In Safes bewahren Vermieter oft die Schlüssel zu Ferienwohnungen auf.

Wie viele Wohnungen entzieht Airbnb dem Wiener Markt?

Die Buchungsplattform Airbnb hat einen schlechten Ruf und soll für explodierende Mietpreise und den Wohnungsmangel verantwortlich sein. Nun kontert das Unternehmen mit einem Report, um sein Image zu verbessern. profil hat ihn sich angesehen.

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Es ist Ende Juli und das kann eigentlich nur eines heißen: Höchste Zeit, Wien für zumindest ein paar Tage zu verlassen. Doch bevor man die A23 nach Lignano hinunterflitzen kann, muss man sich um eine Ferienunterkunft kümmern. Besonders beliebt ist dafür die Kurzzeitvermietungsplattform Airbnb. In der Suchleiste des Anbieters tippt man das gewünschte Reiseziel ein und kann sich aus einer großen Auswahl die passende Unterkunft aussuchen, um dem wetterunbeständigen Wien zu entfliehen und unterm Sonnenschirm sitzend, Aperol Spritz schlürfend, sein Dolce Vita zu genießen. „Live like a local“, so nannte das Airbnb in früheren Werbekampagnen.

Mittlerweile bucht man auf Airbnb aber eher heimlich und mit schlechtem Gewissen. Die Reputation des Unternehmens ist in der öffentlichen Wahrnehmung nämlich etwas angekratzt. Airbnb-Wohnungen würden Einheimische aus ihrem Zuhause vertreiben, dafür sorgen, dass die Mieten steigen und beliebte Grätzel nur mehr aus Kurzzeit-Appartements bestehen. Denn was ursprünglich zur Untervemietung von nicht genützten Zimmern (Airbnb steht für „Airbed and breakfast“) gedacht war, hat sich schnell kommerzialisiert. Inzwischen haben Immobilienentwickler ganze Wohnhäuser zu Airbnb-Apartments umfunktioniert. Auch in Wien.

Nun aber kontert das Unternehmen und veröffentlichte zum Monatsanfang eine Studie, die widerlegen soll, dass Airbnb an der dramatischen Lage des Wohnungsmarkts Schuld sei. Doch: Wie glaubwürdig ist der Bericht des Milliardenunternehmens? profil sprach darüber mit Michael Klien, Ökonomen und Bau- und Wohnexperten des Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). 

Ich glaube, man kann unvoreingenommen sagen, dass die Studien, die in diesem Bericht präsentiert werden, eine bestimmte Schlagseite haben.

Michael Klien, WIFO-Experte

über die Airbnb-Studien

„Ich glaube, man kann unvoreingenommen sagen, dass die Studien, die in diesem Bericht präsentiert werden, eine bestimmte Schlagseite haben“, so Klien: „Man muss aber dennoch  vorsichtig bei der Verteufelung von Airbnb sein, weil Airbnb ja nur etwas Ausdruck gibt, was es schon länger gibt.“

Schuld an der Wohnkrise in europäischen Großstädten möchte Airbnb jedenfalls nicht (mehr) sein und präsentiert dafür einige Zahlen. Laut des Berichts „Airbnb in Österreich. Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft und den Wohnungsmarkt“ sollen lediglich 1,4 Prozent der Wohnungen in Wien Airbnb-Wohnungen sein. Weniger, als man erwarten würde.

Die Datenplattform „Inside Airbnb“ zählt derzeit 14.294 Wohneinheiten in Wien, die auf der Plattform angeboten werden – 81,1 Prozent davon als ganze Wohnungen, 18,4 Prozent als einzelne Zimmer. In der gesamten Stadt gibt es rund 980.000 Wohnungen. Airbnb behauptet in seinem Report, der Großteil der vermieteten Wohnungen würde Privatpersonen gehören, die ihr Zuhause kurzfristig nicht benötigen würden und es deshalb untervermieten und keine Firmen, die aus Airbnb ein Geschäftsmodell gemacht haben. Das sollen die Einnahmen beweisen: „Der typische Verdienst eines Gastgebers in Österreich lag bei zirka 5.400 Euro im Jahr, was zeigt, dass es sich in der Regel um eine gelegentliche Tätigkeit handelt“, heißt es von der Airbnb-Pressestelle gegenüber profil. Tatsächlich ist es in Wien seit Juli 2024 nicht mehr so einfach, eine Immobilie nur mehr zur Kurzzeitvermietung anzubieten. 

