Durchgriffsrecht

Salzburger Finanzskandal: keine Spur von der geforderten Transparenz

Salzburger Finanzskandal. Keine Spur von der geforderten Transparenz

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Außer am Opernball, erzählt ein Teilnehmer, habe er noch nie so viel österreichische Politprominenz an einem Ort versammelt gesehen. Das angesprochene elitäre Treffen fand am 4. Jänner 2013 im edlen Rahmen von Schloss Mondsee statt. Und war von solcher Dringlichkeit, dass Spitzen der Bundesregierung, Landeshauptleute sowie hochrangige Vertreter des Städte- und Gemeindebundes völlig überstürzt ihren Weihnachtsurlaub abbrechen mussten.

Ein Monat zuvor hatte Salzburgs Finanzlandesrat David Brenner in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz eine Bombe platzen lassen. Die Leiterin des Finanzreferats - Monika Rathgeber sollte später noch zu einiger Berühmtheit gelangen - habe mit hochriskanten Finanzgeschäften 340 Millionen Euro Steuergeld verspekuliert. Hinter dem Rücken ihrer Vorgesetzten, unter den Augen des Rechnungshofes.

Die Nachricht löste ein politisches Erdbeben aus, die Empörung war groß.

Bundespräsident Heinz Fischer drängte auf "gläserne Kassen“, Bundeskanzler Werner Faymann forderte "Transparenz und klare Richtlinien für Finanzgeschäfte“ und Vizekanzler Michael Spindelegger einen "sorgsamen Umgang mit Steuergeld“.

Der Schock über den Salzburger Finanzskandal saß also tief. Die in Mondsee angetretenen Verhandlungsführer waren sich in der Sache einig. Die besten Voraussetzungen, so sollte man meinen, um zügig zu einem Ergebnis zu kommen.

Transparenz?
Seither ist ein Jahr ins Land gezogen. Was ist also aus dem im Jänner so dringlich gewesenen Vorhaben geworden? Was aus der vielbeschworenen Transparenz? Was aus den klaren Regelungen? Man kann es getrost vorwegnehmen, der gelernte Österreicher ahnt es ohnehin: nicht viel.

Noch immer weiß niemand, wie hoch der Schuldenstand des Staates - Bund, Länder und Gemeinden - tatsächlich ist. Noch weniger ist bekannt, welche Zeitbomben an abenteuerlichen Finanzgeschäften in den Ländern und Gemeinden schlummern, geschweige denn, wann sie hochgehen werden.

Das muss sich vor allem die scheidende Finanzministerin Maria Fekter vorwerfen lassen. Sie hätte es in der Hand gehabt, für Ordnung zu sorgen. Doch die vorhandenen Möglichkeiten hat sie nicht genutzt.

Es soll hier nicht einer Anlassgesetzgebung das Wort gesprochen werden. Andererseits: Der Swap-Skandal in Linz, die Verstaatlichung der Hypo Alpe-Adria wegen der Haftungen des Landes Kärnten, die Spekulationen mit Wohnbaugeldern in Niederösterreich - wie viele Anlässe braucht es noch, damit die Politik endlich in die Gänge kommt?

