Interview

Oberbank-Chef: „Jeder Irgendwo-Politiker redet über etwas, wovon er keine Ahnung hat“

Franz Gasselsberger ist CEO der Oberbank, die von einer Regionalbank zum gewichtigen Player im Industriesektor wurde. Warum er - anders als die meisten Branchenkollegen - strengere Bankenregulatorien und Vorgaben zu Wohnbaukrediten gut findet – und warum Politiker zu reden aufhören sollten.

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Das erste Halbjahr hat den Banken große Gewinne gebracht. Laut OeNB war der Überschuss etwa 27 Prozent über dem Vorjahreswert. Das hat wohl auch einiges damit zu tun, dass die EZB den Leitzins stark angehoben hat. Was machen Sie jetzt mit dem ganzen Geld?
Franz Gasselsberger
Vorweg muss man auch einmal laut sagen, dass die heimischen Banken die letzten Jahre auf der Einlagenseite nichts verdient haben – wir haben eher hineingezahlt. Und ja, wir profitieren jetzt von der Normalisierung der Zinslandschaft. Eine leistungsfähige Kreditwirtschaft ist die Voraussetzung für eine funktionierende Volkswirtschaft, dafür braucht es die Banken, die stabil genug dastehen, um Risken tragen zu können. Zuletzt war es die Notenbank, die Banken immer wieder aufforderte, die Eigenkapitalquote zu erhöhen, damit wir den Anschluss zum Rest Europas nicht verlieren. Um das leisten zu können, muss man Erträge erwirtschaften. Und um wachsen zu können, braucht man das auch. Die österreichische Bankenlandschaft – ist anders als in Amerika und teils auch in der Schweiz sehr stabil, was wiederum großes Kundenvertrauen bringt. Eigentlich müssten die politischen Entscheidungsträger stolz auf ihre Banken sein und uns loben. Aber mit Lob gewinnt man keine Wahlen.
Die Oberbank hat 2022 ihr Zinsergebnis um 17 Prozent steigern können. Nun steht der Weltspartag an – und prinzipiell fragen sich schon viele Leute: Warum steigen die Zinsen auf Kredite um so viel mehr als auf Erspartes? Ist das Konzept des Sparens heutzutage noch attraktiv?
Franz Gasselsberger
Bitte verpacken wir in diese Frage keine Mythen. Laut vor Kurzem von der Nationalbank veröffentlichten Zahlen liegen die österreichischen Banken im europäischen Vergleich bei der Weitergabe der Zinsen insgesamt sehr gut. Sparen ist etwas, das sich mehr denn je auszahlt, weil es einen großen Strauß an Möglichkeiten gibt: Vom Festgeld bis zu den Anleihen. Wir sehen, dass sich junge Menschen auch extrem dafür interessieren. Die Hauptmotivation ist das Thema Altersvorsorge. Hinter dem Wort sparen steht ein wichtiger Wert, der auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft essentiell ist: Momentaner Verzicht, damit man später über etwas verfügen kann.
Die FMA hat die Kreditvergaberichtlinien deutlich gestrafft. Darüber gibt es in der Bankenbranche viel Unmut, wie grantig sind Sie?
Franz Gasselsberger
Ich bin seit 40 Jahren im Geschäft, seit 25 Jahren Vorstand – und natürlich freuen mich die Regulatorien und Prüfungen oft nicht. Aber per Saldo hat die Regulatorik, die seit der Bankenkrise 2008 immer intensiver geworden ist, den Banken gut getan. Die europäischen Banken sind dadurch sehr stabil – anders als die Banken in Amerika: Da hat Obama Regeln aufgestellt, Trump hat sie gleich wieder über den Haufen geworfen. Die Banken wurden instabiler und sind nun teils wieder in großen Schwierigkeiten. Ich bin froh, dass es bei uns anders ist.
Ein besonderes Gejammere gibt es in der heimischen Bankenlandschaft über die sogenannte KIM-Verordnung, die die Vergabe von Wohnbaukrediten nun strenger regelt.
Franz Gasselsberger
Jeder Irgendwo-Politiker redet über etwas, wovon er keine Ahnung hat. Keiner von denen hat jemals einen Wohnbaukredit vergeben, und jetzt reden sie irgendetwas nach. Es wäre manchmal besser, weniger zu reden. Also: Auch bei uns sind die Wohnbaukredite um 50 Prozent eingebrochen. Wir haben diese Kredite immer schon sehr streng vergeben und uns an die Empfehlung gehalten, die nun eben zur sogenannten KIM-Verordnung geworden sind. Der Rückgang hat mit einem Vertrauensverlust zu tun. Mit gestiegenen Zinsen, gestiegenen Lebenserhaltungskosten und gestiegenen Baupreisen. Nachdem die Immobilienwirtschaft lange ziemlich geboomt hat, wird flacht das Geschäft ab und es wird zu einer Normalisierung kommen. Ich weiß, ich bin mit dieser Meinung allein.
Man kann anhand der Kreditvergaben viel über die heimische Wirtschaft sagen: Sie sind in Oberösterreich, im größten Industriestandort Österreichs, als Bank sehr stark. Was sagen ihnen die Finanzgebarungen über die Zukunft einer gebeutelten Branche?
Franz Gasselsberger
