Milliardär als Pfuscher

Lauder: weitere Vorwürfe wegen angeblichen Stimmenkaufs

Affäre. Weitere Vorwürfe wegen angeblichen Stimmenkaufs in jüdischen Gemeinden

Drucken

Schriftgröße

Ronald S. Lauder könnte hochzu­frieden sein. Das prestigeträchtige amerikanische Wirtschaftsmagazin „Forbes“ sieht ihn im jüngsten Milliardärs-Ranking auf Position 330, im Herbst 2011 war er mit seinem Vermögen von 3,1 Milliarden Dollar unter den Reichsten der Welt die Nummer 362 gewesen. Nach dem Krisenjahr wird Lauder nun (Stand Ende September 2012) ein „Net Worth“ von 3,4 Milliarden Dollar beigemessen. Das macht beinahe eine Million Dollar Zuwachs täglich.

"Andere Liga"
Der schier unvorstellbare Erfolg bestätigt die Selbsteinschätzung des 68-jährigen Erben des globalen Kosmetikkonzerns Estée Lauder: „Ich spiele einfach in einer anderen Liga.“ Er meinte damit seine Rolle im Kunstmarkt, glänzend manifestiert mit dem 135-Millionen-Dollar-Kauf von Klimts goldener „Adele Bloch-Bauer I“. Die „New York Times“ erstellte aus Ronald Lauders Sinn, Schönes, Wohltätigkeit und Business gewinnträchtig zu verbinden, die „Spielanleitung eines Milliardärs zur Steuerminderung“. Über Jahrzehnte habe er aggressiv von Steuerlücken Gebrauch gemacht, die nur von den Reichsten ausgenützt werden können. Allein die Schenkung großer Teile seiner Kunstsammlung an private Stiftungen bringe zig Millionen Dollar Steuerersparnis.

Sein weiterer Aufstieg in der Milliardärsriege bestätigt Lauders Kunst, mit Vermögen umzugehen. Die neueste Meldung, die „Forbes“ in der Vorwoche unübersehbar neben seinem Ranking platzierte, ist jedoch weniger erfreulich. Sie lautet knapp: „New Yorker Mogul in Österreich ,verbannt‘.“ Ähnliche Schlagzeilen hatten davor die israelische Zeitung „Haaretz“ und die „New York Post“ gebracht, seitdem haben die internen Auseinandersetzungen um den prominenten Repräsentanten der jüdischen Welt an Schärfe zugelegt.

Begonnen hat alles, als die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) in Wien den aristokratisch auftretenden Philanthropen, Kunstliebhaber, umtriebigen Investor und Präsidenten des World Jewish Congress (WJC) Mitte November zur Persona non grata erklärte. Der mehr als unübliche Schritt erfolgte in Zusammenhang mit dem Vorwurf des neuen IKG-Präsidenten Oskar Deutsch, Lauder habe in Wien versucht, „eine Gemeinde oder ihren Präsidenten ,zu kaufen‘“ (profil 50/2012). In Verhandlungen sollen Lauder und Martin Engelberg von der drittplatzierten Liste Chaj andere Fraktionen bedrängt haben, Engelberg zum IKG-Präsidenten zu wählen. In einem Schreiben von Deutsch an internationale jüdische Repräsentanzen in New York und Brüssel war von einem unmoralischen Angebot über 4,5 Millionen Euro die Rede – und 550.000 Euro, die Lauder als Sicherstellung deponiert habe. Rabbiner hätten davon abgeraten, den Fall vor Gericht zu bringen: „Daher ersuchen wir Sie, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen.“
Ron Lauders PR-Mann Gary Lewi hatte die Vorwürfe anfangs als abscheulich und unwahr abgetan. Gegenüber profil sprach er Mitte der Vorwoche zurückhaltend von „einer Serie unglücklicher Missverständnisse“. Es gebe „laufend Diskussionen zwischen der IKG und Botschafter Lauder“, um sie auszuräumen. Von direktem Lauder-Kontakt wusste man zumindest bis Freitag in Wien freilich nichts.

"Vorwürfe über Pfuscherei"
Der Wunsch nach Beilegung des Konflikts im kleinen Kreis könnte vergeblich sein. Denn Lauder soll sich kürzlich auch bemüht haben, die Neuwahl des Präsidenten im European Jewish Congress (EJC) zu beeinflussen. Die Nachrichtenagentur Jewish & Israel News in New York berichtete Ende der Vorwoche, die zunehmenden „Vorwürfe über Lauders Pfuscherei in jüdischer Politik“ sorgten in Europa für Aufregung. Auf der europäischen Ebene soll er ein Gegengewicht zur Kandidatur des Moskauer Milliardärs Moshe Kantor gesucht haben. Anschuldigungen, auch hier sei Geld im Spiel gewesen, hat laut Jewish & Israel News Wiens früherer IKG-Präsident Ariel Muzicant erhoben. Dass Lauder Delegierten für ihre Gemeinden „Zusagen gemacht hat, falls sie durch ihre Stimme finanzielle Verluste erleiden sollten“, wurde vom französischen Bewerber um das Amt, Richard Prasquier, bestätigt. Lauders Stellvertreter im weltweiten Dachverband der jüdischen Gemeinden (WJC) legen ihm nun nahe, die Präsidentschaft im WJC bis zur Klärung der Sachverhalte zurückzulegen.
Machtkämpfe, Misswirtschaft und Korruptionsverdacht hatten den WJC über Jahre gelähmt, als Ron Lauder 2007 zum Präsidenten des weltweiten Dachverbands gewählt wurde. Er bestätigte damals finanzielle Zuwendungen an die traditionsreiche Organisation. Dass er ihr das verlorene politisch-moralische Gewicht wiedergeben könne, wurde bezweifelt.

