Otmar Lahodynsky: Neue Hoffnung für die EU

Ein Wahlsieg Macrons könnte auch den Vertrauensverfall in der EU aufhalten. Doch noch fehlen glaubhafte Rezepte.

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Ein linksliberaler Reformer hat gute Chancen, nächster Präsident Frankreichs zu werden. Dass Emmanuel Macron um zwei Prozentpunkte vor Marine Le Pen liegt, hat auch in Brüssel für Erleichterung gesorgt. Dass es kein Kandidat der linken oder konservativen Partei in die Stichwahl schaffte, erinnert ein wenig an den ersten Durchgang der österreichischen Präsidentenwahl vor einem Jahr.

Macron wird also aller Voraussicht nach Marine Le Pen, die aus der EU austreten und zehntausende Zuwanderer abschieben will, bezwingen. Seine Ankündigungen für Reformen in Frankreich sind noch schwammig: Mehr Investitionen, keine Abkehr von 38-Stunden-Woche und frühem Pensionsantritt. Wie er so die Rekordverschuldung Frankreichs und die hohe Abgabenquote bekämpfen will, bleibt unklar.

Der deutsch-französische Motor in der EU wird bei einem Wahlsieg Merkels im Herbst gehörig ins Stottern geraten

Und der ehemalige Wirtschaftsminister möchte auch in der EU für notwendige Reformen sorgen. So sprach er sich bereits für eine Erhöhung des EU-Budgets aus und für die Vergemeinschaftung von Schulden über Eurobonds. Dagegen hatte sich freilich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel immer strikt gewehrt. Der deutsch-französische Motor in der EU wird also bei einem Wahlsieg Merkels im Herbst gehörig ins Stottern geraten, mehr noch als unter dem bisherigen Zweiergespann Merkel-Hollande.

Im Falle eines Wahlsiegs von Martin Schulz würden linke Ideen in der EU mehr an Zugkraft gewinnen. Vor allem in der Sozialpolitik und bei der Beschäftigung hat die EU neue Inputs dringend nötig. Denn der generelle Vertrauensverlust gegenüber Politik hat bisher Populisten und EU-Gegnern enormen Zulauf beschert. Es entstand die paradoxe Situation, dass die EU-Bürgerinnen und –Bürger nationalen Regierungen mehr Lösungskraft bei der Bewältigung von globalen Problemen wie Migration, Arbeitslosigkeit oder Terrorismus zutrauen als den EU-Institutionen. Dafür sorgten auch jene EU-Regierungschefs, die mit billigen Attacken auf Brüssel daheim punkten wollen, obwohl sie sonst die EU-Regelungen meist mitbeschlossen haben und auf die üppigen Subventionen aus der gemeinsamen EU-Kasse nicht verzichten wollen.

Dieser Mangel an Solidarität und Sinn für das europäische Gemeinwohl hat das Vertrauen in die Vorzüge der Europäischen Union gefährlich erodieren lassen. Er hat letztlich auch zum Brexit geführt. Daher muss Europapolitik wieder beweisen, dass die Bürger konkrete Vorteile aus der EU-Mitgliedschaft ziehen. Macrons Sieg bei der Stichwahl würde eine wichtige Etappe bei dieser Aufholjagd für Europa darstellen.