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Sachwalterschaft: Wenn Angehörige machtlos sind

Ein Sachwalter, der den Kontakt zu den Angehörigen unterbindet, der Gattin des Betroffenen Job und Wohnung und den Kindern den Unterhalt streitig macht. Ein Fall, der deutlich macht, warum die Reform des Sachwalterschaftsgesetzes dringend notwendig ist.

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Es war im Mai, kurz nach ihrem 19. Hochzeitstag, als Birgit Moser* ihren Mann das letzte Mal gesehen hat. Das Zusammentreffen endete nach einer halben Stunde im Eklat. Die erwachsenen Töchter aus Herrn Mosers erster Ehe drohten, die Polizei zu rufen, sollte sie nicht freiwillig das Feld räumen. "Ein paar Tage später wollte ich noch einmal hin, doch der Pfleger, der fünf Jahre lang in meinem Haus gewohnt hat, ließ mich nicht hinein", erzählt Moser. Ihr Gatte konnte sich zu den Vorkommnissen nicht äußern. Er ist schwer dement und wird besachwaltet. Wenige Tage zuvor war er von seinem Sachwalter aus dem ehelichen Haushalt in eine Wohnung verlegt worden. "Ich habe zuerst gar nicht gewusst, wo mein Mann hingebracht wird. Sondern nur eine E-Mail bekommen, dass er abgeholt wird", erzählt Birgit Moser. Ihren Versuchen, Zugang zu ihrem Mann zu bekommen, war bisher kein Erfolg beschieden. Sie hat eine Unterlassungsklage gegen den Sachwalter (dieser ist Rechtsanwalt), die Töchter sowie die Exfrau eingebracht. "Weder besteht ein vertraglicher noch ein deliktischer Anspruch, da der Antragstellerin/klagende Partei kein wie immer geartetes Recht auf Zugang zu ihrem Ehemann zusteht", erklärte der Sachwalter in seiner Äußerung zur Klage. Das Verfahren ist anhängig.

Kein Einzelfall, wie man bei der Volksanwaltschaft weiß. Rund 51.700 Personen in Österreich stehen derzeit unter Sachwalterschaft und führen somit ein fremdbestimmtes Leben. Betroffen sind sowohl Menschen mit körperlicher als auch mit geistiger Beeinträchtigung. "Pro Jahr gehen Hunderte Beschwerden bei uns ein", sagt Volksanwältin Gertrude Brinek. Sie erzählt von Sachwaltern, die ihre Klienten - ohne dessen Angehörigen zu informieren - in Pflegeheimen unterbringen. Von Sachwaltern, die Immobilien gegen den Willen ihrer Pfleglinge verkaufen. Von Sachwaltern, die den Betroffenen überhöhte Honorare verrechnen. Oftmals in völliger Ignoranz der Angehörigen, denen die Auskunft bezüglich der Umstände verweigert wird. Denn sie haben keinerlei Rechte.

Neues Erwachsenenschutzgesetz soll Verbesserungen bringen

Auch die Vereinten Nationen kritisierten 2013 die österreichischen Zustände scharf. Sie sahen in der von Österreich betriebenen Sachwalterschaftspraxis eine Verletzung der Behindertenrechtskonvention. Das seit 30 Jahren geltende Sachwalterschaftsrecht ist nun bald Geschichte. Am 1. Juli 2018 wird es vom neuen sogenannten Erwachsenenschutzgesetz abgelöst. Dieses soll deutliche Verbesserungen sowohl für die Betroffenen als auch deren Angehörigen bringen (siehe Kasten).

