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Chronische Schmerzen: Liegt die Ursache in den Darmbakterien?

Neue Studien zeigen: Chronische Schmerzen könnten ihre Wurzel im Mikrobiom haben – den Billionen Mikroorganismen unseres Körpers.

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Es ist ein scheußliches und zugleich rätselhaftes Leiden, geprägt von Schmerzen an zahlreichen Körperstellen und oft begleitet von Schlaflosigkeit und bleierner Erschöpfung. Die Ursachen für Fibromyalgie liegen ziemlich im Dunkel, Medikamente helfen nur unzulänglich. Nun diskutieren Forschende eine Frage, deren Beantwortung den Betroffenen – zwei bis vier Prozent der Bevölkerung – in Zukunft vielleicht zu einer Behandlung verhelfen könnte: Lässt sich die Wurzel von Fibromyalgie im Darm verorten?

Eine vorläufige Antwort liefern experimentelle Studien einer kanadisch-israelischen Forschergruppe, die im Juli publiziert wurden. Zunächst übertrug das Wissenschafterteam Darmbakterien von Fibromyalgie-Patientinnen auf Mäuse, die daraufhin prompt klar erkennbare Schmerzsymptome entwickelten. Eine zweite Transplantation gesunder Darmbakterien ließ die Schmerzen wieder abflauen.

Schmerzfrei nach Bakterienkur

Anschließend testeten die Forschenden den Ansatz bei Menschen: 14 Patientinnen, die seit Langem an Fibromyalgie litten, erhielten zehn Wochen lang Darmmikroben gesunder Frauen, verabreicht in Kapselform. Bei zwölf der 14 Patientinnen führte dies zu einer deutlichen Schmerzlinderung.

Einer der beteiligten Forscher, der Schmerzmediziner Amir Minerbi vom Rambam Health Campus in Haifa, hatte schon zuvor über Beobachtungen publiziert, die auf Querverbindungen zwischen der Darmmikrobenkomposition und Schmerzzuständen hindeuten. So ließ sich nachweisen, dass bei Fibromyalgie-Patienten bestimmte Bakterienstämme in anderer Häufigkeit vorkommen als bei gesunden Personen.

Für den Wiener Mikrobiologen Alexander Loy stellen die Erkenntnisse kaum eine Überraschung dar. „Die Daten wundern mich nicht“, sagt Loy, Forschungsgruppenleiter am Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft an der Universität Wien. Der Professor studiert seit Jahren die weitreichenden Einflüsse des Mikrobioms auf die Gesundheit – jener gigantischen Gemeinschaft aus Bakterien, Viren, Archaeen und Pilzen, die den menschlichen Körper besiedelt. „Es gibt bei fast allen Erkrankungen einen Zusammenhang zum Mikrobiom“, sagt Loy.

Alwin Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft