Werner Boote: "Plastik hat ein Ablaufdatum"

Der Regisseur des Films "Plastic Planet", Werner Boote, über die Folgen seiner Doku, "Greenwashing" durch die Industrie und wirksame Gesetze gegen Plastikmüll.

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Interview: Clemens Neuhold

profil: Vor neun Jahren haben Sie mit Ihrem Film "Plastic Planet" aufgerüttelt. Was ist seither passiert? Boote: Enorm viel. Es wurden Babyflaschen aus dem Markt genommen, Chemikalien in Schnullern verboten, Familien entschlossen sich, plastikfrei zu leben, verpackungsfreie Läden wurden gegründet, Aktivisten warfen ihren Plastikmüll vor die Supermärkte - ganz zu schweigen von Plastiksackerlverboten in mehreren Ländern. In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist das Verbot direkt auf den Film zurückzuführen. Der Holländer Boyan Slat, der nun sein 30-Millionen-Wahnsinnsprojekt zur Reinigung der Meere gestartet hat, schrieb mich damals als 16-Jähriger an, wie sehr ihn der Film erschüttert hat.

profil: Der globale Schock über Plastikinseln, die im Meer treiben, ändert aber wenig am Konsumverhalten. Im Gegenteil. Im Supermarkt wird Plastik immer vielseitiger eingesetzt und auch to go gern gekauft, siehe Kaffeebecher. Boote: Die Industrie will natürlich an ihren Profiten festhalten und jubelt uns immer mehr Plastik unter ...

profil: ... und sie verweist darauf, dass Kunststoffe in Österreich ohnedies recycelt oder verbrannt werden und deswegen nicht im Meer landen. Boote: Von Recycling zu reden, ist klassisches Greenwashing. Nur ein winziger Teil einer neuen Plastikflasche besteht aus dem alten Material, der Rest ist neues Plastik. Mit dem Recycling von Papier ist das nicht zu vergleichen. Beim Verbrennen bleibt toxischer Abfall im Filter übrig, der in Stollen unter Tag wandert. Außerdem führt zu viel Plastik zu hohen Temperaturschwankungen, was den Betrieb der Anlagen nicht gerade erleichtert.

profil: Das klassische Plastiksackerl im Supermarkt ist auf dem Rückzug, seit es eine freiwillige Vereinbarung mit großen Ketten gibt. Boote: Das Plastiksackerl ist die dümmste Erfindung. Für einen durchschnittlichen Gebrauch von 22 Minuten verwendet man ein Material, das 200 Jahre hält. Die freiwillige Vereinbarung zur Reduktion bis 2025 ist das nächste Greenwashing. Die Industrie kauft sich Zeit. Und sie ist stark: In Brüssel hat ein einziger Chemie-Konzern wie BASF 400 Lobbyisten, Fairtrade hat acht.

profil: Welche Gesetze fordern sie? Boote: In Irland führte ein Fixpreis pro Sackerl dazu, dass der Verbrauch massiv zurückging. Frankreich verlangt ab 2019 eine Steuer auf Plastik-Einweg-Ware. In den USA und in Großbritannien sind die Mikroplastikpartikel verboten, die etwa in Kosmetika oder Zahnpasten eingesetzt werden und ins Grundwasser gelangen. Ich verstehe nicht, warum Mikroplastik in Österreich noch immer erlaubt ist. Plastiktextilien sind das nächste große Problem. Bei jedem Waschgang ihres Fleece-Pullis treten bis zu 1900 winzige Plastikfasern aus und geraten ins Grundwasser. Die Waschmaschinenhersteller können das nicht verhindern. Unser Plastikmüll gelangt weniger ins Meer wie in Asien, sondern vielmehr ins Grundwasser.

profil: Dennoch sind wir Öko-Musterschüler im Vergleich zu China, Indien oder Vietnam. Boote: Ein Video von einem Plastikteppich vor Honduras hat unlängst im Netz für Empörung gesorgt. Der Plastikkonsum in diesen Ländern beträgt aber einen Bruchteil von dem unsrigen. Plastik ist nicht zuletzt eine Bedrohung für Umwelt und Gesundheit, weil hormonwirksame Substanzen in Lebensmittel und damit in den Organismus übergehen.

profil: Das bestreiten Verpackungserzeuger mit Hinweis auf Studien vehement. Sie sprechen von Panikmache. Boote: Ich habe mein Blutplasma für den Film testen lassen und seither meinen Plastikkonsum extrem reduziert. Der Anteil des Plastiks im Blut ist massiv gesunken.

profil: Man kann Plastik aus gesundheitlichen Aspekten auch positiv sehen, es erhöht die Haltbarkeit und die Hygiene. Boote: Die in Plastik eingeschweißte Bio-Gurke ist dennoch eine Perversion. Wie passt das zusammen? Der Handel muss einfach dafür sorgen, dass die Gurke einen kürzeren Transportweg zurücklegt und schneller verkauft wird. Aber diese Kosten scheut er.

profil: Wie geht's weiter? Boote: In manchen Bereichen wie der Medizin werden Kunststoffe weiter von großem Nutzen sein. Aber auch dort muss von Substanzen, die für Krebs-, Herzerkrankungen und Unfruchtbarkeit verantwortlich gemacht werden, Abstand genommen werden. Wir brauchen dringend eine Besteuerung von erdölbasierten Kunststoffen. In Bezug auf Lebensmittelverpackungen und Wegwerfprodukten hat Plastik ein Ablaufdatum. Davon bin ich überzeugt.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.