Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban
Bild anzeigen

Die Karriere des Viktor Orbán

Viktor Orbán hat als Liberaler begonnen, wurde zum Konservativen und macht jetzt als Rechtspopulist Karriere.

Drucken

Schriftgröße

31. Mai 1963: Viktor Mihály Orbán wird in Székesfehérvár als Sohn eines Agraringenieurs und einer Logopädin geboren.

1982 bis 1987: Studium der Rechtswissenschaften an der Loránd-Eötvös-Universität in Budapest.

1988: Orbán beginnt seine politische Karriere als Gründungsmitglied des Bundes Junger Demokraten (Fidesz).

16. Juni 1989: Mit einer flammenden antirussischen Rede bei der Neubeisetzung der Revolutionshelden von 1956 erlangt der bis dahin wenig bekannte Orbán landesweite Prominenz.

1990: Nach der Wende wird Orbán Abgeordneter im Parlament; er ist es bis heute.

1993: Orbán wird zum Fidesz-Parteivorsitzenden gewählt. Unter seiner Führung wird aus dem ursprünglich liberalen Fidesz die dominierende konservative Kraft Ungarns.

1998 bis 2002: Der Fidesz führt erstmals eine Regierungskoalition an (mit der konservativen Kleinbauernpartei und der christdemokratischen MDF).

2002 bis 2010: Der Fidesz verliert zwei Parlamentswahlen gegen die Sozialisten und geht in Opposition.

September/Oktober 2006: Nach der Verbreitung von Ausschnitten aus der sogenannten Lügenrede des sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc 
Gyurcsány erschüttern Unruhen Budapest. Orbáns Rückkehr an die Macht nimmt Konturen an.

11. April 2010: Bei der Parlamentswahl erreicht der Fidesz 52,73 Prozent der Stimmen – und Orbán kehrt zurück ins Amt des Ministerpräsidenten. Mit seiner Zweidrittelmehrheit im Parlament kann die Regierung Verfassungsänderungen beschließen.

Dezember 2010: Ein von der Regierung verabschiedetes Mediengesetz schafft die juristische Voraussetzung für die Übernahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dieser wird zum Propagandainstrument des Fidesz.

1. Jänner 2012: Das Parlament verabschiedet eine neue Verfassung. Sie sichert Orbán weitreichenden Einfluss und schränkt etwa die Unabhängigkeit der Notenbank und die Macht des Verfassungsgerichts ein.

6. April 2014: Im Parteienbündnis mit der nationalkonservativen KDNP erreicht der Fidesz bei den Parlamentswahlen erneut eine Zweidrittelmehrheit. Der Umbau des Landes schreitet voran.

2016: Ein Orbán nahestehender (österreichischer) Unternehmer kauft den ungarischen Verlag der Tageszeitung „Népszabadság“. Wenig später wird das Oppositionsblatt eingestellt. 

Ca. 2018: Die Regierung hat die Medien des Landes weitgehend unter ihre Kontrolle gebracht. Große Teile der Wirtschaft sind in der Hand von Orbáns Familie und Vertrauten.

September 2018: Wegen Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie leitet das EU-Parlament ein Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn ein. Doch einem Entzug des Stimmrechts im EU-Rat müssten alle übrigen 26 Mitgliedstaaten zustimmen – und Polen deckt Ungarn.

2018 und 2022: Bei den Parlamentswahlen 2018 und 2022 sichert sich der Fidesz erneut Zweidrittelmehrheiten. Die Partei baut die Demokratie ab, die Institutionen werden Orbáns Machterhalt untergeordnet.

Februar 2019: Das Internationale Auschwitz-Komitee wirft Orbán vor, die „Erinnerungspolitik an den Holocaust zu deformieren“ und wiederholt antisemitische Vorurteile zu bedienen.

März 2021: Orbáns Fidesz verlässt die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP). Nach jahrelangem Streit kommt er so der Suspendierung aus der Parteienfamilie zuvor. 

2022: Orbán will strategische Branchen wie Energie, Banken und Medien unter seine Kontrolle bringen. Im zwölften Jahr seiner Herrschaft ist rund die Hälfte dieser Unternehmen bereits verstaatlicht oder im Besitz Orbán-naher Oligarchen. 

August 2022: Der Staat kauft zusammen mit der staatsnahen Firma 4iG die ungarische Tochter des Telekommunikationsanbieters Vodaphone für umgerechnet 1,8 Milliarden Euro.

Dezember 2022: Wegen Korruption und Abbau des Rechtsstaats durch Orbáns Regierung friert die EU erstmals für Ungarn bestimmte Milliardenzahlungen ein. Möglich ist das durch das neue Instrument des „Rechtsstaatsmechanismus“. 

Juni 2024: Der ungarische Staat übernimmt eine Mehrheit des Flughafens Budapest. Orbán setzt ausländische Unternehmen durch Restriktionen und Sondersteuern unter Druck, darunter die österreichische Lebensmittelkette „Spar“. 

13. Juni 2024: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verhängt Strafzahlungen von 200 Millionen Euro gegen Ungarn, weil das Land die EU-Asylregeln nicht umsetzt. Solange sich das nicht ändert, kommt täglich eine Million Euro an Strafzahlungen dazu. 

30. Juni 2024: Der Fidesz gründet die europäische Rechtsaußen-Fraktion „Patrioten für Europa“, der auch die FPÖ und der französische Rassemblement National angehören. Es ist die drittstärkste Parteienfamilie im EU-Parlament.

Juli 2024: Orbán reist zu Russlands Präsident Wladimir Putin nach Moskau. Die europäischen Partner sind erbost, Orbán behauptet, im Ukrainekrieg vermitteln zu wollen.

5. November 2024: Orbáns Rivale, der Oppositionspolitiker Petér Magyar, liegt mit seiner Tisza-Partei in Umfragen erstmals klar vor dem Fidesz.

19. November 2024: Orbán bringt eine weitere Wahlrechtsänderung auf den Weg: Wahlkreise im Großraum Budapest werden zugunsten des Fidesz neu zugeschnitten.

 

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.