„Aus Forschungsperspektive ist es sehr schwer, sich ein Bild davon zu machen, wie viele Wohnungen es wirklich gibt, wo die konzentriert sind und ob es wirklich Sharing-Wohnungen sind oder rein gewerbliche Vermietungen, wo die Wohnung nichts anderes ist als ein Hotel, mit der Ausnahme, dass da nicht ‚Hotel’ draufsteht“, so Klien. Der Grund? Airbnb-Wohnungen sind im Gegensatz zu Hotels im Stadtbild nicht klar erkennbar.

Die Entwicklung der Mietpreise von Barcelona und Amsterdam aus dem Airbnb-Report

Hohe Mieten wegen Airbnb

Insbesondere wenn es um Mieterhöhungen in Großstädten geht, wird Airbnb oft als Schuldiger genannt. Der konkrete Vorwurf: Wohnraum wird verknappt, weil es sich für viele Eigentümer mehr rentiert, ihre Immobilien über Airbnb an Touristen zu vermieten. Als Konter argumentiert Airbnb mit einer Grafik, die den Verlauf der Mietpreise in Amsterdam und Barcelona zeigt. 2018 führte Barcelona erste Restriktionen gegen Airbnb ein, was zur Folge hatte, dass über 7000 Inserate aus der Plattform entfernt wurden. Ziel des Bürgermeisters ist es, bis 2028 alle Ferienwohnungen in der Stadt zu verbieten, um so gegen Massentourismus sowie die Immobilienkrise anzukämpfen. In Amsterdam darf man Airbnb-Wohnungen seit 2019 nicht länger als 30 Tage pro Jahr vermieten. 

Harte Restriktionen gegen Airbnb, dennoch sind die Mietpreise in beiden Städten gestiegen, wie Airbnb mit einer Grafik anmerkt. Bringen Einschränkungen gegen die Vermietungsplattform also doch nichts? Die Argumentation von Airbnb geht nicht ganz auf, findet Klien: „Man sieht sehr wohl, dass die Kurve nach den Einführungen der Restriktionen flacher wurde. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Darstellung wirklich zum Vorteil von Airbnb ist.“ Mietpreise sind zwar weiter angestiegen, aber weniger stark. Einen größeren Anstieg gab es später aber doch.

Das liegt daran, dass sich neben Kurzzeitvermietungen auch noch andere Faktoren, wie die Inflation oder die Coronakrise auf die Mietpreise auswirken. Das weiß auch Airbnb: „Die Ursachen für steigende Mieten in europäischen Städten sind komplex.“ Die Preisentwicklung lässt sich nicht nur an einem einzigen Faktor ablesen.

Restriktionen der Stadt Wien

In Wien wurden vergangenes Jahr bereits ähnliche Restriktionen wie in Amsterdam oder Barcelona beschlossen. Wohnungen, in denen eine Person als Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet ist, dürfen maximal 90 Tage im Jahr kurzzeitig vermietet werden. Der Vermieter ist dazu verpflichtet, eine Ortstaxe zu bezahlen. Sollte eine Wohnung nicht in diese Voraussetzungen fallen, braucht es eine Ausnahmebewilligung mit strengen Kriterien, insbesondere, wenn sich das Apartment in einer Wohnzone befindet. Damit diese Vorschriften eingehalten werden, möchte die Stadt auch strenger kontrollieren. Im ersten Halbjahr sind bereits über 330 Anzeigen bei der Baupolizei eingegangen. Bei einer Schwerpunktaktion im Mai diesen Jahres wurden zwei illegale Hotels und mehrere unerlaubterweise untervermietete Gemeindewohnungen ausgehoben. Für die Mieter setzte es Geldbußen. Airbnb begrüßt aber, dass die Stadt Wien Homesharing, also das gelegentliche Vermieten der selbstbewohnten Wohnung, weiterhin erlaubt. 

Airbnb ganz verbieten?

Zurück zur Grundsatzdiskussion: Wäre der Wohnungsmarkt ein besserer, wenn es Airbnb einfach gar nicht mehr gäbe? „Ein grundsätzliches Verbot ist kontraproduktiv“, so Ökonom Michael Klien. Am meisten darüber freuen würden sich dann wahrscheinlich Hoteliers: „In Wahrheit ist Airbnb nur die Verschiebung einer touristischen Nachfrage, die schon immer da war und sich früher über Hotels abgespielt hat. Die steigende Beliebtheit von Airbnb beobachtet die Hotellerie auch mit Argusaugen, weil das ein direkter Konkurrent für sie ist.“ Sprich: Gäbe es keine Airbnbs, dann würde das vor allem Hotels in die Karten spielen.

Dann steht dem spontanen Kurztrip an der friaulischen Riviera bis auf den Stau auf der Südosttangente nichts mehr im Wege, oder?

Natalia Anders

Natalia Anders

ist seit Juni 2023 Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.