Wirtschaft

Flugforscher: „Ich versuche, möglichst am Boden zu bleiben“

Das Flugzeug gehört zu den größten CO2-Sündern. Markus Fischer, Bereichsvorstand am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln, forscht an klimafreundlichen Antrieben. Doch das emissionsfreie Fliegen wird wohl noch länger Utopie bleiben.

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Herr Fischer, haben Sie sich schon mal fürs Fliegen geschämt?
Fischer
Eigentlich nicht.
Manche Menschen empfinden durchaus Flugscham. Wann werden wir klimaneutral fliegen?
Fischer
Die Luftfahrt hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten seit jeher versucht, ökonomisch und ökologisch zu sein. Dadurch, dass die Auswirkungen des Klimawandels nun viel deutlicher zu spüren sind und auch eine große Bewegung in Gang gesetzt wurde, hat die Luftfahrt noch zugelegt und noch größere Schritte in Richtung Klimaverträglichkeit gemacht.
Das heißt, Klimaneutralität ist gar nicht das Ziel, sondern Klimaverträglichkeit?
Fischer
Ja, denn der Terminus Klimaneutralität wurde auch oftmals kritisiert. Forschung, Flugzeughersteller und Wirtschaft arbeiten jedenfalls sehr intensiv daran, die Atmosphäre so wenig wie möglich zu belasten.
Die IATA, der internationale Dachverband der Fluggesellschaften, hat sich selbst die Vorgabe gegeben, bis 2050 klimaneutral zu sein.
Fischer
Nicht nur der Luftverkehrsverband. Abgeleitet von den Pariser Klimazielen hat sich auch die EU dazu verpflichtet. Und damit natürlich auch die Luftfahrt, alles Mögliche zu tun, um genau dieses Ziel zu erreichen.
Der Flugzeughersteller Airbus plant Wasserstoffflugzeuge ab 2035. Wie realistisch ist das?
Fischer
Das ist ein ehrgeiziges Ziel, das wissen wir alle in der Luftfahrt. Man vermutet, dass der Einsatz von Passagierflugzeugen im Serienflugbetrieb in der Größe von Regionalflugzeugen geplant ist. Die Luftfahrt arbeitet mit Partnern aus dem Energie- und dem Verkehrsbereich oder auch aus der Raumfahrt zusammen, um Wasserstoff so schnell wie möglich einsetzbar zu machen. Aber tatsächlich sind das sehr hochgesteckte Ziele.
Das klingt noch nach vielen ungelösten Problemen.
Fischer
Ich würde von Herausforderungen sprechen. Das ist ein Energieträger, der in der Luftfahrt neu ist, aber in anderen Bereichen der Wirtschaft schon lange bewährt. Man weiß, wie man mit Wasserstoff umgehen, ihn transportieren und einsetzen kann. Jetzt gilt es, ihn auch für die Luftfahrt nutzbar zu machen. Wasserstoff ist ein leichtes Element, das sehr viel Volumen einnimmt. Wenn ich ihn mit Kerosin vergleiche, braucht man das Drei- bis Vierfache, um den gleichen Energieinhalt zu haben. Das heißt, die Tanks müssten auch drei- bis vier Mal so groß sein wie heutzutage. Das bekomme ich nicht so einfach in ein Flugzeug rein, da müsste man fast alle Passagiere rausschubsen. Und dann würde sich ein Flug nicht mehr rentieren. Zudem muss Wasserstoff gekühlt werden. Dafür ist eine ganze Menge Systemtechnik notwendig. Die wiederum kann sehr schwer werden. Man hat also den Einfluss des Gewichts und den Einfluss des Volumens. Deshalb ist es jetzt das Forschungsziel, herauszufinden, bis zu welcher Flugzeuggröße es überhaupt Sinn macht, Wasserstoff anzudenken. Derzeit bewegt sich das im Bereich von Zubringer- und Regionalflugzeuggrößen.
Wie schaut es denn mit Elektroantrieben aus? Ist man da weitergekommen?
Fischer
Auch da ist man sehr viel weitergekommen. Die limitierenden Faktoren sind die Batterie und deren Energiedichte. Wenn wir heutige Batterien in große Flugzeuge verbauen würden, würde das gesamte Flugzeuggewicht praktisch nur aus Batteriegewicht bestehen. Auch wenn sich die Batterietechnologie sehr positiv entwickelt, wird es höchstwahrscheinlich dabei bleiben, dass ein rein elektrischer Einsatz eher im Kleinflugzeugbereich, vielleicht bis zu einer Zubringer-Flugzeuggröße Sinn macht.
Denkt man auch an Hybrid-Einsätze?
Fischer
Das ist das Spannende. Was kann ich machen, um verschiedene Systeme zusammenzuschalten? Da gibt es verschiedene Kombinationen. Batterien in Verbindung mit Gasturbinen oder Brennstoffzellen. Oder ein Turbofan, also ganz normale Strahltriebwerke, wie sie heute fliegen, mit Unterstützung von Elektromotoren. Solche Kombinationen haben tatsächlich das Potenzial, auch größere Flugzeuge antreiben zu können.