Sachwalterschaften sind immer heikel. Schließlich greifen sie tief in Leben und Alltag der betroffenen Personen ein. Das fängt mit der Bestimmung über die Höhe des Taschengelds an, welches den Betroffenen zugestanden wird, geht über die Abwicklung von Rechtsgeschäften und die Erledigung von Behördenwegen bis hin zu Entscheidungen über die medizinische Behandlung, die dem Pflegling zuteil werden soll. Besonders schwierig wird es dann, wenn dem Besachwalteten ein Unternehmen gehört. Wie im Falle der Mosers. Herr Moser war Wirtschaftsprüfer. Seine Frau arbeitete ebenfalls im Unternehmen. Sie war in der Kanzlei für Kundenakquise, Mandantenbetreuung und das Mahnwesen zuständig. Im November 2016 wurde sie entlassen. "Kurz zuvor hatte meine Mandantin bei Gericht die Enthebung des Sachwalters angeregt", sagt Mosers Rechtsanwältin, Katharina Körber-Risak von der Anwaltssozietät Kunz Schima Wallentin. Weil dieser ein Honorar in Höhe von 76.000 Euro verrechnet habe. Nach Empfinden Mosers ein völlig überhöhte Forderung. Die Entschädigung eines Sachwalters bemisst sich nach den Einkünften seines Schutzbefohlenen. Sie beträgt fünf Prozent vom Einkommen des Klienten und zwei Prozent vom Vermögen, wenn dieses 10.000 Euro übersteigt. Je mehr Vermögen ein Mensch also hat, desto mehr verdient auch sein Sachwalter.

Er wollte das Unternehmen in Familienhand wissen. Sein Wunsch war es, dass einer unserer Söhne einmal das Geschäft übernehmen sollte.

Um die Entlassung Mosers überhaupt durchsetzen zu können, berief der Sachwalter die beiden langjährigen Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungskanzlei ab, "denn diese hätten sich nie von meiner Mandantin getrennt", glaubt Körber-Risak - und setzte einen neuen ein. Moser bekämpft die Entlassung nun vor dem Arbeits- und Sozialgericht. Der Sachwalter indes wirft Moser vor, sie hätte nur wenige Stunden pro Tag gearbeitet, dafür ein üppiges Gehalt bezogen und zudem dem Unternehmen private Ausgaben in Rechnung gestellt, wie aus profil vorliegenden Schriftsätzen hervorgeht. "Vorwürfe, die nicht zutreffen", erklärt Körber-Risak. Darüber hinaus ziehe der Sachwalter nun in Erwägung, die Kanzlei zu verkaufen. "Das widerspricht ganz klar dem Willen meines Mannes", sagt Birgit Moser. "Er wollte das Unternehmen in Familienhand wissen. Sein Wunsch war es, dass einer unserer Söhne einmal das Geschäft übernehmen sollte. Diesen Wunsch hat er sogar in seinem Testament im Jahr 2003 festgehalten", so Moser.

Tatsächlich schreibt das Gesetz dem Sachwalter eine sogenannte Wunschermittlungspflicht vor. Ihn trifft damit die Pflicht, sich mit der Lebenssituation und den individuellen Vorlieben und Gebräuchen seines Pfleglings auseinanderzusetzen und danach zu handeln. Erwies sich also jemand in der Vergangenheit als besonders großzügig und spendabel, müsste der Sachwalter auch diese Gepflogenheiten fortsetzen.

Meine Kinder müssen jetzt den Vater auf Unterhalt klagen, das ist eine völlig absurde Situation.

Herr Moser kann aufgrund seiner schweren Demenz seine Wünsche nicht mehr artikulieren. Ob es jedoch im seinem Sinne ist, dass für seine Söhne (18 und 19 Jahre alt), die beide noch die Schule besuchen, die Unterhaltszahlungen eingestellt wurden, ist fraglich. "Meine Kinder müssen jetzt den Vater auf Unterhalt klagen, das ist eine völlig absurde Situation", meint Moser.

Eine Sachwalterschaft stellt also nicht nur erhebliche Eingriffe in die Lebensumstände des Betroffenen dar, sie kann auch auf seine Angehörigen massive Auswirkungen haben. So hatte etwa Herr Moser 2003 das gemeinsam bewohnte Haus in bester Wiener Wohnlage übertragen. Diese Schenkung hat der Sachwalter nun wegen "groben Undanks" widerrufen. Auch hierzu ist ein Verfahren anhängig.

