Wienwert: Tragen Wirtschaftsprüfer und Berater eine Mitverantwortung?

Als die Immogruppe Wienwert in die Pleite schlitterte, verloren Anleger rund 35 Millionen Euro. Wie konnte es so weit kommen? Tragen Wirtschaftsprüfer, Steuer- und Unternehmensberater eine Mitverantwortung?

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Norbert Abel kann es offenbar kaum fassen: „Es handelte sich um einen wirtschaftlichen und finanziellen Blindflug der Schuldnerin.“ Gemeint ist die WW Holding, welche vormals als Wienwert firmierte. Der Satz findet sich gleich mehrfach in einer 80 Seiten starken Klagsschrift, die Abel als Masseverwalter der Wienwert im April beim Handelsgericht Wien eingebracht hat. Dass die Immobiliengruppe Anfang 2018 mit Pauken und Trompeten in der Insolvenz landete, liege am „pflichtwidrigen und schuldhaften Verhalten sämtlicher Beklagter“. Und damit zielt er hier nicht etwa auf Vorstände und Aufsichtsräte ab. Sondern auf Wirtschaftsprüfer, Steuer- und Unternehmensberater.

Die Klagen, die profil vorliegen, legen die Vermutung nahe, dass sich die betroffenen Fachleute in Sachen Wienwert nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben – um es freundlich auszudrücken. Jahrelang scheinen sie – nach Ansicht des Masseverwalters und seiner Gutachter – fragwürdige Zahlen einfach abgehakt und schöngerechnete Gutachten erstellt zu haben. Denn wie kann es sein, dass sich laut Masseverwalter in den Bilanzen der Unternehmen offenbar grobe Fehler finden, obwohl die Zahlenwerke zuvor kostspieligen Kontrollen unterzogen wurden? Wie ist es möglich, dass Unternehmen implodieren, deren Jahresabschlüsse ein Testat der Kontrollore tragen?

Die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzleien Deloitte Audit, Crowe SOT, Krebs & Rudorfer, sowie PricewaterhouseCoopers (PwC) werden nun vom Masseverwalter auf in Summe 9,45 Millionen Euro geklagt. Eine weitere Klage brachte Abel gegen das Beratungsunternehmen PwC Advisory Services ein. Von diesem fordert er 4,5 Millionen Euro ein.

Zu welchem Zeitpunkt ist die Zahlungsunfähigkeit eingetreten?

Wie in jedem Konkursverfahren geht es auch hier um die zentrale Frage: Zu welchem Zeitpunkt ist die Zahlungsunfähigkeit eingetreten? Laut Masseverwalter Abel deutlich früher als bisher angenommen. Er macht die insolvenzrechtliche Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung mit Ende 2012 fest. Schon damals hätten die laufenden Kosten und die Investitionen in die Immobilienprojekte nur durch die Aufnahme von Fremdmitteln – hauptsächlich Anleihegelder – gedeckt werden können. Zudem sei davon auszugehen, „dass angesetzte Werte nicht werthaltig waren“. So seien etwa Projekte, Beteiligungen und Forderungen in den Jahresabschlüssen falsch bewertet worden. Sprich, das Unternehmen wurde reicher dargestellt, als es tatsächlich war. Die Abschlussprüfer waren Deloitte (für den Jahresabschluss 2013) und Crowe SOT (2014 bis 2016). „Obwohl alle diese Jahresabschlüsse jeweils offensichtlich kein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Schuldnerin vermittelten und somit nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprachen“, hätten diese Wirtschaftsprüfungskanzleien jeweils einen „uneingeschränkten Bestätigungsvermerk“ erteilt. Lediglich der Jahresabschluss 2016 wurde mit einem „eingeschränkten Bestätigungsvermerk“ versehen. Für Abel geht das jedoch nicht weit genug: Die Prüfer hätten all diesen Bilanzen das Testat versagen müssen, so sein Resümee.

Auszug aus der Klagschrift gegen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater

Auf profil-Anfrage weisen sowohl Deloitte als auch Crowe SOT die Vorwürfe entschieden zurück. Man habe im Rahmen des Bestätigungsvermerks Risikohinweise gegeben und ausdrücklich auf alle Mängel und Schwachstellen aufmerksam gemacht. Man sei damit den „gesetzlichen und berufsrechtlichen Verpflichtungen vollinhaltlich nachgekommen“. Eine Erklärung, die Masseverwalter Abel in seinen Schriftsätzen antizipiert hat. Hinsichtlich Crowe SOT schreibt er: „Die Verfehlungen wiegen umso schwerer, als die Wirtschaftsprüfer in den Jahren zuvor bereits wiederholt auf die Missstände hingewiesen haben und schlussendlich sogar die Qualität und Ordnungsmäßigkeit des internen Kontrollsystems in Zweifel gezogen haben.“

Denn wenn ein Unternehmen jahrelang die Empfehlungen des Wirtschaftsprüfers nicht beachtet, muss dieser die Reißleine ziehen.

Grundsätzlich machen Prüfer von den Instrumenten, die sie zur Hand haben, viel zu selten Gebrauch. Dass sie ein Testat verweigern, kommt nur in absoluten Ausnahmefällen vor. Und ein Prüfer, der allzu pingelig ist, muss fürchten, dass er sein Mandat verliert.

„Faktisch und wirtschaftlich desaströs“

Die Steuerberatungskanzleien Krebs & Rudorfer sowie PwC wiederum hätten bei der Erstellung der Jahresabschlüsse 2015 und 2016 die Bewertungsvorschriften „mehrfach und in hohem Ausmaß verletzt“. Beide hätten erkennen müssen, dass die Immobilienprojekte großteils „faktisch und wirtschaftlich desaströs“ waren und die Zahlen, mit denen sie in der Bilanz standen, „nicht werthaltig sein konnten“. Darüber hinaus hätten sowohl PwC als auch Krebs & Rudorfer – die zu einem laufenden Gerichtsverfahren grundsätzlich keine Stellungnahme abgeben wollen – die „offensichtlich vorliegende insolvenzrechtliche Zahlungsunfähigkeit nicht erkannt“.

Die PwC-Gruppe kommt bei Abel generell stark in die Ziehung. Gleich mehrere Unternehmen aus dem Firmenkonglomerat sollten „die umfassende Beratungstätigkeit für den Sanierungsvorstand (Anm.: gemeint ist Stefan Gruze, der im April 2016 bei der Wienwert antrat) sicherstellen, dass keinesfalls die Frist zu einer Insolvenzantragsstellung im Falle des Vorliegens einer materiellen Insolvenz versäumt wird“. Dass die Wienwert viel zu spät Insolvenz anmeldete, dafür macht der Masseverwalter auch die PwC Advisory Services GmbH verantwortlich. Diese war in den Jahren 2016 und 2017 bei der Wienwert gut beschäftigt. Sie verfertigte ein Markenwertgutachten, führte eine Überschuldungsprüfung durch, erstellte eine indikative Unternehmensbewertung sowie eine Fortbestehensprognose. Letztere wurde der Wienwert im Sommer 2017 übermittelt und stellte dieser ein gutes Zeugnis aus. Die Immobiliengruppe hatte sich damals ein neues Geschäftsmodell verordnet: Anstelle der Revitalisierung von Stil-Zinshäusern wollte man sich fortan Neubauprojekten für „leistbares Wohnen“ widmen. Damit sollten die Gewinne sprudeln. Für das Jahr 2022 beispielsweise rechnete PwC mit einem Plangewinn von über 50 Millionen Euro. Doch ein halbes Jahr nach Erstellung der Fortbestehensprognose war diese bereits Makulatur – und Wienwert pleite.

profil konstatierte damals in einer Analyse dieses Papiers: „Generell neigt man dazu, sich zu fragen, welche Aussagekraft diese Fortbestehensprognose eigentlich hat.“ Eine Einschätzung, die auch Abel teilt. Er kritisiert etwa, dass das Geschäftsmodell darauf abzielte, noch nicht als Bauland gewidmete Grundstücke günstig zu kaufen. „Es stellt sich die grundlegende Frage, warum ein Verkäufer (trotz absehbarer Widmung) ein solches Grundstück günstig an Wienwert verkaufen sollte?“ Zudem enthalte die Fortbestehensprognose keine Projektplanung, es sei nicht nachvollziehbar, welche Kosten zu erwarten waren. Auch an der Überschuldungsprüfung lässt er kein gutes Haar. So seien stille Reserven in Höhen von 12,4 Millionen Euro für eine Liegenschaft eingerechnet worden, welche noch gar nicht im Eigentum der Wienwert stand. Das Markenwertgutachten wiederum entspreche nicht den geltenden Standards und weise schwere methodische Fehler auf.

Für all diese Dienstleistungen habe PwC Honorare in Höhe von 205.948,76 Euro verrechnet.

Harte gerichtliche Auseinandersetzung steht bevor

PwC hält in ihrer Klagsbeantwortung fest, dass die erhobenen Vorwürfe nicht nachvollziehbar und unrichtig seien. Zu keinem Zeitpunkt sei es Aufgabe gewesen, „den verantwortlichen Organen in der Unternehmenskrise … Handlungsempfehlungen zu erteilen“. Vielmehr sei der Auftrag an PwC gewesen, die Organe der Wienwert – auf Basis von Daten, welche von diesen zur Verfügung gestellt wurden – „punktuell und stichtagsbezogen zu unterstützen“.

Man darf sich wohl auf eine harte gerichtliche Auseinandersetzung gefasst machen. Sollte Abel mit seinen Klagen erfolgreich sein, haben die geschädigten Anleger die Chance, zumindest einen Teil ihres eingesetzten Kapitals zurückzu- bekommen. Wären die Beklagten ihren Pflichten nachgekommen und die Insolvenz erheblich früher eröffnet worden, hätten die Gläubiger höhere Quoten bekommen.

Stefan Gruze (er ist nach wie vor Vorstand und Geschäftsführer aller Wienwert-Gesellschaften, die aber nicht mehr sind als leere Hüllen) wurde bisher nicht geklagt. Allerdings ist das Ermittlungsverfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft noch im Laufen. Dort wird er von Norbert Wess, einem der versiertesten Wirtschaftsstrafrechtler des Landes, vertreten. Gerüchten zufolge will sich Gruze nun aus der Immobilienbranche zurückziehen und wieder ins Investmentbanking wechseln. Für ein Finanzinstitut soll er künftig Schuldscheindarlehen arrangieren.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).