E-Fuels wären ein sehr großer Schritt, um auch auf der Langstrecke klimaverträglich  
fliegen zu können.

Markus Fischer

Bereichsvorstand Luftfahrt am DLR

Die EU hat beschlossen, dass Airlines immer mehr Biokraftstoffe tanken müssen. Bis 2050 sollen es 70 Prozent sein. Ist das machbar?
Fischer
Um schnellstmöglich von Kerosin wegzukommen, ist der Einsatz biobasierter Kraftstoffe das derzeitige Mittel der Wahl. Wir sehen jedoch, dass die weltweite Menge an diesen Kraftstoffen äußerst begrenzt ist. Und deren Einsatz muss möglichst nachhaltig gestaltet werden, damit nicht, so wie es in der Anfangszeit war, Futterpflanzen nur angebaut werden, um daraus Kraftstoff zu machen. Sondern dass wir das möglichst aus organischen Abfällen herstellen. Entscheidend ist, dass wir die Rohstoffquellen identifizieren und auch den Anlagenbau dementsprechend ausrichten. Dann ist weltweit ein sehr großes Potenzial da, dass signifikante Mengen für die Luftfahrt zur Verfügung stehen können. Das ist quasi eine Brückentechnologie. Ziel ist es jedoch, langfristig die sogenannten E-Fuels einzusetzen, also Kraftstoffe, die auf Basis von grünem Wasserstoff synthetisch hergestellt werden. Das wäre ein sehr großer Schritt, um auch Mittel- und Langstreckenflugzeuge sehr klimaverträglich fliegen lassen zu können.
Wie weit sind wir mit dieser Technologie?
Fischer
Im kleinen Maßstab funktioniert das. Die Technologien sind auch zum größten Teil erforscht. Entscheidend ist, dass wir den Energieeinsatz für die Herstellung dieser Kraftstoffe reduzieren. Der ist derzeit sehr hoch, was diese Kraftstoffe sehr teuer macht.
Gibt es abgesehen von den bereits besprochenen Technologien noch etwas anderes Vielversprechendes am Horizont?
Fischer
Gibt es. Wir reden zwar immer von der CO2-Reduktion. Aber der Umwelteinfluss der Luftfahrt besteht nur zu einem Drittel aus CO2-Effekten. Zwei Drittel kommen aus den sogenannten Nicht-CO2-Effekten. Das sind Folgeerscheinungen, die durch andere Emissionen hervorgerufen werden. Hauptverursacher sind die Partikel, wie beispielsweise Ruß, die das Triebwerk ausstößt. Der wirkt in der oberen Atmosphäre als Kondensationskern und kann Wolkenbildung verursachen. Das sind die Kondensstreifen, die Sie am Himmel sehen. Und diese bewirken überwiegend nachts eine erwärmende Wirkung. Das kann man verhindern, indem man Bereiche, wo das vermehrt auftritt, umfliegt.
Warum passiert das nicht längst?
Fischer
Zum einen ist der Flugraum gut gebucht und man kann nicht so einfach von der Flugroute abweichen. Zum anderen führt eine längere Flugroute naturgemäß auch zu höheren Betriebskosten. Dennoch lohnt es sich, da eine sehr große Wirkung in der Reduktion dieser Effekte erreicht wird. Es braucht künftig eine internationale Gesetzgebung mit Anreizen, damit die Fluglinien das umsetzen können.
Mit welchem Verkehrsmittel werden Sie heuer in den Urlaub fahren?
Fischer
Mit dem Auto. Aber beruflich bin ich sehr oft mit dem Flugzeug unterwegs, was mir aber ganz ehrlich auch Spaß macht und was auch zum Teil sehr effizient ist. Doch ich versuche natürlich, wo es möglich ist, am Boden zu bleiben.

Das ist die Kurzfassung der aktuellen Tauwetter-Folge.

Markus Fischer

Der studierte Luft- und Raumfahrttechniker war an vielen Flugzeugentwicklungen, etwa bei Airbus und Rheinmetall  Defence, beteiligt. Seit 2021   hat er im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Bereichsleitung Luftfahrt inne.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).