Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und dahinter das frühere Konzernmotto

Facebook: Missbraucht der US-Konzern seine Marktstellung?

Facebook: Missbraucht der US-Konzern seine Marktstellung?

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Man könnte meinen, diese Geschichte beginnt am 4. Februar 2004, als Mark Zuckerberg in seinem Studentenheim in Harvard die Website thefacebook.com startete, die zu einem Weltkonzern heranwachsen sollte.

Aber vielleicht ist ein früheres Datum ebenso relevant: Der 24. März 1955. An diesem Donnerstag hielt der CDU-Abgeordnete Franz Böhm im Bundestag eine richtungsweisende Rede. Der namhafte Jurist erklärte, warum der Staat Monopole nicht dulden dürfe.

„Kartelle und Monopole gefährden in einem gewissen Grade die Grundrechte und die Gewerbefreiheit“, sagte er, „sodass man den Grundsatz aufstellen kann: Wer Macht hat, der hat keinen Anspruch darauf, frei zu sein, und wer frei sein will, der sollte keine Macht haben.“ Der Staat müsse gegen Monopole und allzu machthungrige Marktführer vorgehen, um den freien Wettbewerb und somit den Kunden vor einem zu mächtigen Gegenspieler zu beschützen.

Wer viel Macht hat, soll also ökonomisch weniger Freiheiten bekommen. Böhms Rede war ein Meilenstein auf dem Weg zum strengen deutschen und europäischen Wettbewerbsrecht. Und sie ist heute relevant wie schon lange nicht mehr.

Denn im Netz sind Unternehmen zugange, von denen einige mittlerweile eine so große Dominanz haben und sich in ihrer aggressiven Expansionspolitik so wenig um lokale Gesetze kümmern, dass sich daraus eine Gefahr für den freien Wettbewerb ergeben könnte.

Dieses rasante Wachstum und die europäische Rechtstradition erklären, warum Wettbewerbshüter zunehmend auf das Internet blicken. Die EU-Kommission prüft derzeit, inwieweit Google die Konkurrenz behindert. Sogar mit einer Zerschlagung des Suchmaschinenriesen drohte manch ein EU-Politiker – selbst wenn das aus juristischer Sicht ziemlich unrealistisch ist.

Auch bei Facebook stellt sich nun die Frage, wann dieser Konzern ins Visier der Wettbewerbshüter kommt. Wächst hier der nächste Player heran, der nicht nur unbehaglich groß ist, sondern seine Marktmacht tatsächlich missbraucht?

Neue Geschäftsbedingungen

Die Verdachtsmomente mehren sich. Facebook hat heute rund 1,4 Milliarden aktive User im Monat und schöpft immer mehr Daten von ihnen ab. Erst kürzlich schärfte der Konzern seine Geschäftsbedingungen nach, nahm sich etwa das Recht heraus, die Daten mit all seinen Töchterfirmen zu teilen. Dazu zählen Unternehmen wie das Fotoportal Instagram, der Kurznachrichtendienst WhatsApp, die beide bei Jugendlichen sehr beliebt sind, sowie die Werbeplattform Atlas.

„Wir teilen Informationen, die wir über dich haben, innerhalb der Gruppe von Unternehmen, die zu Facebook gehören“, heißt es in den Geschäftsbedingungen. Facebook räumt sich weiters das Recht ein, die eigenen Kunden möglichst überall im Web verfolgen und ihr Surfverhalten genau analysieren zu können. Es geht hier natürlich ums Geld, konkret um die Expansion in den Onlinewerbemarkt – bisher das große Geschäft Googles.

Facebook kaufte vor zwei Jahren die Firma Atlas und will mit ihrer Technologie den Werbemarkt umkrempeln. Atlas soll nachverfolgen, wie oft und auf welchem Gerät ein Konsument eine Online-Werbung sah und ob dieser Kunde das Produkt dann auch im Netz oder offline im Geschäft kaufte. „The Consumer Journey“, nennt man diese Überwachung der Reise des Konsumenten durch das Web. Atlas nutzt dafür Daten aus dem Facebook-Netzwerk.

Wer sich am Smartphone-Browser auf facebook.com einloggt, ist für das Unternehmen identifizierbar und dessen Surfverhalten kann über weite Teile des Webs verfolgt werden, zum Beispiel auf Sites, die den „Gefällt mir“-Knopf eingebaut haben.

Facebook verteidigt dieses Vorgehen, weil es Atlas nur anonyme Daten übermittelt. „Zu keinem Zeitpunkt sagen wir Marketingkunden, wer du bist“, diesen Satz wiederholen die Facebook-Sprecher gerne. Ob das ganz so stimmt oder ob man vielleicht nicht doch irgendwie rückblickend identifizierbar ist, darüber streiten die Datenschutzexperten mit dem Konzern. Facebook sagt: Es ist nicht möglich.

Haben Menschen denn überhaupt eine Alternative zu Facebook?

Aus kartellrechtlicher Sicht ist der Fall aber deswegen spannend, weil er zeigt, dass Facebook zu einem vielseitigen Konzern geworden ist und seine Tochterfirmen von der Datenmacht des sozialen Netzwerks profitieren. Die User müssen dies akzeptieren oder ihr Profil löschen. Wer seit Anfang Februar das soziale Netzwerk nutzte, stimmte diesen Nutzungsbedingungen automatisch zu.

