Hannes Androsch, ehemaliger SPÖ-Finanzminister: "Das wäre wohl vermeidbar gewesen."

Hannes Androsch: "Der Fluch der bösen Taten“

Zehn Jahre nach der Übernahme durch die italienische UniCredit steht die Bank Austria vor einer fundamentalen Redimensionierung - an deren Ende Hunderte Mitarbeiter in Österreich ihren Job verlieren dürften.

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Davon ist vor allem das kostspielige Filialgeschäft mit Privatkunden und kleinen Gewerbetreibenden betroffen. UniCredit will es am liebsten ganz verkaufen, zumindest aber drastisch verkleinern. Zu teuer, zu unrentabel. Rendite frisst soziale Verantwortung. Der Unternehmer Hannes Androsch war einst SPÖ-Finanzminister (1970 bis 1981), später Generaldirektor der Creditanstalt (1981 bis 1998), eines der Vorläuferinstitute der nunmehrigen Bank Austria. Dass die größte Bankengruppe des Landes heute da steht, wo sie steht, ist seiner Meinung nach einer "Tragödie“ geschuldet, die mit dem Verkauf der CA an die Bank Austria im Jahr 1997 ihren Anfang nahm. Und dem "Ehrgeiz“ des früheren Bank-Austria-Generaldirektors Gerhard Randa. "Das wäre wohl vermeidbar gewesen“, sagt Androsch im profil-Interview.

profil: Herr Androsch, mit Blick auf die jüngsten Ankündigungen der Mailänder UniCredit-Geschäftsleitung könnte man schlussfolgern: Es war einmal die Bank AustriaHannes Androsch: Vor allem aber war einmal die Creditanstalt. Das ist noch viel schmerzlicher. Wir sehen jetzt den Fluch der bösen Taten, wenn Sie so wollen. Das Unglück begann im Jahr 2000, als man die Bank Austria ohne Not - im Unterschied zur gewerkschaftseigenen Bawag - verkauft hat und sich dabei in die Arme der HVB, der Münchner HypoVereinsbank, begeben hat, von der sich wenig später zeigte, wie marode sie war. Und schließlich deren Übernahme durch UniCredit. Dazu der Ehrgeiz von Gerhard Randa (Anm.: der damals verantwortliche Generaldirektor der Bank Austria), der sich in München nicht schlaugemacht hatte, wie marode diese Bank tatsächlich war. Deswegen haben die damaligen Aktionäre der Bank Austria in weiterer Folge ja auch gleich 70 Prozent ihres Vermögens verloren.

Daher muss man jetzt darauf schauen, wie man den Kreditapparat einigermaßen hinbekommt, sonst werden wir die Konjunktur nicht auf Schiene bekommen.

profil: Allen voran die der Gemeinde Wien nahestehende AVZ, nunmehr eine Privatstiftung … Androsch: Nicht nur. Auch die Wiener Städtische hat damals ein paar Milliarden Schilling verloren. Die HVB hat sich aufgrund ihrer Probleme selbst kurz nach der Übernahme der Bank Austria in die UniCredit geflüchtet, eine ebenfalls nicht gerade starke Bank, Das ist zwar Vergangenheit. Aber jetzt zeigen sich die Folgen. Dazu kommt, dass das europäische Bankwesen die Bankenkrise 2007/2008 deutlich schlechter bewältigt hat als das amerikanische. Das trifft ganz besonders auf Österreich zu. Der wunde Punkt ist: Eine funktionierende Realwirtschaft braucht eine funktionierende Finanz-und Kreditwirtschaft. Und die haben wir nicht. Wir sind overbanked, overstaffed und overbranched, zugleich unterkapitalisiert und ertragsschwach. Daher besteht nicht zuletzt auch wegen der überhöhten Bankensteuer eine Kreditklemme. Die Banken können wegen ihrer schmalen Eigenkapitalbasis gar keine Kredite vergeben, obwohl genug Liquidität vorhanden wäre. Dabei ist die Investitionsnachfrage wegen der schwachen Konjunktur ohnehin schon gering. So beißt sich die Katze in den Schwanz. Daher wäre es umso wichtiger und notwendiger, dass sich die Regierung jetzt endlich Klarheit darüber verschafft, wo Österreichs Kreditapparat in fünf Jahren stehen soll. Es geht hier einzig und allein um die Frage seiner Leistungsfähigkeit im Interesse der Realwirtschaft und damit der Zukunft des Standorts Österreich, unseres Wohlstands, aber auch unserer Wohlfahrt.

