Ausland

Redefreiheit unter Druck: Kuck mal, wer da nicht mehr spricht!

Europa und die USA versuchen mit Hetzern klarzukommen. Warum Einschränkungen der Redefreiheit immer heikel sind.

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Was haben Ungarns rechtsnationalistischer Ministerpräsident Viktor Orbán, der ehemalige linksradikale griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, der Mitgründer der britischen Brexit-Partei Nigel Farage, der Chef der linksradikalen französischen Partei „Die Unbeugsamen“ Jean-Luc Mélenchon und seine Parteifreundin Rima Hassan gemeinsam? Zugegeben, keine einfache Frage, denn politisch trennen die Genannten Welten. Jedoch: Sie alle eint dieselbe Erfahrung. Sie wollten in den vergangenen Tagen jeweils an Veranstaltungen teilnehmen, die behördlich untersagt wurden. „Zensur!“, tobte ein Sprecher der „Unbeugsamen“, „Westentaschendiktatur!“, schnaubte Nigel Farage. Mit diesem Akt sei „eine unglaubliche Schwelle an politischer Gewalt überschritten worden“, zürnte Mélenchon.

Gerät die Redefreiheit ausgerechnet in Europa, wo 1789, dem Jahr der Französischen Revolution, die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte veröffentlicht wurde, in der „die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen“ als „eines der kostbarsten Menschenrechte“ enthalten war, unter Druck? Oder gibt es vielmehr gute Gründe, diese Freiheit im Einklang mit politisch-ethischen Werten doch etwas mehr zu beschneiden? Zum Beispiel im Fall von Antisemitismus und Rassismus.

Die Räumlichkeiten in der Universität der nordfranzösischen Stadt Lille waren reserviert und die Flugblätter verteilt, als das Rektorat bekannt gab, dass die „Palästina-Konferenz“, veranstaltet von Mélenchons Parlamentspartei „Die Unbeugsamen“ und der studentischen Organisation „Libre Palestine“ (Freies Palästina), untersagt sei. Tatsächlich hatte sich die Universitätsleitung politischem Druck gebeugt. Politiker der konservativen Partei „Die Republikaner“ und des rechtspopulistischen „Rassemblement National“ hatten verlangt, die Konferenz der Linken zu verbieten. Der Grund: Antisemitismus.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur