Nomen est omen

Wie österreichische Unternehmen migrantische Bewerber benachteiligen

Arbeitsmarkt. Jobkandidaten mit ausländischem Namen sind Diskriminierung ausgesetzt

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Furaha heißt "glücklich sein“ auf Suaheli. Diesen Namen wählt Furaha Muro*, um von ihren alles andere als glücklich machenden Erlebnissen am Arbeitsmarkt zu erzählen. Die Juristin hatte in Tansania und Holland studiert, doch in Österreich wurde ihre Ausbildung nicht anerkannt.

Sie heiratete einen Einheimischen und nahm seinen Namen an. Das hilft ihr bei telefonischen Bewerbungen. Doch jedes Mal, wenn sie gebeten wird, persönlich vorbeizuschauen, "sehe ich an den Gesichtern der Leute, dass ich nicht die Person bin, die sie erwartet haben.“ Der peinliche Moment entfällt, wenn sie sich schriftlich und mit Foto bewirbt: "Dann werde ich gleich gar nicht eingeladen.“

Muros Englisch ist perfekt, so wie ihr Suaheli. Ihr Deutsch wurde mit den Jahren fehlerfrei, doch gleichzeitig wuchs ihre Verzweiflung: "Hätte ich geahnt, wie schwer man es in Österreich hat, wenn man aus dem Rahmen fällt, wäre ich nicht hergekommen.“

Geschichten wie diese kennt Mümtaz Karakurt vom Verein Migrare zuhauf. In der Linzer Beratungsstelle sind Klagen darüber, wegen eines Namens, eines Kopftuchs oder der Hautfarbe benachteiligt worden zu sein, so alltäglich wie das morgendliche Einschalten der Kaffeemaschine: "Oft sind die Diskriminierungen schwer zu fassen, weil nur mehr die wenigsten Arbeitgeber tollpatschig genug sind, offen zu sagen, was sie an den Jobanwärtern wirklich stört.“

"Wir halten sie in Evidenz!“
Im Mai richtete Migrare eine Tagung mit dem vielsagenden Titel "Wir halten sie in Evidenz!“ aus. Im Expertenkreis war hier von einer Studie im Auftrag des Sozialministeriums zu erfahren, die seit Monaten fertig, bis dahin jedoch nicht veröffentlicht worden sei. Dabei hätte die Arbeit ("Diskriminierung von MigrantInnen am österreichischen Arbeitsmarkt“) jede Aufmerksamkeit verdient.

Es ist schon eine kleine Sensation, dass es sie gibt. 27 Prozent der Einwanderinnen und 30 Prozent der Einwanderer arbeiten hierzulande unter ihrem Qualifikationsniveau, sagt die OECD. Schon seit geraumer Zeit drängt sie Österreich, "die Öffentlichkeit mit Studien aufzurütteln und endlich die gesellschaftlichen Kompetenzen für die Aufnahme von Einwanderern zu entwickeln“, sagt Migrationsforscher August Gächter.

Anonyme Bewerbungen wären ein Schritt in die richtige Richtung. Sie wurden in den 1960er-Jahren in Großbritannien erfunden und verbreiteten sich zunächst im angloamerikanischen Raum. Inzwischen ist es in vielen Ländern, allen voran in Belgien und Skandinavien, durchaus üblich, sich ohne Namen und Foto zu bewerben. In einigen deutschen Bundesländern wird das Verfahren eifrig erprobt und evaluiert.

Die erwähnte heimische Studie erforscht erstmals das Ausmaß der Diskriminierung von Zuwanderern in Österreich. 2142 Bewerbungsschreiben ließ Doris Weichselbaumer, Forscherin an der Uni Linz, an Unternehmen verschicken, die eine Sekretärin, einen Koch, einen Kellner oder eine Rezeptionistin suchten. Die fiktiven Bewerber, die sich auf Annoncen hin meldeten, hatte Weichselbaumer im Labor erfunden und sorgfältig abgetestet. Laut ihren Unterlagen waren sie alle in Österreich aufgewachsen, besaßen die Staatsbürgerschaft, hatten in der Schule die gleichen Noten und sammelten vergleichbare berufliche Erfahrungen. Was sie voneinander unterschied, waren ihre ethnischen Wurzeln.

Jede dritte Bewerbung führte zu einem Gespräch, wobei die Bewerber mit österreichisch klingenden Namen deutlich öfter die Chance erhielten, sich persönlich vorzustellen. Unter den Migranten waren serbische und chinesische am erfolgreichsten, gefolgt von türkischen. Nigerianische Jobanwärter bekamen nur halb so viele Einladungen wie einheimische.

Die Befunde decken sich mit Ergebnissen aus Deutschland, wo Ende 2010 ein Pilotprojekt startete. Eineinhalb Jahre lang rekrutierten die daran beteiligten Unternehmen anonym, unter ihnen Deutsche Post, L’Oréal und Procter & Gamble. Erst als die besten Anwärter feststanden, bekamen sie Namen und Gesichter. Davon profitierten vor allem Zuwanderer und Frauen mit Kindern. 250 Jobs wurden auf diese Weise vergeben.

Der kleine, folgenreiche Unterschied
Vor wenigen Monaten legte der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration mit einer Studie nach. 1800 Unternehmen, die Ausbildungsstellen zum Bürokaufmann oder zum KFZ-Mechatroniker zu besetzen hatten, standen auf dem Prüfstand. Für jede davon bewarben sich vier Jugendliche des Jahrgangs 1996 mit völlig gleichen Voraussetzungen (http://www.svr-migration.de/content/?p=5401). Zwei trugen einen türkischen Namen, zwei einen deutschen.