profil: UniCredit will wohl in fünf Jahren nicht mehr nennenswert in Österreich vertreten sein, zumindest nicht im sogenannten Brot-und Buttergeschäft mit Privatkunden und kleinen Gewerbetreibenden. Androsch: Das ist zunächst einmal ein Problem der UniCredit, die ja selbst riesige Eigenkapitalprobleme hat. Weil aber die Bank Austria dort als Filiale gelandet ist, bedeutet das, dass sich die Probleme der Italiener jetzt bei uns auswirken. Nicht nur zu Lasten der Mitarbeiter der Bank Austria, sondern auch der österreichischen Realwirtschaft. Das ist die Folge dieser Tragödie. Daher muss man jetzt darauf schauen, wie man den Kreditapparat einigermaßen hinbekommt, sonst werden wir die Konjunktur nicht auf Schiene bekommen.

profil: Und wie bekommt man den Kreditapparat einigermaßen hin? Androsch: Dieser muss ertragreicher, kostenschlanker werden. Wie gesagt: Wir sind overstaffed, overbranched, overbanked und unterkapitalisiert.

Warum sieht UniCredit kein Potenzial mehr, wo andere sehr wohl eines sehen?

profil: Nun könnte man einwenden: Die Italiener leisten ihren Beitrag dazu. Androsch: Die leisten ihren Beitrag nur für sich selbst. Weil sie an die Eigenmittel der HVB nicht herankommen, suchen sie Rekurs in Österreich. Schon der Gedanke, das Ostgeschäft nach Mailand zu verlagern, ist aberwitzig. Wir haben mit der CA in den 1980er-Jahren dieses für die UniCredit bis heute ertragreiche Ostgeschäft aufgebaut, das ist nicht nur aus historischen, sondern auch kulturellen Gründen von Wien aus besser zu handhaben. Ob dieser Schritt strategisch wirklich weise ist? Aber das ändert letztlich auch nichts an der Problematik des österreichischen Kreditapparats.

profil: Die Konjunktur in Europa lahmt doch insgesamt, und strukturelle Probleme hat der Kreditsektor anderswo auch. Androsch: Das sehe ich anders. Nehmen Sie Deutschland. Dort wurde die Arbeitslosigkeit seit 2008 halbiert, bei uns hat sie sich verdoppelt. Die maßlos überzogene Bankensteuer und die abschätzige Behandlung der Börse sind keine Hilfe, das zu verbessern. Während sich die Börsen anderswo längst erholt haben, lässt sich das vom Börsenplatz Wien nicht annähernd behaupten. Es fehlt das Grundverständnis, dass eine erfolgreiche Realwirtschaft eine funktionierende Finanz- und Kreditwirtschaft benötigt.

profil: Es ist doch bemerkenswert, dass UniCredit in Österreich kein Geschäft mehr zu sehen scheint, während zum Beispiel die Bawag, der ja Interesse an Teilen der BA nachgesagt wird, das sehr wohl sieht. Androsch: Daher muss man sich also fragen: Warum sieht UniCredit kein Potenzial mehr, wo andere sehr wohl eines sehen? Oder gibt es hier andere Überlegungen? Immerhin ist die BA in der jetztigen Konstellation des österreichischen Bankwesens nicht nur die größte, ich würde sagen auch die beste Bank.

