Wirtschaft

Lebensmittelhandel: Keine Preisabsprachen, aber unfaire Praktiken

Die Bundeswettbewerbsbehörde unter Natalie Harsdorf-Borsch sollte herausfinden, wer für die hohen Lebensmittelpreise verantwortlich ist. Einen Schuldigen hat sie nicht gefunden.

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Ein Jahr lang durchforsteten die Wettbewerbshüter Umsatzentwicklung, Verträge, Rechnungen und Lieferkonditionen im Lebensmitteleinzelhandel, bei Großhändlern und Produzenten. Es handelte sich um nichts weniger als die größte Branchenuntersuchung seit Bestehen der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Die Prüferinnen und Prüfer haben mehr als 700 Handelsunternehmen, 1500 Lieferanten und Lieferantinnen und 34 Produktgruppen untersucht. Am Freitag wurden die Ergebnisse präsentiert. Sie sollten folgende Fragen beantworten: Warum sind die Preise für Essen und Trinken derart stark und schnell gestiegen? Und wer trägt Schuld daran?

Wie viel wir für Nahrung ausgeben, ist längst zum Politikum geworden.Im Mai dieses Jahres rief die türkis-grüne Regierung die Branchenvertreter wegen der stark gestiegenen Preise zu einem Lebensmittelgipfel ins Bundeskanzleramt. Wirksame Maßnahmen blieben jedoch aus. Die Konsumenten stöhnen an den Kassen der Supermärkte ob der hohen Ausgaben, die Bauern ächzen wegen ihrer sinkenden Erträge. Verdienen sich die großen Handelskonzerne hier also ein üppiges Körberlgeld? Auch eine Frage, der die BWB nachgegangen ist.

Keine Preisabsprachen

Die Ergebnisse könnten aus Konsumentensicht befriedigender sein: „Es konnte kein ausreichender Verdacht auf Preisabsprachen festgestellt werden“, sagte Natalie Harsdorf-Borsch, Chefin der Bundeswettbewerbsbehörde. Dass die Supermarktketten unter dem Deckmantel der Inflation versucht hätten, ihre Handelsspannen und Gewinnmargen zu erhöhen, wie viele vermutet hatten, wird durch die Untersuchung nicht bestätigt. Zumindest im beobachteten Zeitraum vom zweiten Halbjahr 2022 bis zum zweiten Halbjahr 2023 gebe es darauf keine Hinweise, heißt es seitens der Behörde. Die Lebensmittelinflation erreichte im Jänner mit 17 Prozent ihren Höhepunkt und war im September mit 8,4 Prozent noch immer sehr hoch. Im Schnitt zahlen wir heuer um ein Drittel mehr für Lebensmittel als noch vor einem Jahr. Wenn aber alle entlang der Lieferkette ihre Preise erhöhen, war am Ende niemand Schuld.

Was wohl so ziemlich allen Österreichern an der Supermarktkasse aufgefallen ist, bestätigt nun auch die Behörde: Kaum eine Produktgruppe ist von Preisanstiegen verschont geblieben. Besonders stark gestiegen sind Butter Margarine und Mischfette. „Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine war Sonnenblumenöl knapp In der Nahrungsmittelindustrie wurde dann Butter als Substitut eingesetzt. Das ließ die Preise ansteigen“, sagt Wifo-Agrarökonom Franz Sinabell.

Die Situation bei den Herstellern ist freilich differenziert zu betrachten. Die großen multinationalen Lieferanten konnten ihre Preismargen in einzelnen Produktgruppen deutlich steigern. Konzerne wie Nestlé oder Mondelez verhandeln ihre Preise national, das heißt, je nach Land werden unterschiedliche Einkaufspreise bei den Handelsketten durchgesetzt. Dies ist laut BWB auch der wichtigste Faktor, weshalb es etwa gegenüber Deutschland große Preisunterschiede an den Supermarktkassen gebe. „Wir haben bereits die EU-Kommission mit dieser Thematik befasst und unseren Bericht übermittelt“, sagt Harsdorf-Borsch.

Unfaire Geschäftspraktiken

Folgenlos dürfte der Bericht nicht bleiben, denn er zeigt einmal mehr bekannte und höchst problematische Strukturen im heimischen Lebensmittelhandel auf. „Die Analyse zeigt mehrere Schwachstellen im Hinblick auf die Wettbewerbssituation. Die Anzahl der eingemeldeten unfairen Praktiken gegenüber Lieferanten ist beunruhigend“, sagt BWB-Chefin Natalie Harsdorf-Borsch. Eine Beobachtung, die sich mit jenen des im Landwirtschaftsministerium eingerichteten „Fairness-Büro“ deckt. Dort können Landwirte und Lebensmittelproduzenten unfaire Geschäftspraktiken melden. Seien es einseitige Änderungen von Lieferbedingungen, kurzfristige Auftragsstornierungen verderblicher Lebensmittel oder auch Androhung von Konsequenzen gegenüber unbeugsamen Lieferanten. Über 200 Beschwerden gab es im Vorjahr, heuer wird mit einem ähnlich hohen Wert gerechnet. „Die Verfolgung solcher Verstöße steht auf der Prioritätenliste der BWB ganz oben“, sagt Harsdorf-Borsch. Noch dieses Jahr werde es diesbezüglich erste Anträge an das Kartellgericht geben. Prinzipiell brauche es mehr Rechtssicherheit, gerade für die kleineren Lieferanten.

Diese unlauteren Praktiken gehen mit der massiven Marktmacht der vier großen Lebensmittelhändler Rewe, Spar, Hofer und Lidl einher. Sie beherrschen – nach Umsatz – 91 Prozent des Marktes. Auch das kritisiert die BWB. Denn während Supermärkte ihre Konkurrenz ganz genau beobachten und schnell die Preise senken oder anheben, haben Konsumentinnen und Konsumenten kaum Einblicke in die Preisentwicklungen. Ein Transparenzdatenbank soll das ändern, wobei danach noch immer das Problem der hohen Marktkonzentration bestehen bleibt.

Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).