In Hirschwang in der Marktgemeinde Reichenau a.d. Rax (Bezirk Neunkirchen) ist am 26. Oktober 2021 ein Wald in Brand geraten. Im Bild: Das brennende Waldgebiet in Niederösterreich.
Wissenschaft

Waldbrand in Hirschwang an der Rax: Was wächst nach der Feuersbrunst?

Vor einem Jahr wütete am Schneeberg Österreichs bisher verheerendster Waldbrand. Wie kann man die Wälder besser schützen?

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25. Oktober 2021, 11.30 Uhr: An diesem Montag vor dem Nationalfeiertag hat Forstverwalter Peter Lepkowicz das Büro im niederösterreichischen Nasswald an der Rax für sich allein, die meisten seiner Mitarbeiter sind auf Urlaub. Draußen ist es trocken, warm und sonnig, es herrscht Kaiserwetter. Gerade hat Lepkowicz seine Arbeit am Schreibtisch beendet und will sich aufmachen zu einer Kontrollrunde in den Quellenschutzwald, der der Stadt Wien gehört. Ein Anruf stört seine Pläne. „Es brennt in Hirschwang“, meldet sein Stellvertreter aus dem Urlaub. 

Lepkowicz springt ins Auto und sieht die ersten Rauchwolken, noch bevor er in der zehn Kilometer entfernten Gemeinde ankommt. Die Freiwillige Feuerwehr ist bereits am Fuß des brennenden Hangs, der zum Schneeberggebiet gehört, eingetroffen. Sie hat die Ausrüstung für Waldbrände herangeschafft, die die Stadt Wien schon vor zehn Jahren eingekauft hat: Einen 10.000-Liter-Löschwasserpool, Löschrucksäcke und sogenannte Bambi Buckets, die mit einem Seil an Hubschraubern befestigt und mit Wasser befüllt werden können. 

Um 12.15 Uhr machen sich die ersten Löschtrupps zu Fuß auf den Weg – für Fahrzeuge ist das Gelände zu unwegsam. Etwas mehr als eine Stunde brauchen sie für den Aufstieg in die steile Wand. Jeder Trupp besteht aus einer Forstarbeiterin oder einem Forstarbeiter, die oder der brennende Bäume umsägt; einem Feuerwehrmann mit Löschrucksack, der die gefallenen Stämme löscht, und einem Bergretter, der im Notfall Erste Hilfe leisten kann. Immer wieder stürzen durch die Hitze gelöste Felsbrocken und brennendes Holz in die Tiefe. Drei Stunden später wird Lepkowicz die Trupps über Funk und Handys zurückrufen. An den Hängen herrscht Lebensgefahr.

Um etwa 13.30 Uhr klettert Lepkowicz, der seit Jahren selbst bei der Feuerwehr ist, in den ersten eintreffenden Hubschrauber. Der Blick von oben lässt ihn das Ausmaß des Infernos erstmals erkennen. Von einem Sattel aus stürzen Feuerbälle die Hänge hinab und entfachen sogenannte Spotfeuer. Der Wind treibt sie mit bis zu 60 Stundenkilometern über den Bergrücken. 

Als es an diesem Tag dämmrig wird, ist schließlich klar: Das Feuer ist außer Kontrolle. Es wird fast zwei Wochen dauern, bis die Einsatzkräfte „Brand aus“ vermelden können. 9000 Menschen, 16 Hubschrauber und zwei Flugzeuge kämpfen in dieser Zeit unermüdlich gegen die Flammen. Der Einsatz kostet am Ende 30 Millionen Euro. Trotzdem sind 115 Hektar Wald teilweise oder ganz zerstört. 

Es war der größte je in Österreich ausgebrochene Waldbrand – bisher. Denn die Erderhitzung begünstigt Waldbrände, wie man sie eigentlich nur aus Südeuropa kennt, auch in unseren Breiten. Welche Gebiete Österreichs sind besonders gefährdet? Wie kann der heimische Wald resistenter gegen das Feuer werden? Und wie sieht es heute an den Hängen des Schneebergs in Hirschwang aus?

Es ist wieder ein strahlender Herbsttag, als Forstverwalterin Gerda Frank und ihr Kollege Peter Lepkowicz ein Jahr nach dem Inferno zu den betroffenen Waldflächen hinaufblicken. Für Laien wirkt alles überraschend grün. Der Grund: Die dominierende Baumart ist hier die Schwarzkiefer, gepflanzt Anfang des 19. Jahrhunderts zur Pechgewinnung. „Ihre dicke Borke kann Feuer standhalten, wenn es sich nicht bis in die Kronen hinauffrisst“, sagt Gerda Frank. Der entschlossenen Bekämpfung der Flammen ist es zu verdanken, dass die meisten der langnadeligen Bäume überlebt haben.  

Bei der Wanderung die Hänge hinauf wird jedoch klar: Fichten, Lärchen, Tannen, Ahorn, Walnuss, Mehlbeere – die meisten anderen Baumarten sind nur noch schwarze Gerippe. Und: Alle Jungbäume sind verbrannt. „Wir haben 30 Jahre Waldwachstum verloren“, sagt Peter Lepkowicz. Das Feuer brachte das Wasser der Buchen unter der Rinde zum Kochen. Trotzdem haben stattlichere Exemplare im Frühjahr mit letzter Kraft noch einmal ausgetrieben. Nun aber hängt die Borke in Fetzen an den Stämmen, darunter schimmert fahles Holz; die Blätter sind verdorrt. 

Der Forstwissenschafter Florian Kraxner arbeitet derzeit mit Fachkollegen aus ganz Österreich an einer neuartigen Risikokarte für die heimischen Wälder. Im aktuellen profil-Tauwetter-Podcast erklärt er: „Die steigenden Temperaturen und der Niederschlagsverlust begünstigen Waldbrände.“ Besonders betroffen sei der Osten Österreichs: Rax und Schneeberg als Ausläufer der Alpen, das Wiener Becken und nördlich davon das Wein- und Teile des Waldviertels. Hier kann ein Funken schneller ein verheerendes Feuer entfachen als in den höheren Lagen der Zentralalpen – wobei auch im Westen durch die zunehmende Trockenheit das Risiko steigt. 

Was aber tun, um Waldbrände zu verhindern? Die Treibhausgas-Emissionen einzudämmen und damit den Klimawandel zu bremsen, wäre die effektivste Lösung. Noch ist in Österreich diesbezüglich aber keine Kehrtwende in Sicht. Doch auch ganz konkret ist der Faktor Mensch die größte Gefahr für den Wald. Glühende Zigarettenstummel, Lagerfeuer, die Entsorgung heißer Asche, Brandstiftung, Funkenflug von Zügen: Die Menschen sind hierzulande für 
85 Prozent der Brände verantwortlich.

„Wir müssen das Bewusstsein für Waldbrände schärfen“, sagt Forstwissenschafter Kraxner. Nur konsequente Aufklärung könne hier helfen. Er plädiert dafür, die bestehende, kurzfristige Brandrisikovorhersage  durch die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) durch eine langfristigere Vorhersage zu erweitern.

Forstverwalter Lepkowicz vor einem 150 Jahre alten Maulbeerbaum, der den Flammen zum Opfer fiel.

Forstverwalter Lepkowicz vor einem 150 Jahre alten Maulbeerbaum, der den Flammen zum Opfer fiel.

Ein Lagerfeuer dürfte auch schuld gewesen sein an dem Brand in Hirschwang. In engen Schleifen windet sich der Wanderweg hinauf in Richtung der steilen Felswände. Kurz vor einem malerischen Sattel geht es zu einer illegalen Feuerstelle: Jemand hat eine kleine Flamme und einen Pfeil in den Stamm einer Kiefer geritzt. Ein Wegweiser. Der Rastplatz bietet einen herrlichen Blick ins Tal. Wer diesen an jenem verhängnisvollen 25. Oktober des Vorjahres mit einem gemütlichen Feuer im Rücken genossen hat, ist bis heute unklar.