Spekulationsverbot
Dabei schien nach dem Skandal in Salzburg die Ambition groß zu sein, endlich aufzuräumen. Doch der Plan, ein Spekulationsverbot in der Verfassung zu verankern und den Ländern eine einheitliche Darstellung ihrer finanziellen Lage vorzuschreiben, ist grandios gescheitert. Zuerst legten sich die - schwarzen - Länder quer. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner - als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz - machte schnell klar, dass er davon nichts halte: "Ich will nicht, dass über die Hintertür in die Finanzautonomie der Länder eingegriffen wird.“ Das Thema war damit rasch vom Tisch. Eine abgespeckte Einigung mit den Ländern fand aber nicht die Zustimmung der Opposition und somit keine für seine Verankerung in der Verfassung notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Alleingänge der Landeshauptleute
Was kam, ist eine zutiefst österreichische Lösung: Die Landeshauptleute haben sich zu Alleingängen entschlossen, weil auch eine sogenannte 15a-Vereinbarung mit dem Bund gescheitert ist. Mit dieser hätten sie sich verpflichtet, ihre Finanzgebarung "risikoavers“ auszurichten und "keine vermeidbaren Risiken einzugehen“. Eine mehr als dehnbare Begrifflichkeit, vor allem, weil die Länder selbst festlegen können, was darunter zu verstehen ist. Schlupflöcher vorprogrammiert. Lediglich Kreditaufnahmen zum Zweck "mittel- und langfristiger Veranlagungen“ und der Einsatz derivativer Finanzinstrumente ohne reales Grundgeschäft sind dezidiert verboten.

Nun bastelt jedes Bundesland - in Orientierung an dem 15a-Entwurf - sein eigenes Gesetz, oder hat es wie Salzburg oder Wien bereits beschlossen. "Der Föderalismus erlaubt eine Vielheit, die bei der Kleinheit des Landes nur schwer zu rechtfertigen ist“, meint Bernhard Felderer, Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses. Für die Länder hat dies jedoch einen entscheidenden Vorteil: Nun können sie sich als Musterknaben im Kampf gegen die von der Bevölkerung ungewünschte Spekulation gerieren. Das Ergebnis ist vorhersehbar: Was in einem Land erlaubt ist, wird in einem anderen verboten sein. Ein Hohn für Transparenz und Vergleichbarkeit. "Der Rechnungshof hält ein transparentes, für alle Gebietskörperschaften geltendes einheitliches Spekulationsverbot für erforderlich. Diese komplexe Regelung macht eine Kontrolle nahezu unmöglich“, moniert Rechnungshofpräsident Josef Moser.

Klar ist, kommt es nicht endlich zu einer Vereinheitlichung des Rechnungswesens, werden sich die Nebel um die Finanzlage nie lichten. "Da haben wir enormen Nachholbedarf. Die Einführung der Doppik, auch um Spekulation zu unterbinden, wäre sinnvoll “, sagt Felderer. Während sich der Bund Anfang des Jahres von der Kameralistik verabschiedet hat, wenden sie die Länder immer noch an. Als reine Ein- und Ausgabenrechnung sagt sie nichts über die aktuelle Vermögenssituation oder den Schuldenstand aus. Mehr noch: Mit der Kameralistik kann die tatsächliche Lage gut verschleiert werden. Denn Spekulationsverluste wie in Salzburg macht sie nicht sichtbar. Würden die Länder jedoch nach der doppelten Buchführung (Doppik), wie sie in Unternehmen üblich ist, bilanzieren, müssten Verluste aus Finanzgeschäften, langfristige Investitionen und Abschreibungen dargestellt werden. Wohl wahr, auch in der Doppik kann man tricksen, wie unzählige Fälle aus der Wirtschaft zeigen. Ein getreueres Abbild der Realität als die Kameralistik bietet sie aber allemal.

Auch Fekter ist Feuer und Flamme. "Das derzeitige System der Kameralistik mag zu Kaisers Zeiten ausreichend gewesen sein, ein moderner Staat lässt sich so aber nicht mehr effektiv verwalten. Es braucht eine einheitliche Regelung für eine vergleichbare Buchhaltung in allen Ländern und Gemeinden“, betonte sie mehr als einmal. Ebenso oft mahnte sie eine rasche Einführung der Doppik für Länder und auch Gemeinden ein, ganz so, als hätte sie die Fäden dazu nicht selbst in der Hand. Im Paragraf 16 des Finanzverfassungsgesetzes heißt es: "Der Bundesminister für Finanzen kann im Einvernehmen mit dem Rechnungshof Form und Gliederung der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse der Gebietskörperschaften insoweit regeln, als dies zur Vereinheitlichung erforderlich ist.“ Wenn Fekter ihr Anliegen derart wichtig ist, warum hat sie nicht längst die entsprechenden Maßnahmen ergriffen und ein einheitliches Rechnungswesen verordnet? Nachfrage im Finanzministerium: "Es ist ohnehin einiges in Bewegung. Die Finanzreferenten der Länder haben sich im Herbst dazu bekannt, dass es im Haushaltsrecht eine Angleichung geben soll“, sagt Sprecher Andreas Perotti. Es sei also gar nicht mehr notwendig, hier aktiv zu werden.