Der kleine Unterschied erwies sich erneut als folgenreich: Hakan Yilmaz und Ahmet Aydin mussten sieben Bewerbungen verschicken, um zu einem Interview eingeladen zu werden. Tim Schultheiß und Lukas Heumann schafften die Hürde mit fünf Bewerbungen. Außerdem benötigten die türkischen Jugendlichen eine dickere Haut, denn sie bekamen häufiger entweder gar keine Antwort oder eine barsche Ablehnung. Außerdem mussten sie sich öfter duzen lassen.

Die Gesichter verbergen und die Namen ausradieren, ist das die Antwort? US-Orchester begannen Anfang der 1990er-Jahre damit, Nachwuchsmusiker hinter Paravans vorspielen zu lassen. Zehn Jahre später befundeten Claudia Goldin und Cecilia Rouse in einem aufsehenerregenden Beitrag für die "American Economic Review“, dies habe die Chancen für Musikerinnen deutlich verbessert.

Forscherin Weichselbaumer, Mitautorin der Österreich-Studie, dämpft jedoch die Erwartungen: "Anonyme Bewerbungen haben ihre Meriten, aber sie richten wenig aus, wenn schon vorher in der Schule und bei Ausbildungen diskriminiert wird.“ Ihre Befunde versteht sie deshalb als Weckruf, "Benachteiligungen auf allen Ebenen zu beseitigen“.

Erbärmliche Umsetzung
Tatsächlich schläft Österreich tief und fest. Zwar werden EU-Vorgaben erfüllt, doch die Umsetzung der Gesetze in die Praxis sei erbärmlich, konstatiert Sozialforscher Gächter: "Die Gleichbehandlungsstelle ist personell so schlecht ausgestattet, dass von Diskriminierung Betroffene einen langen Atem brauchen. Wenn sie irgendwann Recht bekommen, sind die Schadenersatzleistungen so gering, dass sie nicht einmal die Verfahrens-kosten abdecken.“ Wer diskriminiert wird, zahlt also auch finanziell drauf.

Laut einer Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2009 glauben bloß 16 Prozent der Österreicher, ihre Rechte im Falle von Benachteiligungen zu kennen. Nach Bulgarien ist dies der niedrigste Wert innerhalb der EU-27, der Durchschnitt liegt doppelt so hoch. Spitzenwerte erringt Österreich nur bei der Frage, ob man Benachteiligungen beobachtet oder selbst erfahren habe. "Das heißt, es gibt einen geschärften Blick für Diskriminierung. Aber wenn sie passiert, weiß man sich nicht zu helfen“, so Gächter. Schon das Wort sei verpönt: "Nur im Gender-Bereich redet man mittlerweile von Diskriminierung. Das hat allerdings zwei Generationen gedauert.“

Beherzt startete die frühere Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek vor zwei Jahren einen Versuch. Novomatic und Rewe machten mit. Der Handelskonzern Rewe International in Wiener Neudorf erklärte sich bereit, für seine IT-Abteilung, die jährlich 70 bis 80 Mitarbeiter aufnimmt, anonym zu rekrutieren. Laut Personaldirektor Johannes Zimmerl wurde das Projekt inzwischen auf alle Bereiche ausgedehnt. Zwischen 5000 und 8000 Bewerbungen langen jedes Jahr im Unternehmen ein, "nur etwa 40 davon sind anonym.

Österreicher noch nicht bereit
Zimmerl glaubt, dass anonyme Bewerbungen gut für das Image eines Unternehmens sind, "die Österreicher dafür aber noch nicht bereit sind“. In Expertenkreisen fühlt man sich bestätigt, dass sie nur funktionieren, wenn sie gut vorbereitet werden und für alle gelten. Rewe und Novomatic stellten es Jobanwärtern frei, ob sie sich mit oder ohne Namen und Foto vorstellen.

Das Projekt der ehemaligen Frauenministerin gilt deshalb als kläglich gescheitert, so wie auch ein zweiter, vom AMS gestarteter Pilotversuch. Die ursprünglich daran interessierten fünf Unternehmen sprangen bald wieder ab. Zu aufwendig, nicht überzeugend, lauteten die Begründungen. Letztlich konnte keine einzige Person vermittelt werden.

Bei der Antidiskriminierungs-NGO Zara will man es nun besser machen. Zwei Jahre räumte man sich ein, um Arbeitgeber und Jobsuchende auf einer Plattform zusammenzubringen. Derzeit wird ein Formular entwickelt, das auf die üblichen Diskriminierungsauslöser verzichtet.

Als die Zara-Feldforscher Zuwanderer baten, von ihrer Jobsuche zu erzählen, hatten sie schnell ein Dossier mannigfaltiger Diskriminierungen beisammen, die laut Zara-Sprecherin Claudia Schäfer in Summe dazu führen, dass die Menschen am Ende "superfrustriert“ sind. In der Praxis beschreiten Wirtschaftstreibende neue, kreative Wege. Auch sie führen nicht immer zum Erfolg. Eine Türkin erzählte Zara-Mitarbeitern kürzlich, man habe von ihr verlangt, sich im Frisörsalon Helga zu nennen. Die Bewerberin hat den Job dankend abgelehnt.

Mitarbeit: Michelle Kreuzer

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges