20 Jahre nach 9/11

9/11 und was danach geschah

20 Jahre nach den Anschlägen des 11. September 2001 muss die Geschichte nach dem schmachvollen Abzug aus Afghanistan neu gedeutet werden. War alles, was nach 9/11 kam, bloß ein langer Irrweg? [E-Paper]

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Plötzlich ist alles anders. Lange schon waren die Anschläge des 11. September 2001 in New York und Washington unter dem amerikanischen Kürzel „9/11“ als Ereignis der jüngeren Zeitgeschichte abgespeichert gewesen, und die Jahrestage trugen dazu bei, die Katastrophe langsam von uns wegrücken zu lassen. Ein Jahr 9/11, fünf Jahre, zehn Jahre, 15 Jahre … Vielleicht wäre der 20. Jahrestag stiller und mit einem schmerzvollen Seufzen der Erinnerung vonstattengegangen. Doch die Erzählung, was damals geschah und wozu es führte, ist nicht mehr dieselbe. 9/11 hat eine dramatische, unerwartete Wendung genommen.

Am Montag, dem 30. August um 23.59 Uhr (Ortszeit) verließ der letzte amerikanische Soldat Kabul, und die radikal-islamistischen Taliban übernahmen wieder die Herrschaft über Afghanistan. Wenige Tage zuvor hatte ein Bombenanschlag an die 100 Afghanen und 13 US-Soldaten am Flughafen der Hauptstadt getötet. Dieses – vorläufige oder doch endgültige? – Ende der Ära, die am 11. September 2001 begonnen hatte, hat die USA und ihre Alliierten schwer geschockt. Gegner und Feinde des Westens jubeln.

Was also ist nun die neue Interpretation all dessen, was auf 9/11 folgte? War es ein langer Irrweg, an dessen Ende eine spektakuläre Niederlage steht? Oder überschattet das allerletzte Debakel so manchen Erfolg, und die augenscheinliche Demütigung des Westens ist womöglich doch überzeichnet?

Will man die Geschehnisse dieser 20 Jahre mit dem hinzugekommenen Wissen um den Ausgang neu lesen, so muss man dennoch ganz vorn beginnen, am 11. September 2001, in New York, um 8.46 Uhr Ortszeit, als die Passagiermaschine des American-Airlines-Flugs 11 von fünf Terroristen in den Nordturm des World Trade Centers in Manhattan gelenkt wird. Insgesamt kommen bei den Attentaten mit vier entführten Flugzeugen 2977 Menschen ums Leben. Diese Zahl allein ist erschreckend, aber noch mehr sind es die Bilder aus New York an diesem Tag.

Ein Amateurvideo vermittelt den Schock des Unfassbaren: Die amerikanische Studentin Caroline Dries hatte einige Tage vor dem Anschlag eine Kamera geschenkt bekommen und saß mit einer Freundin in ihrem Zimmer in Manhattan. Von den Fenstern aus sieht man die Türme des World Trade Centers. Als das erste Flugzeug hineinstürzt, beginnt Dries zu filmen. Die beiden Studentinnen sehen Menschen in die Tiefe fallen; sie kreischen, stammeln, telefonieren mit Verwandten , beruhigen sich langsam wieder. Bis das nächste Flugzeug einschlägt. Wieder geraten sie außer sich, schreien hilflos, während Dries die Kamera weiterfilmen lässt. Die jungen Frauen laufen hinunter auf die Straße, wissen nicht, was sie tun sollen, und kehren wieder in ihr Zimmer zurück. Als sie sich gefasst haben, stürzt der erste Turm in sich zusammen, und eine gigantische Staublawine verschluckt die Straßen von Manhattan. „Wir waren Kinder, wir konnten all das nicht glauben“, sagte Dries zehn Jahre später zu CNN.

Niemand konnte sich diesem Schock entziehen. New York, die USA, die ganze westliche Welt waren emotional in Aufruhr. Eine Urangst der Amerikaner war wahr geworden. Jemand hatte die USA auf ihrem eigenen Boden angegriffen, unvorbereitet, ein mörderischer Anschlag auf die Bevölkerung, auf den Alltag, auf die Wirtschaft, auf die Freiheit.

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Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur