Hungary's Orban addresses European Parliament, in Strasbourg

Journalismus in Ungarn: „Das ist ein Angriff auf unsere Existenz“

Wie Viktor Orbán mit einem neuen Gesetz unabhängige Medien und NGOs kaltstellen will – ein Gespräch mit Szilárd Teczár, Chefredakteur der ungarischen Faktencheck-Plattform Lakmusz.

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In Budapest wird ein Gesetz vorbereitet, das dem Journalismus im Land das Rückgrat brechen könnte. „Wenn dieses Gesetz kommt, verlieren wir unsere aktuelle Finanzierung über Nacht“, sagt Szilárd Teczár. Der 35-Jährige leitet Lakmusz, die einzige unabhängige Faktencheck-Plattform in Ungarn. Lakmusz ist Teil des Hungarian Digital Media Observatory (HDMO), einem Anti-Desinformations-Hub und verschiedenen weiteren europäischen Fact-Checking-Initiativen nach internationalen Standards. Sieben Journalistinnen und Journalisten arbeiten aktuell für die Plattform. 

Der Name des neuen Gesetzes klingt harmlos: Transparenz des öffentlichen Lebens. Doch was die rechtsnationale Fidesz-Regierung unter Viktor Orbán da auf den Weg bringt, ist ein Angriff mit Ansage. Wenn das Parlament den Entwurf verabschiedet, erhält die Regierung das Recht, Organisationen und Medien verstärkt zu durchleuchten – mit der Begründung, sie würden „die nationale Souveränität gefährden“. Einzige Grundlage dafür: Finanzierung aus dem Ausland.

Das ungarische „Foreign Agent Law“

Der ungarische Gesetzesentwurf T/11923 – Über die Transparenz des öffentlichen Lebens behauptet, nationale Souveränität schützen zu wollen. Tatsächlich schafft er ein umfassendes Kontrollinstrument gegenüber jeglicher Organisation, die aus dem Ausland finanziert wird – unabhängig von ihrer Rechtsform oder Zielsetzung. Betroffen wären NGOs, Stiftungen, wissenschaftliche Institute und auch unabhängige Medien.

Wer auf der von der Regierung definierten Liste der „souveränitätsgefährdenden Organisationen“ landet, unterliegt drastischen Einschränkungen: Fördermittel aus dem Ausland dürfen nur noch mit Genehmigung angenommen werden, Führungspersonen gelten als „herausgehobene öffentliche Funktionsträger“ und müssen ihre Vermögensverhältnisse offenlegen. Ausgenommen ist keine Institution – auch Zuwendungen der Europäischen Union können als „ausländische Einflussnahme“ gewertet werden.

Bereits bestehende Verträge mit ausländischen Geldgebern würden automatisch annulliert. Verstöße gegen die neuen Regelungen können mit Geldstrafen bis zum 25-fachen des erhaltenen Betrags geahndet werden, Wiederholungstäter dürfen ihre Arbeit einstellen – zwangsweise. Das Gesetz tritt, wenn verabschiedet, drei Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Seit ihrer Gründung 2022 überprüft die Faktencheck-Plattform Lakmusz politische Aussagen, bekämpft Desinformation und kämpft für Aufklärung – mit Geld aus dem Ausland. Geht das neue Gesetz durch, wird das unmöglich. 

Szilárd Teczár von Lakmusz

„Sollte etwa unsere Förderung durch die EU-Kommission als 'ausländische Einflussnahme' gelten, kann die Steuerbehörde unsere Konten einfrieren, Zahlungen stoppen, bestehende Verträge für nichtig erklären“, warnt Teczár. Die Konsequenz: „Wir verlieren auf einen Schlag sämtliche Mittel.“

Konkret geht es dabei auch um ein Projekt, um Politiker-Aussagen im kommenden Wahlkampf in den Sozialen Medien auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Denn der Vorstoß kommt ein Jahr vor den nächsten nationalen Wahlen in Ungarn. Orbáns Fidesz liegt aktuell in den Umfragen konstant hinter Péter Magyar (Tisza).

Auch international führen Ungarns Pläne zu Sorge um den unabhängigen Journalismus. Fritz Hausjell, Medienwissenschafter und Präsident von Reporter ohne Grenzen Österreich, zeigt sich alarmiert: Mit dem neuen „Foreign Agent Law“ droht Ungarn, einen weiteren Schritt in Richtung autoritärer Staatlichkeit zu gehen – und das ausgerechnet als EU-Mitglied.

„Es widerspricht dem Geist des Verhältnisses zwischen Bürger:innen, Staat und Medien innerhalb der Europäischen Union“, sagt Hausjell gegenüber profil. Die Intention des Gesetzes sei aus seiner Sicht eindeutig: unabhängige, aus dem Ausland finanzierte Medien – darunter auch solche, die EU-Förderungen erhalten – sollen finanziell ausgehungert und gebrandmarkt werden. Dass dies unbeabsichtigt sei, hält er für ausgeschlossen: „Dort sitzen keine Dummköpfe – die wissen genau, was sie tun.“

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz ist seit Dezember 2024 im Digitalteam. Davor arbeitete sie als Redakteurin bei PULS 24, und als freie Gestalterin bei Ö1. Sie schreibt über Politik, Wirtschaft und Umwelt.