Seit vergangenem April haben sich die Chancen aber doch deutlich erhöht, den oder die Täter zu finden. Bis dahin ist die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt von der „fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst“ ausgegangen, was eine Auswertung der Handydaten rechtlich nicht rechtfertigt. Denn: Eine Funkzellenauswertung ist erst ab einer Strafdrohung von mehr als einem Jahr und bei einem Vorsatzdelikt möglich. Im April schritten schließlich das Justizministerium und die Oberstaatsanwaltschaft ein und wiesen die Behörden an, wegen Brandstiftung zu ermitteln. Damit drohen den Tätern bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Nullfläche


Links des Stammes wachsen gesätes Gras und gepflanzte Sträucher, rechts will man erforschen, ob sich der Wald selbst erholen kann. 

Aber warum sind sie nicht längst ausgeforscht? Es geht um die Überprüfung all jener Menschen, die sich am fraglichen Vormittag in der einen Quadratkilometer großen Funkzelle rund um Hirschwang befunden haben. Offenbar waren es mehr, als man vermuten würde. „Das Landeskriminalamt hat eine Unmenge an Daten auszuwerten“, sagt Erich Habitzl von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt auf profil-Anfrage. Man komme aufgrund der Personalsituation nicht schneller voran. Wie lange es noch dauern wird, kann Habitzl nicht sagen.

Zurück ins Brandgebiet. Die Bäume östlich des Lagerfeuers sind bereits in der ersten Brandnacht völlig verkohlt. Die Hubschrauber hatten noch keine Chance gehabt, die Kronen mit Wasser zu benetzen, deshalb haben auch die robusten Schwarzkiefern nicht überlebt. Forstverwalter Peter Lepkowicz und seine Mitarbeiter haben den verbrannten Hektar in zwei Teile geteilt: Links einer gedachten Linie haben sie, wie auch sonst überall im Brandgebiet, eine Grasmischung ausgesät. Sie soll die dünnen Humusschichten auf dem Fels erhalten und vor der Erosion schützen. Zwischen den schwarzen Stämmen schimmert es grün, auch die im Frühjahr gepflanzten Fliederbüsche, Liguster und Hartriegel sind angewachsen. Rechts der Linie beginnt eine kleine Nullfläche, die man zu Forschungszwecken völlig sich selbst überlässt. Die Erde liegt brach, kein Halm ist zu sehen. Die Gefahr ist groß, dass hier der Humus ganz verschwindet und nur der kahle Fels zurückbleibt.

„Die Schwarzkiefer kann Feuer standhalten, wenn es sich nicht bis in die Kronen frisst.“

Gerda Frank, Forstverwalterin
 

Den Menschen als Hauptverursacher von Bränden so weit wie möglich zu verhindern, ist die eine Sache, den Wald für den Notfall zu rüsten, die andere. In jenen Risikogebieten, die Florian Kraxner und seine Partner gerade identifizieren, soll zum Beispiel die Infrastruktur für die Feuerwehren verbessert werden. In manchen Wäldern muss man eventuell die Dichte an Forststraßen erhöhen, manche Regionen brauchen einen zusätzlichen Feuerwehrstützpunkt, und auch die Kooperation mit anderen EU-Ländern sollte ausgebaut werden, sagt Kraxner. Den Feuerwehren in Hirschwang waren Löschflugzeuge sowie Hubschrauber aus  Italien, Deutschland und von anderen Nachbarn zu Hilfe geeilt. 

Dem heimischen Wald steht insgesamt ein gröberer Umbau bevor. Viele Waldbesitzerinnen und -besitzer haben das bereits erkannt und setzen auf Mischwälder anstatt auf die über Jahrzehnte üblichen Fichtenmonokulturen. Die Fichte, lange der Brotbaum der heimischen Holzindustrie, hat vor allem in tiefen Lagen ausgedient. Als Flachwurzler mit dünner Rinde kommt sie mit Dürre, Stürmen und Feuersbrünsten schlecht zurecht, zudem setzt ihr der Borkenkäfer zu. Im Waldviertel hat der Schädling in den vergangenen Jahren ganze Landstriche dahingerafft. 