Im kommenden Jahr stehen auch im WJC Neuwahlen an. Es gibt Mutmaßungen, Lauder fürchte den Russen Moshe Kantor als Gegenkandidaten, der wachsende Einfluss russischer Milliardäre in den internationalen jüdischen Organisationen sorgt zunehmend für Spannungen.
Lauder ist in Osteuropa und Russland sowohl als Investor wie auch als Mäzen seit vielen Jahren überaus engagiert. Sein Mediaunternehmen betreibt in Osteuropa mehr als fünfzig TV-Kanäle, der Firmensitz logiert steuersparend auf den Bermudas. Seit dem Vorjahr ist er Mitinhaber einer Hotelholding der Stadt Moskau und damit auch des legendären Hotels Moskva nahe dem Roten Platz. Investitionssumme hier: 420 Millionen Dollar. Über seine große Charity-Stiftung – sie hat in Osteuropa Dutzende Kindergärten und Schulen und in Berlin eben ein Rabbinerseminar eröffnet – spricht er gerne. Und nie lässt er unerwähnt, dass sein Interesse am Osten in einer kleinen Gruppe von Kindern russisch-jüdischer Emigranten in Wien geboren wurde. Lauder war 1986 vom republikanischen US-Präsidenten Ronald Rea­gan zum Dank für Wahlkampfspenden als Botschafter nach Österreich entsandt worden. Das kam seinem Kunstfaible entgegen, den ersten Schiele hatte er als 13-Jähriger auf Österreichurlaub gekauft. Und hätte nostalgische Rückkehr zu den Wurzeln werden können: „Meine Vorfahren kommen zu gleichen Teilen aus Prag, ­Budapest und Agram, also beste Wiener k. u. k. Melange.“ Die Affäre um die NS-Vergangenheit Kurt Waldheims – Lauder blieb Waldheims Angelobung als Bundespräsident demons­trativ fern – machte ihn zum Ziel von heftigem Antisemitismus, seine Frau Jo Carol pöbelte man in Wiens City an.
In dieser Situation sollte ihm die Begegnung mit einem charismatischen Rabbiner von der orthodoxen chassidischen Gruppierung Chabad zum jüdischen Erweckungserlebnis werden. Ironischer Kommentar eines seiner früheren Mitarbeiter: „Waldheim hat Ronald Lauder erst zum Juden gemacht.“ Lauder bedankte sich großzügig. Im Beisein seines aus Israel eingeflogenen Freunds und Likud-Chefs Benjamin Netanjahu wurde im Wiener Augarten der Grundstein für den modernen Chabad-Schulcampus gelegt, Chabad stellt auch den Obmann der Lauder Business School in Wien-Döbling. Die von liberalen Juden mit großer Skepsis beobachtete Bewegung verfügt in Wien heute über drei Synagogen und mehr als zwanzig Rabbiner. Sie werden als Emissäre („Schlichim“) vom Hauptsitz in Brooklyn, New York, ausgesandt und stehen in der israelischen Siedlerbewegung, die Lauder ebenfalls fördert, in vorderster Reihe. „Uns findet man heute überall, von Vietnam bis Chile“, sagt einer von ihnen. In Dnepropetrovsk, Ukraine, baute Chabad das angeblich größte jüdische Gemeindezentrum weltweit – die sieben Türme bilden die Form einer riesigen Menora.

Die orthodoxe Gruppe wollte auch in Wien eine eigene jüdische Gemeinde gründen. Der durch eine Konkurrenzgemeinde drohende Showdown wurde hinter verschlossenen Türen beigelegt: In einem Abkommen sicherte der damalige IKG-Präsident Muzicant Chabad dafür Freigabe von IKG-Subventionen zu, als Schiedsrichterin im Streitfall sollte die verschwiegene Milliardentreuhänderin Rudolfine Steindling fungieren. Die Friktionen zwischen der Wiener Kultusgemeinde und Chabad-Mäzen Lauder blieben.

Als Jugendlicher hatte er die hochfliegende Ambition, erster jüdischer Präsident der USA zu werden. Bei der erfolglosen Kandidatur zum New Yorker Bürgermeister wandte Lauder laut „New York Times“ für jede erhaltene Stimme 363 Dollar auf. Als Präsident des World Jewish Congress ist ihm jede Einflussnahme in die Politik jüdischer Gemeinden untersagt, über seine jüngsten politischen Aktionen wird vorerst in Brüssel entschieden. Serge Cwaj­genbaum vom European Jewish Congress gegenüber profil: „Wenn wir klarer sehen, entscheiden wir über ein Fact-Finding-Komitee, das von der österreichischen jüdischen Gemeinschaft gewünscht wird.“