Der Bremsblock: Wie die Parteien den Klimaschutz verschleppen
Von Franziska Dzugan und Christina Hiptmayr
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Genau ein Jahr ist es her, dass Karl Nehammer zum Autogipfel ins Bundeskanzleramt lud und dort seiner Begeisterung für eine bestimmte Antriebsart Ausdruck verlieh: Er werde sich für „grüne Verbrenner mit E-Fuels“ einsetzen, versprach der Kanzler. Im Verlauf des vergangenen Jahres kam er immer wieder auf das Thema zurück. Damit liefert der Kanzler ein Beispiel wie aus dem Lehrbuch für Taktiken zur Verschleppung des Klimaschutzes.
Worüber spricht die österreichische Politik in Sachen Klima und vor allem: Wie? Dieser Frage ist eine aktuelle Studie des Meinungsforschungsinstituts Foresight (vormals Sora) nachgegangen. Dabei zeigt sich: Die Leugnung des Klimawandels war gestern. Heute wird Klimaschutz mit mehr oder weniger subtilen Mitteln verzögert. „Unsere Welt ist seit 150 Jahren von fossiler Energie geprägt. Alle Gesetze, wie wir uns fortbewegen, wie wir heizen, wie wir produzieren, all das ist geprägt von fossiler Energie. Für eine Partei ist es natürlich schwierig, einem Teil ihrer Klientel zu sagen, dass es damit jetzt vorbei ist“, sagt Florian Maringer in der aktuellen Folge „Vorsicht, heiß!“, dem profil-Klimapodcast. Er war bis vor Kurzem aufseiten der Grünen im Kabinett von Klimaministerin Leonore Gewessler für Klima- und Energiepolitik zuständig und kennt den Politikbetrieb von innen. Das von ihm Anfang dieses Jahres gemeinsam mit der Unternehmerin Tina Deutsch und der Klimaaktivistin Katharina Rogenhofer gegründete Kontext-Institut beauftragte besagtes Klimadiskurs-Monitoring.
Während derartige Erhebungen in den USA und Großbritannien mittlerweile zum Standard gehören, ist dies die erste im deutschsprachigen Raum. Dafür wurden klimapolitische Aussagen heimischer Politikerinnen und Politiker in unterschiedlichen Medien während des Jahres 2023 analysiert.
Dabei untersuchten die Meinungsforscher, ob die Politiker konstruktiv oder destruktiv argumentierten. Das Ergebnis: 53 Prozent aller dem Klimaschutz dienlichen Aussagen entfielen auf die Grünen, gefolgt von ÖVP und SPÖ mit jeweils 19 Prozent. Hingegen stammten 62 Prozent aller Aussagen, die den Klimaschutz verzögern sollten, von ÖVP-Mitgliedern, 31 Prozent von jenen der FPÖ. Die wenigen Sager, die den Klimawandel leugneten, kamen von einer einzigen Partei – der FPÖ. Doch wie verschleppt man Klimaschutzmaßnahmen? Zum Beispiel, indem man Scheinlösungen propagiert. Die E-Fuels-Affinität des Kanzlers sei eine solche, sagt Maringer: „In der Industrie, in der Luft- und Schifffahrt können sie Teil der Lösung sein. Im Individualverkehr gibt es mit dem Elektromotor eine deutlich effizientere und billigere Technologie, die zudem auch schon marktreif ist.“ Das Schweizermesser sei zwar auch ein praktisches Werkzeug, aber ebenfalls nicht überall einsetzbar. „Um einen Baum zu fällen, werden Sie dann doch eher zur Motorsäge greifen“, so der Experte.
Wie man die Verzögerungstaktiken bekämpfen kann
Scheinlösungen zu propagieren, ist besonders perfide, weil sie oft schwer und nur mit ausreichend Fachwissen als solche zu entlarven sind. Eine andere beliebte Methode ist das sogenannte Verantwortungskarussell. Man denke nur an die Aussage, China stoße ja viel mehr CO2 aus, jede Maßnahme, die Österreich treffe, sei deshalb global gesehen ohnehin irrelevant. Oder es wird erklärt, das müsse man auf EU-Ebene regeln. Ebenfalls beliebt: ausschließlich auf Nachteile des Klimaschutzes hinzuweisen.
Die Folgen der Verschleppung sind nicht zu unterschätzen. Monatelange Negativdebatten können die öffentliche Meinung beeinflussen und schließlich dazu führen, dass neue Gesetze abgeschwächt oder verschoben werden. Ein Beispiel sind hier wiederum die E-Fuels: Als die Verantwortlichen in der EU das Ende für Verbrennermotoren auf 2035 festlegten, fixierten sie mit den E-Fuels gleichzeitig eine Ausnahme. Lobbyisten und politische Parteien hatten sich hartnäckig dafür eingesetzt. Schließlich galt es, altbewährte Geschäftsmodelle und Infrastrukturen mit aller Macht zu verteidigen. „Partikularinteressen dürfen nicht eine gesamte Volkswirtschaft in Geiselhaft nehmen“, sagt Maringer.
Florian Maringer, Kontext-Institut
"Partikularinteressen dürfen nicht die gesamte Volkswirtschaft in Geiselhaft nehmen."
Was lässt sich dagegen tun? Scheinargumente und Falschinformationen sollten konsequent als solche enttarnt und Interessenlagen transparent gemacht werden. Gefragt sind hier Medien, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und die Politik selbst.
Ein laut Studie konstruktives Beispiel lieferte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger in einer ORF-Pressestunde im Mai vergangenen Jahres: „Ich würde mir eher Sorgen machen, wie wir die Energiewende hinbekommen, in ein rasches Genehmigungsverfahren kommen und diesen ganzen bürokratischen Irrsinn und die Blockade der Bundesländer beenden.“ Als Oppositionspolitikerin redet es sich aber freilich immer leichter.
Franziska Dzugan
schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.
Christina Hiptmayr
war bis September 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.