Interview

Außenminister Schallenberg: „Ich sehe bei den Sanktionen keinen Grund für Zweifel“

Außenminister Alexander Schallenberg prophezeit, dass die Auswirkungen der Strafmaßnahmen in den kommenden Monaten so massiv würden, dass sie „noch dramatischere Folgen für Russland haben werden“.

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Ihre Amtskollegin, Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock, sagte kürzlich: „Egal ob die Wähler demonstrieren, die Sanktionen gegen Russland bleiben – ohne Wenn und Aber.“ Unterschreiben Sie diesen Satz?
Schallenberg
Ministerin Baerbock hat das inzwischen in den richtigen Kontext gestellt. Um Bertolt Brecht zu zitieren: „Die Mühen der Berge haben wir hinter uns, vor uns liegen die  Mühen der Ebene.“ Es ist völlig verständlich, dass Diskussionen über die Sanktionen aufkommen. Die wirtschaftlichen Schmerzen sind spürbar, das ist keine Situation, die wir uns gewünscht haben. Aber gleichzeitig müssen wir Nervenstärke beweisen, es geht jetzt um strategische Geduld. Die Sanktionen werden – das ist auch richtig und gut so – regelmäßig evaluiert und überprüft, das ist notwendig.
Ist der permanente Hinweis darauf, dass die Sanktionen evaluiert würden, nicht ein Signal an Russlands Präsident Wladimir Putin, dass wir kurz vor dem Einknicken stehen?
Schallenberg
Nein. Evaluieren ist gut und richtig. Es ist in einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft legitim, dass man solche Diskussionen führt.
profil: Was bedeutet es denn konkret, die Sanktionen zu evaluieren?
Schallenberg: Die Europäische Union evaluiert alle sechs Monate, weil die Sanktionen dann verlängert werden müssen. Fragt man das Ratssekretariat und den juristischen Dienst, ob die Sanktionen legitim sind, dann ist die Antwort eindeutig Ja.
In der Öffentlichkeit entstand durch Aussagen von Politikern – auch Ihrer Partei – ein ganz anderer Eindruck. Die Leute glauben, dass die Sanktionen gewissermaßen laufend bilanziert werden: Wie groß ist der Schaden, den Russland dadurch erleidet, und wie groß ist der negative Effekt, der auf unsere Wirtschaft zurückwirkt. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer, Ihr Parteifreund, hat die Sanktionen offen infrage gestellt und gesagt, man müsse sie überdenken, sollte es zu Engpässen beim Gas kommen oder sollten sie uns selbst schaden. Das ist doch das Gegenteil eines selbstbewussten Auftretens. Kanzler Karl Nehammer könnte doch sagen: Die Sanktionen sind alternativlos.
Schallenberg
Das hat er unter anderem im ORF-Sommergespräch gesagt.
Und gleichzeitig sagt er: Wir müssen sie evaluieren.
Schallenberg
Das ist ja kein Widerspruch. Ja, die Sanktionen sind alternativlos. Wir können nicht einfach die Hände in den Schoß legen und einen Autokraten gewähren lassen. Natürlich denkt die Politik mit, das ist selbstverständlich. Man darf nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, auch nicht in der Reaktion auf diese öffentliche Debatte. Ich sehe nicht, dass hier das russische Narrativ aufgegriffen wird. Das russische Narrativ ist: Die Sanktionen sind schuld an allem, etwa am Leid in Drittstaaten in Afrika – was einfach nicht zutrifft – und dass sie in Russland nicht wirken würden. Es gibt keine Sanktionen bei Gas und Nahrungsmitteln, also dort, wo die Probleme beheimatet sind. Ich erhebe laufend und überall meine Stimme, um das immer wieder richtigzustellen. Gleichzeitig finde ich, dass man in einer Demokratie auch Skepsis aushalten muss.
Es verunsichert die Menschen, wenn Landeshauptleute sagen, man wisse ja nicht, ob uns die Sanktionen mehr schaden als Russland.
Schallenberg
Das Gegenteil ist der Fall. Wenn ich höre, dass etwas, das für uns sehr einschneidend ist, laufend überprüft wird, dann zeugt das doch von politischer Vernunft. Der Kurs der Bundesregierung ist klar und völlig unverändert. Aber es ist auch legitim, dass wir uns in Österreich überlegen, wie wir die negativen Auswirkungen auf unsere Wirtschaft abfedern können. Auf europäischer Ebene müssen wir uns laufend fragen: Erzielen die Sanktionen, was wir wollen, nämlich die Schwächung Russlands?
Bei welcher der Sanktionen könnte man vermuten, dass sie Russland weniger schadet als dem Westen?
Schallenberg
Ich sehe bei den Sanktionen keinen Grund für Zweifel. Die Sanktionen wirken. Wir sehen, dass 97 Prozent der russischen Automobilindustrie stillstehen, ebenso drei Viertel der Luftfahrt. Panzerwerke stehen still, und die Armee hat Probleme bei der Rekrutierung neuer Soldaten. Es gibt genügend internationale Studien, die belegen, dass Russland die Sanktionen enorm schmerzen.
In welchem Bereich kann eine Evaluierung derzeit realistischerweise dazu führen, dass etwas geändert wird?
Schallenberg
Wir haben bisher über 1200 Einzelpersonen unter Sanktionen gestellt. Das ist ein Bereich, wo sich vielleicht bei dem einen oder anderen erweist, dass man noch einmal evaluieren muss. Auch das ist Teil des Rechtsstaats.
Der negative Effekt der Sanktionen besteht vor allem darin, dass Russland die EU mit gedrosselten Gaslieferungen gängelt und so die Preise nach oben schießen lässt. Der Kreml sagt, der Westen müsse alle Sanktionen zurücknehmen, dann würde das Gas wieder ungehindert fließen. Einzelne Sanktionen spielen demnach keine Rolle.
Schallenberg
Es ist bemerkenswert, dass Moskau fordert, dass alle Sanktionen aufgehoben werden müssen, damit Russland wieder Gas liefert. Das ist der Beweis dafür, dass die Sanktionen wirken. Es ist wie ein Aufschrei aus Moskau. Außerdem macht Russland damit etwas, das nicht einmal die Sowjetunion in den Zeiten des Kalten Krieges gemacht hat: Es erweist sich als völlig unzuverlässiger Wirtschaftspartner und verliert jegliche Glaubwürdigkeit. Die OMV hat seit 1968 Verträge mit Russland. Moskau spielt jetzt ein zynisches Spiel mit Nahrungsmitteln, deren Export es blockiert, und mit Energie. Das ist eine rote Linie, die Wladimir Putin überschreitet.
Aus all dem folgt, dass die Sanktionen wie beabsichtigt wirken und es keinen Anlass gibt, sie mit Skepsis zu betrachten. Warum sagen Sie das nicht der Öffentlichkeit, wenn wieder einmal etwa Landeshauptmann Stelzer ausrückt, um Bedenken zu verbreiten?
Schallenberg
Hier wird vielleicht etwas medial höher gespielt, als es ist. Das waren ein paar Sätze von einem Landeshauptmann, ich sehe das nicht so wild. Seit Wochen halte ich jeden Tag Reden, Vorträge, bin auf Veranstaltungen, das ist das Hauptthema, und ich sage es überall.
Sagen Sie, dass die Sanktionen bleiben werden, solange der Krieg anhält?
Schallenberg
Ich tue mir schwer mit Vorhersagen, aber die Sanktionen, die wir 2014 nach der illegalen Annexion der Krim verhängt haben, sind heute noch in Kraft. Wladimir Putin ist davon überzeugt, dass westliche Demokratien schwach sind und unfähig, geeint aufzutreten. Wir müssen beweisen, dass er unrecht hat! Wir haben ihn überrascht, weil wir seit über sechs Monaten Geschlossenheit beweisen. Wir brauchen jetzt strategische Geduld und Nervenstärke. Dann stehen die Zeichen zu unseren Gunsten.
Können Sie garantieren, dass Putins Erpressung mit dem Gashahn nicht funktionieren wird?
Schallenberg
Erpressung wird in Europa nicht funktionieren. Wir dürfen etwas nicht vergessen: Unsere Reaktion hat nicht nur Auswirkungen auf die Beziehungen zu Moskau oder Peking, sie wird in der ganzen Welt beobachtet, in afrikanischen Staaten, in Lateinamerika. Was wir jetzt machen, hat massive Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der westlichen Wertegemeinschaft gegenüber Drittstaaten. Sind wir bereit, für unser Lebensmodell und unsere Werte einzutreten? Für ein System, das wir nach dem Zweiten Weltkrieg mit weit über 50 Millionen Opfern aufgebaut haben: Die UN-Charta, das Aggressionsverbot, den Respekt der territorialen Unversehrtheit. Wenn wir das erhalten wollen, dann können wir nicht die Hände in den Schoß legen und zur Tagesordnung übergehen.
Sie haben keine Angst, dass die Stimmung in der Bevölkerung noch stärker umschlägt?
Schallenberg
Ich will eines klar sagen: Wir werden das schaffen. Wir haben in Europa fundamentale Unterschiede, das zeigt sich auch im Rat deutlich. Einige EU-Länder, vor allem jene, die einmal Teil oder im Einflussbereich der  Sowjetunion waren, befinden sich gedanklich im Kriegszustand, andere sind im Kriegsvermeidungszustand. Doch das Mantra ist Geschlossenheit und Nervenstärke. Wir müssen noch ein paar Monate durchhalten, dann werden die  Sanktionen noch dramatischere Folgen für Russland haben.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlägt jetzt vor, beim Import von russischem Gas eine Preisdeckelung zu fixieren. Putin hat angedroht, jegliche Gaslieferungen an die EU einzustellen, wenn die EU diese Maßnahme verhängt. Soll sich die EU davon abschrecken lassen?
Schallenberg
Nein. Dass sich Russland in den letzten Monaten als kein verlässlicher Partner erwiesen hat, ist bitter, aber die Realität. Vor diesem Hintergrund begrüße ich, dass die Kommissionspräsidentin mehrere Vorschläge für kurzfristige Maßnahmen präsentiert hat. Im Zentrum all unserer Bemühungen muss die Versorgungssicherheit und die Leistbarkeit von Energie stehen. Es ist daher notwendig, einzelne Elemente dieser Vorschläge sehr genau zu hinterfragen. Entscheidend ist, dass wir als Europäische Union weiterhin Einigkeit demonstrieren und unsere Abhängigkeit von russischem Gas durch den Umstieg auf alternative und erneuerbare Energiequellen weiter reduzieren.
Österreich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in eine starke Abhängigkeit zu Russland begeben. Sie waren ab 2013 in der Stabsstelle Strategische Planung des Außenministeriums für Strategien zuständig. Haben Sie zu wenig getan, um diese Abhängigkeit abzubauen?
Schallenberg
Rückblickend gesehen kann man sagen, wir hätten anders agieren sollen. Ich erinnere mich an den 1. Jänner 2006, als plötzlich die Gaslieferungen eingestellt wurden wegen eines Disputs zwischen Kiew und Moskau. Wir haben als Europäische Union gesagt: Es braucht eine Diversifizierung der Quellen und der Transportwege. Das wurde ja auch versucht, etwa mit der damals geplanten Pipeline Nabucco. Weil zu diesem Zeitpunkt aber noch eine große Verlässlichkeit seitens Russlands gegeben war, wurde lange nicht in alternative Infrastruktur investiert. Gleichzeitig haben wir die Politik der Dekarbonisierung in Angriff genommen, wir wollen ja aus den fossilen Energieträgern rauskommen. Aber ja, rückblickend hätte man mit dem Wissen von heute damals anders agiert.
Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu Ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow? Sind Sie immer noch per Du mit ihm?
Schallenberg
Auf Englisch stellt sich die Frage des „Du“ nicht, aber ja, wir haben einander mit dem Vornamen angesprochen. Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen und gesprochen.
Seit Kriegsbeginn nicht mehr?
Schallenberg
Wir hatten einmal schriftlichen Kontakt. Würden die Iran-Verhandlungen zu einem guten Abschluss kommen und gäbe es eine Versammlung auf Ministerebene, würden wir das als Gastgeberland ermöglichen. Es wäre wichtig, dass er auch zur UN-Generalversammlung kommt. Man muss immer reden, auch wenn man hundertprozentig anderer Meinung ist. Nicht reden hat noch nie geholfen. Ich bin sehr erstaunt, was ich teilweise von Lawrow gehört habe. Die antisemitischen Äußerungen sind abscheulich. Es wurden so viele rote Linien überschritten, dass eine Rückkehr zum Status quo ante für mich nicht mehr möglich ist.
Also nicht mehr „Sergej“, sondern „Mister Lawrow“?
Schallenberg
Wie wir das mit der Anrede machen würden, ist eine andere Sache. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Internationale Strafgerichtshof dabei ist zu überprüfen, ob Russland Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht. Das ist das Schwerwiegendste überhaupt.
Sie loben die Einigkeit der EU in der Krise. Am 25. September stehen allerdings in Italien Wahlen an, und wie es aussieht, könnte Giorgia Meloni von der Rechtsaußen-Partei Fratelli d’Italia Premierministerin Italiens werden. Europas Rechte haben schon lange gute Beziehungen zu Moskau. Ist es dann zu Ende mit der Geschlossenheit der EU?
Schallenberg
Das ist schwer zu sagen. Am Ende wird man sehen, wie sie im Rat agiert. Im Wahlkampf hat Meloni gesagt, dass schwere Zeiten auf uns zukommen und man den Gürtel enger schnallen muss. Italien ist ein NATO-Staat, ich glaube nicht, dass wir befürchten müssen, dass eine neue italienische Regierung über Nacht ihren Kurs ändert.
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron will, dass die EU generell das Einstimmigkeitsprinzip bei der Entscheidungsfindung fallen lässt, um Blockaden zu vermeiden. Wäre das nicht sinnvoll?
Schallenberg
Ich glaube, dass man sich überlegen kann, auf welche Bereiche man die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit ausdehnen kann. Aber sollen wir etwa neue Staaten in die EU aufnehmen, wenn drei von 27 Mitgliedern dagegen sind? Wie soll das dann funktionieren? Bei der Steuerpolitik hingegen könnte man vielleicht mit qualifizierter Mehrheit Beschlüsse fassen. Aber verklären wir nicht die Vergangenheit der EU. Es hat immer schon wildeste Diskussionen gegeben. Denken Sie an die „Politik des leeren Stuhls“ des damaligen französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle, der sieben Monate lang jegliche Beschlüsse durch das Fernbleiben des französischen Vertreters verhinderte.
Der Krieg in Syrien ist aus dem Fokus gerückt, aber er ist längst nicht vorbei. Im von Kurden betriebenen Lager Roj im Norden des Landes sitzt immer noch eine Österreicherin mit ihrem kleinen Kind fest. Länder wie Deutschland, Dänemark oder Frankreich haben ihre inhaftierten Staatsbürger, die für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) gekämpft oder mit ihm sympathisiert haben, längst zurückgeholt. Österreich lehnt das ab. Warum?
Schallenberg
Wir haben erst vor einigen Monaten zwei Kinder aus einem Anhaltelager in Syrien zurückgeholt und sie ihren obsorgeberechtigten Angehörigen in Österreich übergeben. Wir sind bemüht, im Rahmen unserer Möglichkeiten dafür Sorge zu tragen, dass österreichische Staatsbürger – vor allem Kinder – in den Lagern so gut versorgt werden, wie es die Umstände erlauben. Im Sinne der Sicherheit Österreichs müssen wir Abwägungen vornehmen. Die Schutzwürdigkeit der betroffenen Personen einerseits und die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in Österreich andererseits. Aber es gibt keine Sippenhaftung. Dennoch gilt, dass Kinder nicht gegen den Willen ihrer Mütter von diesen getrennt werden dürfen. Sie müssen der alleinigen Rückholung der Kinder zustimmen.
Diese Frauen sind österreichische Staatsbürgerinnen. Wieso macht Österreich ihnen nicht hier den Prozess?
Schallenberg
Wir prüfen alle Fälle individuell. Ich habe Bedenken, dass sich diese Personen tatsächlich vom IS abgewendet haben. Da vertrauen wir auf die Einschätzungen  unserer Sicherheitsdienste. Die Erfahrungen jener Länder, die Rückholungen durchgeführt haben, sind durchwachsen. Soll, kann  man diese Menschen ein Leben lang überwachen?
Wir haben jetzt viele Krisen besprochen. Kommen wir noch zur ÖVP. Bei der Wahl in Tirol gibt es voraussichtlich die nächste Watsche. Auch die Umfragen im Bund sind trist: In den profil-Umfragen ist die ÖVP innerhalb der Schwankungsbreite gleichauf mit der FPÖ. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Schallenberg
Da gibt es einen schönen Satz: Umfragen sind wie Parfum – man soll daran riechen, aber keinesfalls davon trinken. Das sind immer Momentaufnahmen. Ja, die letzten zweieinhalb Jahre waren unglaublich herausfordernd: Die Chats, die Pandemie, die Emotionalität, die da mitgespielt hat. Das war nicht  leicht. Ich bin aber davon überzeugt, dass diese Bundesregierung weit, weit besser ist als ihr medialer Ruf. Was uns  besser gelingen muss, ist, das auch öffentlich darzustellen. Bei allen Herausforderungen: Wir sind weiterhin eines der lebenswertesten, reichsten, stärksten und schönsten Länder dieser Welt.
Kann es sein, dass die Umfragen weniger die Performance der Bundesregierung widerspiegeln als vielmehr den miserablen Ruf der ÖVP, vor allem, was die Korruption angeht? Das ist ja alles nicht aufgearbeitet.
Schallenberg
Doch, und es gab immerhin auch einen Wechsel an der Spitze der Partei und des Bundeskanzlers. Das ist eine Belastungsprobe für das gesamte System.  Die Politik als Ganzes hat an Vertrauen verloren.
Mit dem Abstand von bald einem Jahr: War es ein Fehler, Sebastian Kurz, der von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt wird – es gilt die Unschuldsvermutung–, zum Klubobmann im Parlament zu machen?
Schallenberg
Überhaupt nicht. Damals wurde erwartet, dass man die Vorwürfe rasch klären kann. Dem war nicht so. Sebastian Kurz hat damals großen Mut und Teamgeist gezeigt. Er hat für sich einen Schritt gesetzt, um weiteren Schaden abzuwenden. Das muss man ihm hoch anrechnen.
Dem Parlamentarismus hat er keinen großen Gefallen erwiesen, indem er nach der Devise handelte: Ich bin als Kanzler untragbar, gehe ich eben ins Parlament.
Schallenberg
Von untragbar war nicht die Rede, sondern es ging darum, die Vorwürfe aufzuklären.

Alexander Schallenberg, 53, ist seit 2019 Außenminister, allerdings mit einer Unterbrechung: Nachdem Sebastian Kurz im Oktober 2021 als Bundeskanzler das Handtuch warf, übernahm Schallenberg das Kanzleramt. Zwei Monate später trat er zurück, um den Weg für den neu gewählten ÖVP-Obmann Karl Nehammer freizumachen. Schallenberg kehrte in das Amt des Außenministers zurück.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort und gehört zum "Streiten Wir!"-Kernteam.