„Die Frage ist schon: Haben Menschen denn überhaupt eine Alternative zu Facebook?“, sagt der österreichische Jusstudent Max Schrems, 27, der Facebook im Jahr 2011 in Irland klagte und sich seither im Rechtsstreit mit der Firma befindet. Er hält Facebook bereits für ein Quasi-Monopol. „Wir stellen hier ein Marktversagen fest“, sagt er, „natürlich kann ich als User auf andere Netzwerke wie Diaspora gehen. Nur dort poste ich dann ganz allein mit mir selbst Fotos.“

Wenn Unternehmen eine solche Sogwirkung entfalten und die Kunden an sich binden, sprechen Ökonomen von „Netzwerkeffekten“. Diese sind rechtlich auch erlaubt, unlauter wird es aber, wenn diese Konzerne ihre Sogwirkung dann dafür nutzen, die Preise in die Höhe zu schrauben und dem Kunden einen unfairen Deal abzuverlangen.

„Facebook ist eben nicht gratis“

Aktivisten wie Max Schrems argumentieren mittlerweile, dass man für Facebook zwar nicht zahlen muss, der Preis aber zu hoch geworden sei. „Facebook ist eben nicht gratis“, meint Schrems, „ich zahle mit meinen Daten, und diese Daten helfen dann Facebook, noch mehr Geld einzunehmen und noch mehr wachsen zu können.“

Digitale Anbieter werden rascher zu weltweiten Marktführern oder gar Monopolisten, weil die herkömmlichen Lager- oder Produktionskosten wegfallen. Will ich als Schuhfabrikant statt 1000 künftig eine Million Paar Stiefel erzeugen, steigen meine Kosten für Material, Lagerung und Transport. Im Netz hingegen macht es keinen riesigen Unterschied, ob ich mit einer Website 1000 oder eine Million User anspreche. Speicherplatz und Serverkapazitäten sind billig.

„Ein kluges Start-up versucht gar nicht, mit den Platzhirschen direkt zu konkurrieren“, schrieb unlängst der „Economist“, „es sucht sich einen scheinbar unwichtigen Markt, den es monopolisieren kann. Das Paradebeispiel dafür ist Facebook, das als Site für Studenten der Ivy-League begann.“ Anfangs durften nur Studierende dieser Elite-Unis mitmachen, schrittweise expandierte Facebook in weitere Märkte, nun zunehmend ins Online-Werbegeschäft.

"Move Fast and Break Things"

Bis zum Vorjahr lautete das offizielle Motto Facebooks: „Move Fast and Break Things.“ Also frei übersetzt: Bewege dich schnell und mach Hindernisse platt. Der Spruch passt perfekt zur Geisteshaltung amerikanischer Start-ups, also jener Jungunternehmen, die sich durch viel Innovationsfreude und einer bisweilen recht lockeren Interpretation von Rechtsnormen auszeichnen. Wenn solche Start-ups zu milliardenschweren international tätigen Marktführern heranwachsen, kann diese „Break Things“-Kultur zum Problem werden. Siehe Facebook.

Eine erste kartellrechtliche Prüfung fand in Europa bereits statt. Im Februar 2014 kaufte Facebook den Kurznachrichtendienst WhatsApp für 19 Milliarden Dollar, umgerechnet 16,7 Milliarden Euro. Die EU-Kommission untersuchte daraufhin, ob dieser Zusammenschluss Gefahren für den europäischen Binnenmarkt darstellte. Immerhin versammelte WhatsApp damals schon 600 Millionen User, heute sind es 700 Millionen. Die Kommission stimmte damals der Übernahme zu – eine Gefahr für den Binnenmarkt konnte sie nicht erkennen. Auch deswegen, weil WhatsApp nur wenige Daten über seine Benutzer sammelt, zumindest bisher.

Spannend ist, ob Facebook irgendwann auch die Geschäftsbedingungen von WhatsApp ändert und dort Daten abschöpft. „In so einem Fall sollten sich europäische Wettbewerbshüter unbedingt ansehen, ob Facebook eine missbräuchliche Expansionsstrategie fährt“, meint der Wiener Rechtsanwalt und Universitätslektor Peter Thyri. Auch jede größere Akquisition des Facebook-Konzerns gehöre dann wohl kontrolliert.

„Das Schwierige ist nur, dass diese Prüfungen oft viel mit Kaffeesudlesen zu tun haben“, so Thyri. „Denn jedes Urteil baut in solchen Fällen auf Zukunftsprognosen auf, und es ist schwer abzuschätzen, zu welchem Zeitpunkt es angemessen ist, hart einzugreifen.“

Gerade im Internet sei dies unklar, da niemand die technologische Entwicklung voraussehen kann. Ist Facebook beispielsweise in fünf Jahren tot, weil eine viel coolere, neuere Site auftauchte? Oder erleben wir hier die Entstehung eines Monopols, dem die User und die Werbekunden wirklich nicht mehr entkommen können? Thyris Resümee: „In Europa fehlt uns bisher eine Antwort darauf, wie unser strenges Wettbewerbsrecht in digitalen Zeiten funktionieren kann.“

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.