Die österreichische Bankenabgabe, die zehn Mal höher ist als in Deutschland, ist hier keine Hilfe.

profil: Soweit es UniCredit betrifft, dürften Renditeerwägungen im Vordergrund stehen. Androsch: Wenn Banken wie UniCredit nicht genügend Eigenkapital haben, dann müssen Sie schauen, woher sie dieses bekommen. Wenn man wenig Ertrag hat, dann bekommt man dieses nicht von außen. Also muss der Ertrag verbessert werden. Die österreichische Bankenabgabe, die zehn Mal höher ist als in Deutschland, ist hier keine Hilfe.

profil: Das greift doch zu kurz. Man kann ja ein Geschäftsmodell nicht allein über die Frage definieren, ob es eine einschlägige steuerliche Belastung gibt oder nicht. Androsch: Natürlich nicht. Das ist aber einer der Punkte, wo unsere Politik in die falsche Richtung geht.

profil: Die Bankenabgabe müssen die Mitbewerber der Bank Austria auch zahlen. Und die stehen nicht vor der Auflösung. Androsch: Weil diese nicht die Probleme der UniCredit haben.

profil: Sie haben den Verkauf der bürgerlichen CA an die rote BA stets kritisiert. Und das, obwohl Sie ja selbst in der roten Wolle gefärbt sind. Wie geht das eigentlich zusammen? Androsch: Ideologie war und ist hier fehl am Platz. Mit mir hätte es eine Privatisierung in dieser Form nicht gegeben. Das hat auch der verstorbene Heinrich Treichl (Anm.: CA-General von 1970 bis 1981) einmal so gesagt. Die Entwicklungen haben uns leider Recht gegeben. Die CA an die Bank Austria zu hängen, um diese dann an die kaputte HVB zu hängen, wäre wohl vermeidbar gewesen. Warum man sich das damals nicht genauer angesehen hat, war und ist mir ein Rätsel. Wie gesagt, das war wohl hauptsächlich Gerhard Randas Ehrgeiz geschuldet.

Privatisierungen ideologisch anzustreben, ohne über den Tellerrand hinauszublicken, diesen Vorwurf kann man Wolfgang Schüssel nicht ersparen.

profil: Herr Randa meinte jüngst in einem "Kurier“-Interview, er habe Ende der 1990er-Jahre mit "etlichen Banken“ gesprochen, die schon allein des "unternehmerfeindlichen Arbeitsrechts“ wegen kein Interesse an einem Engagement in Österreich gehabt hätten. Es habe am Ende "mehr als zwei Jahre gedauert“, ehe man in der HypoVereinsbank jemanden gefunden habe, "der bereit war, mit uns zusammenzugehen“. Androsch: Das ist doch nur eine Ausrede, mit der ich mich gar nicht erst beschäftigen will.

profil: Andererseits hatte die ÖVP Mitte der 1990er-Jahre kein Interesse daran, die damals teilstaatliche CA an Raiffeisen oder das ominöse Österreich-Konsortium rund um die Erste Bank zu verkaufen. Androsch: Weil man sich zu wenig für dieses wichtige Thema interessiert hat. Privatisierungen ideologisch anzustreben, ohne über den Tellerrand hinauszublicken, diesen Vorwurf kann man Wolfgang Schüssel nicht ersparen.

profil: Daran hat sich insgesamt wenig geändert. Die amtierende Bundesregierung scheint sich für den Finanzsektor auch nicht wirklich zu interessieren. Androsch: Das ist eine Wüste. Wir haben weder eine Wirtschafts- noch eine Finanzpolitik. Siehe die Konjunktur, siehe die steigende Arbeitslosigkeit, siehe den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, siehe die Bankenabgabe, die Schieflage der öffentlichen Haushalte, die nach unten zeigenden internationalen Rankings. Dennoch oder gerade deshalb brauchen wir dringend eine Antwort auf die Frage, wo wollen und können wir in fünf Jahren mit einem leistungsfähigen Bank- und Finanzwesen stehen?

profil: Die Antwort kann wohl nicht lauten: Da, wo wir heute stehen. Androsch: Ganz bestimmt nicht.

profil: Die Frage wäre so auch vor fünf Jahren zu stellen gewesen. Androsch: Die Fimbag (Anm.: die nach Ausbruch der Finanzkrise geschaffene staatliche Bankenholding, die nach Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben demnächst aufgelöst wird) hat der Regierung zwei Mal empfohlen, sich von unabhängigen Außenstehenden eine entsprechende Richtschnur erarbeiten zu lassen. Das hat man einfach ignoriert. Das war ein großer Fehler.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.