Wir befragen jedes Jahr unsere 1000 wichtigsten Industrie- und Mittelstandskunden. Natürlich spüren sie alle den Abschwung. Die Auftragslage geht zurück, die Forecasts, also unsere Annahmen über die nächsten Monate, müssen angepasst werden – mit Ausnahme des Fremdenverkehrs, da läuft es überwiegend gut. Aber was mich überrascht hat: Dass wir uns nicht auf der schiefen Ebene bewegen, sondern dass man durchaus für 2024 vorsichtig optimistisch ist. Wir merken das einerseits an der Kreditvergabe: es wird weiter investiert. Und wir merken es auch nicht am Kreditrisiko, das steigt etwas, es war vorher praktisch bei Null – es ist aber nicht alarmierend, weil sich die Unternehmen in den vergangenen Jahren dann doch einen Puffer und eine gute Eigenkapitalquote aufbauen konnten. Womit wir wieder bei den Erträgen wären und damit die Frage beantwortet wird, wozu man Gewinne braucht.
Braucht es eine Kreditzinsobergrenze, wie es die SPÖ fordert– oder eine verpflichtende bessere Beratung wie s die OeNB- Gouverneur Robert Holzmann vorgeschlagen hat?
Franz Gasselsberger
Unsinn. Diese Ratschläge entbehren für mich jeder Grundlage. Im Privatkundengeschäft sind wir aus Konsumentenschutzgründen so stark reglementiert wie in kaum einem anderen Land. Der Beipackzettel bei Bankgeschäften, den Sie zu unterschreiben und zu lesen haben, ist ohnehin fast nicht mehr zumutbar. Was sollen wir denn noch alles tun?
Die Oberbank hat erst vor Kurzem im Rahmen einer Mitarbeiterstiftung Aktien im Wert von 10 Millionen Euro geschenkt. Damit sind die Mitarbeiter der viertgrößte Aktionär. Warum geht man diesen Weg?
Franz Gasselsberger
Mitarbeiter haben seit 1994 die Möglichkeit, sich am Unternehmen zu beteiligen und tun das auch. Wer Aktien gekauft hat, bekam einen Teil geschenkt. Seit 2018 gibt es die Möglichkeit, Mitarbeiter in Form von Stiftungen zu beteiligen. Im letzten Jahr haben wir den Mitarbeitern so Anteile in der Höhe von 10 Millionen Euro zukommen lassen – insgesamt halten unsere Leute Aktien im Gegenwert von 170 Millionen Euro. Warum machen wir das? Es ist eine vierte Säule für die Pensionsvorsorge unserer Mitarbeiter, beteiligt sie am Erfolg, erhöht deren wirtschaftliches Verständnis, erhöht die Bindung – und es ist auch eine Motivation, bei uns zu arbeiten.
Die Bank Austria ist große Aktionärin der Oberbank führt einen erbitterten und sehr komplexen Rechtsstreit gegen Sie – sollte sie das gewinnen, wird die Zentrale in Mailand wohl deutlich mehr mitzureden haben als bisher. Sie sprechen immer davon, dass die Unabhängigkeit der Oberbank damit gefährdet wäre – und auch die regionale Verankerung. Wo ist da Problem?
Franz Gasselsberger
Bis 1980 waren wir ein Teil der Creditanstalt – erst die Unabhängigkeit hat das goldene Zeitalter der Dreibanken-Gruppe, zu der die Oberbank gehört, eingeläutet. Unabhängigkeit darf nie Selbstzweck sein. Das muss sich wirtschaftlich legitimieren – das tun wir. Aber auch die Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter profitieren von der Unabhängigkeit. Zu den Kunden haben wir große Nähe, weil wir eine Flexibilität und Schnelle bei Entscheidungen garantieren können. Wir kennen unsere wichtigsten Kunden, ihre Geschäftsmodelle, kennen die Unternehmerpersönlichkeiten – und können sie darum auch bei schwieriger wirtschaftlicher Wetterlage besser begleiten. Und: Wir sind für sie als starke Regionalbank eine gute Alternative. Die Mitarbeiter: Bei uns wird Leistung honoriert, man hat im Unternehmen jede Möglichkeit sich nach oben zu arbeiten. Die wichtigsten Jobs werden bei uns intern besetzt. Und wir haben rund 8000 Aktionäre in Streubesitz, die mit uns auch durch schwierige Zeiten gehen. Das hätten sie wohl auch nicht getan, wenn sie nicht zufrieden wären. Also anders gefragt: Was wäre, wenn wir unsere Unabhängigkeit verlieren und vom Megakonzern geschluckt werden? Wir könnten nicht mehr expandieren. Wir wären keine Alternative mehr. Die Unicredit wurde zuletzt mit einem Filialschließungsprogramm berühmt, das Seinesgleichen sucht und auch wir müssten dann immer um unsere Existenz bangen.
Apropos Unabhängigkeit, da gibt es noch ein Thema, das die EZB umsetzen will und das in der Bankenwelt sehr kontrovers diskutiert wird: Der digitale Euro. Wo stehen Sie da?
Franz Gasselsberger
Ich glaube, das ist ein wirklich kostspieliges Prestigeprojekt, das in Wahrheit niemand braucht. Würde etwas fehlen, wenn es den digitalen Euro nicht gäbe? Es würde überhaupt nichts fehlen, weil der Zahlungsverkehr, analog oder digital bestens funktioniert.
Ihre und meine Branche hat etwas gemeinsam: Die Digitalisierung stellt einiges davon infrage. Ob es uns in zehn Jahren noch gedruckt gibt, sei dahingestellt. Wird es dann noch Bankfilialen geben?
Franz Gasselsberger
Es wird sie in reduziertem Umfang geben und sie werden eine andere Funktion haben. Die Tendenz, einfache Banktätigkeiten selbst zu machen, wird sich fortsetzen. Das hilft Kunden und Banken, Geld zu sparen – aber das Beratungsbedürfnis ist massiv gestiegen. Diese Ansprüche müssen wir auch in Zukunft befriedigen.
Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.