Gutes Geld

Market Timing, Day Trading & Co.: "Kann man die Zukunft aus Charts ablesen?"

Manfred Frühwirth räumt mit einigen Börsenmythen auf - und erklärt, was mitunter doch funktioniert.

Drucken

Schriftgröße

Herr Professor Frühwirth, die Volatilitäten auf den Finanzmärkten verlangen Anlegern aktuell einiges ab. Eine recht naheliegende Börsenweisheit lautet: Günstig kaufen, teuer verkaufen. Wie erwischt man jedoch den richtigen Zeitpunkt, um ein-oder auszusteigen? Gibt es dazu wissenschaftliche Erkenntnisse?
Frühwirth
Es gibt am Kapitalmarkt oft Zyklen-etwa bei Aktien, Zinsen oder Rohstoffpreisen-,hervorgerufen auch durch irrationale Übertreibungen. Ein sogenanntes Market Timing wäre also theoretisch möglich. In der Praxis ist das jedoch sehr schwierig. Denn die zyklischen Schwankungen werden durch zufällige Komponenten überlagert, die nicht prognostizierbar sind.
Analysten sprechen gerne von Kauf-oder Verkaufssignalen. Wie eindeutig sind diese, und können sie helfen, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen?
Frühwirth
Das kommt meist aus der Charttechnik. Da orientiert man sich an der grafischen Darstellung von historischen Kursverläufen und leitet aus unterschiedlichen Indikatoren Aussagen über zukünftige Kursentwicklungen ab. Davon halte ich nichts. Aber es gibt in der Branche einige Gurus, die den Anschein erwecken wollen, man könnte damit alles in den Griff bekommen. Das ist jedoch eine Kontrollillusion. Man kann als Anleger in so eine Chartanalyse sehr viel Zeit investieren, letztlich bringt es aber nichts.
Den Erfolgsgeschichten ist also nicht zu trauen?
Frühwirth
Meine Bedenken gegenüber Market Timing werden durch umfassende Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Literatur untermauert. Dabei zeigt sich: Häufiges Handeln schmälert die Performance. Der Erfolg von Day Tradern, also kurzfristigen Spekulanten, ist äußerst bescheiden. Unter Berücksichtigung der Transaktionskosten verlieren die meisten Geld. Weniger als ein Prozent schafft es, den Markt konsistent, also über mehr als ein Jahr hinweg, zu schlagen. Da kommt die sogenannte Overconfidence, also die Selbstüberschätzung, zum Tragen-einer der größten psychologischen Fallstricke in Sachen Geldanlage. Eine Ausnahme, wo das Market Timing relativ gut geht: Wenn man in Crashzeiten die Hysterie der Anleger und deren psychologische Fehler, wie etwa das Herdenverhalten, ausnützt und günstig kauft, während alle anderen verkaufen.
Könnte man diesen psychologischen Fehlern mit Behavorial-Finance-Fonds ein Schnippchen schlagen, die ja versuchen, die Psychologie der Anleger zu erfassen und daraus Investmententscheidungen ableiten?
Frühwirth
Studien zeigen, dass diese Fonds höhere Renditen erzielen-aber nur, weil sie auch ein höheres Risiko eingehen. In psychologisch besonders herausfordernden Zeiten, wie etwa während der Finanzkrise von 2007 bis 2009, wiesen sie im Vergleich zu ihren jeweiligen Benchmarks jedoch eine erstaunlich schlechte Entwicklung auf.
Und andere aktiv gemanagte Fonds?
Frühwirth
Da gibt es, beginnend mit dem Jahr 1968, eine Unmenge an Literatur, die immer wieder gezeigt hat: Das haut nicht hin. Nur ganz wenige aktive Fonds können risikoadjustiert den Aktienindex schlagen. Dafür hat man wesentlich höhere Kosten.
Mit solchen Aussagen werden Sie sich bei den Kreditinstituten und Fondsmanagern nicht wahnsinnig beliebt machen.
Frühwirth
Das ist für mich kein Kriterium. Ich versuche, Tipps zu geben, welche die Performance der Anleger steigern.

SPRECHSTUNDE, TEIL 1

Neue profil-Serie: Wie kann man erfolgreich und wissenschaftlich fundiert Geld anlegen? Manfred Frühwirth, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien mit Fachgebiet Verhaltensökonomie, gibt Tipps.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).