Mittlerweile Vielzahl von Verfahren am laufen

Generell wird in diesem Fall mit harten Bandagen gekämpft. So hat der Sachwalter gegen Birgit Moser ein Strafverfahren unter anderen wegen des Verdachts auf Menschenhandel, Beeinflussung von Amtspersonen und versuchten Betrugs eingebracht. Moser indes hat den Sachwalter wegen des Verdachts auf Untreue und Prozessbetrugs angezeigt. Dieses Verfahren wurde mittlerweile eingestellt. Der Sachwalter wiederum hat eine einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt gegen Birgit Moser eingebracht. Diese wurde vom Gericht abgewiesen.

In der Causa läuft mittlerweile eine Vielzahl von Verfahren, sie hat Ausmaße angenommen, die für einen Außenstehenden kaum noch nachvollziehbar sind. Der Sachwalter selbst will sich dazu nicht äußern. "Bei Sachwalterakten handelt es sich um Verschlussakten, kein Beteiligter ist berechtigt, Informationen weiterzugeben. Ich ersuche daher um Verständnis für die mich treffende Verschwiegenheitspflicht, die ich ernst nehme und Ihnen daher keine Informationen erteilen kann", lässt er auf profil-Anfrage wissen. "Sämtliche Vorwürfe sind zudem haltlos, leicht widerlegbar und werden offenbar gegen besseres Wissen erhoben."

Trotz der enormen Zerwürfnisse zwischen dem Sachwalter und den Angehörigen des Betroffenen hat das Pflegschaftsgericht die Anregung von Birgit Moser auf Enthebung bisher abgelehnt. Prinzipiell können auch nur die Besachwalteten selbst einen Antrag auf Abberufung stellen. Das ist die Paradoxie bei der Sache: In vielen Fällen, wie auch in jenem von Herrn Moser, sind sie aufgrund ihrer Einschränkungen dazu gar nicht mehr in der Lage. Das sei auch der große Schwachpunkt des noch geltenden Gesetzes, meint Volksanwältin Gertrude Brinek. Der überwiegende Teil der Beschwerden, der sie erreiche, betreffe familienferne Sachwalter, also Rechtsanwälte oder Notare. "Es gibt Kanzleien, die haben über 1000 Sachwalterschaften, aber nur zwei Sozialarbeiter", sagt Brinek. Der vom Gesetz vorgeschriebene monatliche Kontakt könne so gar nicht gehalten werden. "Aber es ist kaum realisierbar diese Sachwalter wieder loszuwerden", so die Volksanwältin.

*Namen von der Redaktion geändert

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Die wichtigsten Neuerungen durch das Erwachsenenschutzgesetz

Das neue Erwachsenenschutzgesetz steht auf vier Säulen: Mit der Vorsorgevollmacht kann jeder zu jedem Zeitpunkt seines Lebens eine Person bestimmen (oder auch ausschließen), in gewissen Belangen für ihn zu entscheiden, wenn er selbst dazu nicht mehr in der Lage ist.

Bei der gewählten Erwachsenenvertretung können Menschen mit geringen Beeinträchtigungen eine Person ihres Vertrauens mit der Vertretung beauftragen.

Die gesetzliche Erwachsenenvertretung kommt zum Zug, wenn der Betroffene nicht mehr fähig ist einen Vertreter zu wählen. Wahrgenommen wird sie durch Angehörige.

Die gerichtliche Erwachsenenvertretung löst die bisherige Sachwalterschaft ab. Ihre Befugnisse werden aber deutlich beschränkt. Zudem ist ihre Bestellung auf drei Jahre befristet. Im Vorfeld soll in einem Clearingverfahren überprüft werden, ob es für die Betroffenen nicht doch eine Alternative gibt.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).