Interview

Gabriel Zucman: „Das ist ideologischer Nonsens“

Der linke französische Ökonom Gabriel Zucman fordert eine globale Vermögenssteuer für 3000 Superreiche. Ein Gespräch über Utopien und ökonomische Wirklichkeiten.

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Vor neun Jahren besuchte Gabriel Zucman erstmals Wien. Damals war er ein aufstrebender Jungökonom, sein Thema – Steuervermeidung – war Nischenprogramm, seine Forderungen schienen utopisch. Heute, eine Pandemie und eine Inflationskrise später, ist das anders. Er trägt seine Ideen vor den G20-Staaten vor, und ein Teil seiner Forderungen wurde umgesetzt. Vielen gehen seine Ideen zur Vermögensverteilung viel zu weit. Aber er stößt so gut wie nirgends auf taube Ohren.

Monsieur Zucman, wann ist jemand zu reich?
Zucman
Es steht niemandem zu, so etwas zu entscheiden. Die relevante Frage ist nur, wie man Vermögen besteuert. Wer wie viele Steuern zahlt, kann nur politisch durch Wahlen im demokratischen Prozess entschieden werden.
Für Sie gibt es also keine Obergrenze für Vermögen?
Zucman
Nein. Es ist ein ständiger Prozess des Austarierens: Ungleichheit kann bis zu einem gewissen Grad eine gute Sache sein. Aber zu viel davon kann uns wiederum schaden. Wenn ein Prozent der Bevölkerung fast das gesamte Vermögen auf sich vereint, haben die restlichen 99 Prozent keine Motivation, etwas zu leisten, weil sie ohnehin nicht aufholen können. Das Schwierige hier ist, die richtige Balance zu finden. Ich habe keine magische Formel für Sie. Wir können aber aus der Geschichte lernen oder uns verschiedene Staaten und ihre Steuersysteme ansehen.
Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.