Michael Nikbakhsh: Werbelügen

Die FPÖ macht in der Flüchtlingskrise Stimmung gegen sozial engagierte Unternehmen. Was will diese Partei eigentlich – außer die Wirtschaft zu beschädigen?

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Aus dem „Parteiprogramm der Freiheitlichen Partei Österreichs“, beschlossen vom FPÖ-Bundesparteitag am 18. Juni 2011 in Graz: „Wir fördern Leistung in einer Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung, schützen das Privateigentum.“ Oder: „Wir bekennen uns zu einer an den konkreten Herausforderungen der Zeit orientierten Wirtschaftspolitik, frei von ideologischen Vorbehalten.“

Soziale Marktwirtschaft? Schutz des Privateigentums? Wirtschaftspolitik bar jeder Ideologie? Das verschafft der Bewegung zwar noch kein Alleinstellungsmerkmal, klingt aber insgesamt durchaus vertretbar. So gesehen muss es sich bei all dem, was sich da neuerdings rund um die FPÖ respektive deren Vorfeldorganisationen zuträgt, um ein großes Missverständnis handeln. Anders ließe sich kaum erklären, warum eine Partei, welche sich einer „Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung“ verschrieben hat, mittlerweile gewerbsmäßig gegen sozial engagierte Wirtschaftstreibende ausreitet – wie eine Dokumentation der Plattform „FPÖ Watch“ zeigt.

So etwa am 10. August. Da stellten die „Freiheitlichen Arbeitnehmer Niederösterreichs“ via Facebook dm an den Pranger. Die Drogeriekette hatte es gewagt, „Willkommenspakete für Flüchtlinge“ zu schnüren und Kunden zu Geldspenden einzuladen. „Auch ein großer Player steigt jetzt in die #Asylindustrie ein“, spotteten die Seitenbetreiber und stellten sowohl die E-Mail-Adresse des dm-Kundenservices als auch dessen Telefonnummer online. Nur für den Fall, dass die mittlerweile 2586 Facebook-Fans „kostenlose Kritik“ äußern wollten.

So etwa am 15. September. Da brachte der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Peter Wurm den Sparkassensektor in die Ziehung. Erste Bank und Sparkassen hatten es gewagt, Asylwerbern für die Dauer ihres Asylverfahrens ein „Gratiskonto mit Bankomatkarte und Services der Western Union“ zur Verfügung zu stellen. „Asylwerber bekommen Gratiskonto – zahlen müssen das die übrigen Bankkunden“, titelte Wurm in einer Aussendung und verstieg sich zu der infamen Frage, wozu „Asylwerber, die ja angeblich arm und mittellos sind, Bankkonten brauchen“, während „mehr als eine Million Österreicher, insbesondere Mindestpensionisten, die an oder unter der Armutsgrenze leben und kaum über Bargeld verfügen, Kontogebühren bezahlen müssen?“ Der Mann ist Konsumentenschutzsprecher (!) seiner Partei. Als solchem ist es ihm allem Anschein nach entgangen, dass Erste-Basiskonten in den ersten zwölf Monaten ohnehin kostenlos sind – und das für ausnahmslos jeden neuen Kunden. Danach fallen jährlich 62,48 Euro an. Selbst unter der Annahme, dass nun Tausende Asylsuchende das Angebot über das erste Jahr hinaus in Anspruch nähmen: Auf die Ertragslage der Sparkassengruppe wird das keinen messbaren Einfluss haben. Wie auch? 2014 erzielte sie ein Betriebsergebnis in der Höhe von 947 Millionen Euro. Dass der Sektor obendrein im Wege der „Zweiten Sparkasse“ eine de facto kostenlose Kontoführung für Menschen (Inländer!) in finanziellen Nöten anbietet, ließ Herr Wurm sowieso außen vor.

Die Wirtschaftspolitik der FPÖ – irgendwo zwischen Zwietracht, Neid und Missgunst.

Da passt es nur zu gut ins Bild, dass der große Vorsitzende sich schon am 8. Oktober des Vorjahres via Facebook (257.307 Adepten) gegen Drei in Stellung gebracht hatte. Der Mobilfunkanbieter hatte es gewagt, den Bewohnern eines (!) Wiener Flüchtlingsquartiers der Jungen Volkshilfe „mobiles Internet“ kostenlos zur Verfügung zu stellen. „Wir haben … viele obdachlose Österreicher, viele arme Österreicher und Menschen mit Mindestpension, denen diese Sponsorenleistung versagt bleibt! Eine weitere Instinktlosigkeit!“, empörte sich Heinz-Christian Strache. Dass Drei darüber hinaus seit Jahren eine Reihe karitativer Organisationen in Österreich unterstützt (Caritas, VinziRast, pro juventute, die möwe, unicef, Make A Wish, Autonome Frauenhäuser), erwähnte er no na ned mit keinem Wort.

Den mit Abstand niederträchtigsten Ausritt leistete sich freilich ein Mann mit Ambition auf das Bürgermeisteramt im oberösterreichischen Lambach: Johann Gibitz. Der FPÖ-Kandidat und Verwaltungsbeamte hatte einer oberösterreichischen Deutschlehrerin und Unternehmersgattin jüngst via E-Mail eröffnet, er werde fortan die Produkte aus dem Hause ihres Mannes, eines Lebensmittelherstellers, boykottieren, wie die „Oberösterreichischen Nachrichten“ enthüllten. Die Dame hatte es gewagt, Flüchtlingen in Schwanenstadt ehrenamtlich Deutschkenntnisse zu vermitteln. „Wie ich der Heimseite (sic!) des ,Netzwerk Zuversicht‘ entnehme, sind Sie intensiv in der Betreuung von Flüchtlingen involviert. Damit Sie noch mehr Zeit für diese Aufgabe zur Verfügung haben, werde ich in Zukunft um sämtliche Produkte der Firma … einen großen Bogen machen“, so Gibitz, ein Jurist, allen Ernstes. Der oberösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Manfred Haimbuchner hat damit übrigens kein Problem – Strache erst recht nicht.

Dass die Vermittlung von Deutschkenntnissen, der Zugang zu Bankdienstleistungen und Telekommunikation (ja selbst zu Hygenie) für eine gelungene Integration (fordert das die FPÖ nicht fortgesetzt?) unerlässlich sind, sei hier gar nicht erst betont. Denn darum geht es ja ohnehin nicht. Angst, Zwietracht, Neid, Missgunst – selbst um den Preis, engagierte Unternehmen und Unternehmer öffentlich zu diskreditieren oder überhaupt gleich zu beschädigen. Das ist also das, was die FPÖ 2015 unter „Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung“ und „Schutz des Privateigentums“ versteht.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.