Wegweiser

Wanderer haben den Pfad zur illegalen Feuerstelle gekennzeichnet. Dort ist das Feuer ausgebrochen. Wie läuft die Suche nach den Tätern? profil hat bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt.

Anstatt der Fichte werden nun widerstandsfähigere Baumarten bevorzugt: Douglasien, Tannen, Lärchen, Kiefern, Roteichen, Buchen, Ahorn und sogar die invasive Robinie könnten den Wald klimafitter machen. Das heißt: Die holzverarbeitende Industrie wird sich auf einen deutlich höheren Laubanteil einstellen müssen. Nur die Vielfalt schützt vor dem totalen Kollaps.

Auch vom in Österreich lange sehr beliebten „Aufräumen“ der Wälder rückt man zunehmend ab. In Hirschwang werden umgestürzte, querliegende Bäume aus drei Gründen liegengelassen: Erstens fangen sie Steine oder Brandgut auf, die sonst Hunderte Meter die Hänge hinunterstürzen würden. Zweitens halten sie die Feuchtigkeit im Wald und beugen damit Dürre und Bränden vor. Drittens sind sie Lebensraum für unzählige Kleinstlebewesen, Moose und Flechten – also Hotspots der Biodiversität.

Auch wenn Österreichs Wälder bereits auf einem guten Weg sind, bleibt ein gravierendes Problem: Es gibt zu viel Wild. Vor allem Rehe und Hirsche verbeißen gerne Sprösslinge und frisch gesetzte Jungbäume. Wertvolle Buchen, Eichen und Tannen schmecken ihnen besonders gut. Da natürliche Feinde wie Wolf, Luchs und Bär rar oder gar nicht vorhanden sind, brauche es eine enge Zusammenarbeit mit der Jägerschaft, sagt Forstwissenschafter Kraxner: „Eine starke Waffe auf dem Weg zu einem klimafitten Wald ist es, die Schalenwildpopulation gut unter Kontrolle zu halten.“

Wandern verboten

Mindestens drei Jahre bleibt der beliebte Weg wegen Steinschlaggefahr gesperrt, das Feuer hat auch dem Fels zugesetzt. das muss weg: Forstverwalter Lepkowicz vor einem 150 Jahre alten Maulbeerbaum, der den Flammen zum Opfer fiel.

Auf den verbrannten Hängen des Schneebergs setzt die Forstverwaltung auf Schwerpunktbejagung. Pro 100 Hektar Wald werden üblicherweise fünf Rehe geschossen, in Hirschwang sind es seit dem Brand fünf Mal so viele. Der Wald muss um jeden Preis weiterwachsen: Er beherbergt die Quellen für Wien, funktioniert wie ein Filter und garantiert so die Trinkwasserqualität in der Hauptstadt. Alle im Forstbetrieb der Stadt Wien hoffen deshalb inständig, dass die Schwarzkiefern nicht doch noch eingehen. Mit bis zu 400 Grad Hitze im Boden mussten ihre Wurzeln einiges verkraften. Außerdem ist ein Pilz auf dem Vormarsch, der die Triebe absterben lässt. Bei geschwächten Bäumen hat er leichtes Spiel.

Um Feuer im Keim zu ersticken, muss man es möglichst schnell entdecken. In der Forstverwaltung hat man deswegen eine Drohne angeschafft. Sie liefert dem frisch ausgebildeten Piloten Josef Kogler nicht nur gestochen scharfe Bilder von oben, sondern auch die Auswertung einer sensiblen Wärmebildkamera. Besteht Gefahr, kann er umgehend die Feuerwehr alarmieren. Sieben Mal wurden heuer in der Forstverwaltung schon Feuer gemeldet, teils von Forstarbeitern, teils von Wanderern. Alle konnten rechtzeitig gelöscht werden.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.