Rechnungshofpräsident Moser dagegen führt die "Heiligenbluter Vereinbarung“ ins Treffen. An der darin festgelegten Einstimmigkeit sei ein derartiges Vorgehen gescheitert. In der Vereinbarung ist zu lesen: "Bund, Länder und Gemeinden sind übereingekommen, Form und Gliederung der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse der Länder, der Gemeinden und von Gemeindeverbänden einvernehmlich zu gestalten.“ Und weiters: "Eine solche Regelung hat im Dienste einer weitgehenden Vergleichbarkeit der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse der Gebietskörperschaften zu stehen.“ Das war im Jahr 1974. Diensthabender Finanzminister war damals Hannes Androsch. Seither trifft man sich Jahr für Jahr - nur die handelnden Personen sind heute andere - und hat es auch nach vier Jahrzehnten zu keiner Einigung gebracht.

Schon erstaunlich, dass Moser einer politischen Vereinbarung das Wort redet. Als oberster Repräsentant des Rechnungshofes, dem de iure unabhängigen Organ der externen öffentlichen Finanzkontrolle, sollte er wohl eher auf geltendes Verfassungsrecht hinweisen. Stattdessen nehmen er, seine Vorgänger sowie eine Legion an Finanzministern seit 40 Jahren auf die Befindlichkeiten der Landeshauptleute Rücksicht, deren Interesse an einer Offenlegung ihrer Finanzen - vorsichtig ausgedrückt - bescheiden ist.

Und wenn Fekter ein echtes Interesse daran hätte, über etwaige risikoreiche Spekulationsgeschäfte der Länder und Gemeinden Auskunft zu bekommen, böte auch hier genannter Paragraf 16 Handhabe. Demzufolge kann das Ministerium "Auskünfte über die Finanzwirtschaft“ der Gebietskörperschaften einholen. Im Klartext: Fekter könnte beispielsweise jederzeit eine detaillierte Auflistung aller vorhandener Derivatgeschäfte verlangen.

Allein, sie tut es nicht.

Wären alle Fakten auf dem Tisch, würde es wohl oder übel zu einer Verschlechterung des Kreditratings kommen. Aktuell kann sich Österreich so günstig wie noch nie refinanzieren. Und das soll - geht es nach den Verantwortlichen - so lange wie möglich auch so bleiben.

Will man Spekulation jedoch generell unterbinden, bräuchte es eigentlich nur eine eindeutige gesetzliche Regelung hinsichtlich der Ertragsoffenlegung für Banken. Jener Swap der Stadt Linz mit der Bawag, der nun Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen ist, startete mit einem für die Stadt negativen Anfangswert von 20 Millionen Euro. Und das ist kein Einzelfall, wie zahlreiche andere Causen belegen. Bei derartigen Geschäften legen die Banken, wie es scheint, aus Prinzip, ihre Erträge nicht offen. Wäre die Bawag verpflichtet gewesen, diesen negativen Anfangswert bei Abschluss offenzulegen - wie es bei Kreditgeschäften und Veranlagungen der Fall ist -, wäre Ex-Finanzdirektor Werner Penn dieses Geschäft wohl nicht eingegangen. Und viele andere Bankkunden ähnliche Geschäfte wohl auch nicht.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.