiwilligkeit.

Holzer führt im Tauwetter-Podcast noch einen weiteren Aspekt ins Treffen: „Die Situation ist wirtschaftsfeindlich und löst Unsicherheiten aus. Hersteller von Wärmepumpen, Biomassekesseln und anderer Heizungskomponenten müssen – gefangen zwischen Lieferengpässen und Überkapazitäten – jetzt wieder orakeln, wie sich der Markt entwickeln wird.“ Nicht zuletzt werde hier wieder dem „Lobbyismus Tür und Tor geöffnet“.

Um gesellschaftlich gewünschte Veränderungen herbeizuführen, ist das Prinzip Freiwilligkeit nur bedingt geeignet, wie die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen: Während etwa Biomasseheizungen sowie Solar- und Photovoltaikanlagen aufgrund von Förderungen eine positive Entwicklung zeigen, geht bei der thermischen Sanierung – trotz Förderungen – wenig voran. Ein Erfolgsbeispiel für das Ordnungsrecht ist etwa das weltweite FCKW-Verbot, ohne das sich die Ozonschicht wohl nicht mehr erholt hätte.

Eine Frage der Technik

Tatsächlich gibt es einen ganzen Fächer an Möglichkeiten: angefangen von der Fernwärme über Biomasseheizungen und Luft-Wärme- und Erdwärmepumpen bis hin zu Infrarotheizungen. Besonders groß ist die Herausforderung in Wien, wo sich knapp die Hälfte aller in Österreich installierten Gasheizungen befindet. Dass es sich dabei um Mehrparteienhäuser handelt, macht die Sache nicht einfacher. „Die volkswirtschaftlich und auch für das Gebäude günstigste Lösung ist die Zentralisierung. Also dass ein System errichtet wird, welches die Verteilung innerhalb des Hauses mit einer Wärmepumpe oder der Fernwärme bewerkstelligt“, sagt Holzer. Freilich, Fernwärme ist nicht flächendeckend verfügbar und besteht etwa in Wien noch zu rund 65 Prozent aus Gas. „Wir haben in unserem Institut vielfach Planungen für Gebäude und gemeinsam mit der Stadt Wien Machbarkeitsstudien gemacht. In keinem einzigen Fall bin ich auf eine Situation gestoßen, wo es technisch keinen Weg gab, um auf Gas zu verzichten“, so Holzer. Grünes Gas sei als Alternative hingegen nicht geeignet. „Das ist ein hervorragender Brennstoff. Doch die Produktion ist aufwendig, und wir brauchen ihn ganz dringend für die Industrie. In der Raumwärme hat er energiepolitisch nichts verloren“, sagt Holzer.

Große Bandbreite

In Holzers Institute of Building Research & Innovation werden Kostenschätzungen durchgeführt und bereits ausgeführte Projekte evaluiert. „Abgesehen von Einzelfällen, die es immer gibt, kommen wir auf Zahlen von 250 bis zu einer Obergrenze von 500 Euro brutto pro Quadratmeter Nutzfläche“, erklärt der Experte. Bei einer 60-Quadratmeter-Wohnung würde das eine Bandbreite von 15.000 bis 30.000 Euro Umstellungskosten bedeuten. „Deshalb halte ich auch die 100-prozentige Förderung für einkommensschwache Haushalte für enorm wichtig“, so Holzer. Denn auch ein Viertel der Kosten wäre für diese kaum leistbar. Eine kostengünstigere Lösung sind Infrarotheizkörper, bei denen jedoch der Betrieb sehr teuer und auch energiepolitisch fragwürdig ist.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).