Autor Michael Wolff über Trump

Star-Autor Wolff: „Es gibt keine Logik, wenn es um Trump geht“

Bestseller-Autor Michael Wolff erzählt, wie er für sein neues Buch vom Ex-Präsidenten auf dessen Luxusanwesen Mar-a-Lago eingeladen wurde.

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profil: Bei den nächsten Präsidentschaftswahlen wird Trump 78 Jahre alt sein. Trauen Sie ihm zu, dass er für eine erneute Wahlkampftour genügend Energie haben wird?
Wolff: Hören Sie, der Mann ist ein Naturwunder! Er hat eine unglaubliche Energie.

profil: Könnte er wieder Präsident der USA werden?
Wolff: Er wird wieder kandidieren, und er wird verlieren.

profil: Sie haben wieder ein Buch über Trump geschrieben. Nach Ihrem letzten Trump-Buch hatten Sie erklärt, nie wieder eines über ihn schreiben zu wollen. Sind seine Fans nicht wahnsinnig wütend geworden, als sie davon erfuhren?
Wolff: Es stimmt, ich hatte in keiner Weise vor, ein weiteres Trump-Buch zu schreiben. Andererseits: Wie könnte man nicht über den Typen schreiben nach dem 6. Jänner? Also habe ich ein paar Leute kontaktiert. Dann haben wohl einige Trump gesagt, dass ich ein Buch schreiben wolle. Sie wollten ihn offensichtlich warnen.

profil: Das Luxusanwesen Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida, war ja quasi sein zweiter Amtssitz. Wie kam Trump darauf, ausgerechnet Sie nach den doch äußerst kritischen Büchern über ihn dorthin einzuladen?
Wolff: Er hat seinen Leuten gesagt: „Hey, der Typ hatte eine ziemlich gute Quote im TV mit seinen Büchern.“ Er wolle mich einladen. Ich sei von seinen Leuten nur falsch unterrichtet worden. Also wurde ich nach Mar-a-Lago eingeladen, interviewte ihn und verbrachte einige Zeit mit ihm. Trump war unglaublich transparent, äußerst großzügig. Es war ein sehr angenehmer Tag. Er hat mich unglaublich freundlich begrüßt und öffentlich vorgestellt als den größten Schriftsteller. Ich durfte zum Dinner mit ihm und Melania bleiben.

profil: Welch eine Ehre … Was ist das überhaupt für ein Club?
Wolff: Ein ziemlich altmodischer Country-Club. Freitags gibt es die italienische Nacht mit Akkordeonspieler. Sogar der Muttertag wird gefeiert. Es gibt eine Jäger-Lodge und den Renaissance-Palast. Trump sitzt im Zentrum, wo auch sonst, alle anderen Tische, rund 50 Stück, sind um ihn herum gruppiert, damit ihn alle sehen und natürlich auch hören können, wenn er seine Monologe hält. Betritt er den Raum, stehen alle auf und klatschen. Es ist eine absurde Szene.

"Für ihn ist alles so geblieben, wie es auch vorher war"

profil: Trump polarisiert nach wie vor wie kaum eine andere Person in den USA. Am 6. Jänner 2021 hatten seine Fans das Kapitol in Washington gestürmt, um die Bestätigung Joe Bidens als nächsten Präsidenten zu verhindern. Bereits vor dem Start des Untersuchungsausschusses des Repräsentantenhauses zu den Vorfällen vom 6. Jänner gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen Demokraten und Republikanern, weil die vorsitzende Demokratin Nancy Pelosi einige Republikaner abgelehnt hatte.

Wolff: Das ist wieder so ein typisches Trump'sches Ding. Es wird etwas zur Waffe gemacht, und das auf beiden Seiten. Es ist schon überraschend, finde ich, wie die Dinge nun laufen. Wissen Sie noch, wie das unmittelbar nach dem 6. Jänner war? Beide Seiten, Demokraten und Republikaner, waren beinahe einer Meinung über die Vorgänge am Kapitol! Es herrschte Einigkeit darüber, von ein paar Ausnahmen abgesehen, dass Donald Trump die Ursache dafür war, was sich am 6. Jänner in Washington ereignet hatte.

profil: Was veränderte die Wahrnehmung der Randale am Kapitol?

Wolff: Es war der Moment, in dem die Republikaner erkannten, dass Trump doch nicht die Unterstützung der republikanischen Basis verloren hatte. Sie war und ist ihm nach wie vor hörig ergeben.

profil: Das Land scheint tief gespalten zu sein. Wird diese Polarisierung noch zunehmen?

Wolff: Es ist schwer zu sagen, auf welche Art der Konflikt fortgeführt wird, ob gewaltsam oder nicht. Aber auf eines können Sie sich verlassen: Die Spaltung der Gesellschaft wird noch tiefer werden! Sollte Trump die zentrale Figur in den Mid-Teams 2022 werden, könnten noch ganz andere Dinge passieren, als wir sie bislang erlebt haben.

profil: Man fragt sich, ob die Republikaner überhaupt noch ohne Trump existieren können.

Wolff: Die Partei würde womöglich einen eigenen Weg finden, würde Trump sich zurückziehen. Aber zurzeit ist es sehr schwierig für einen republikanischen Politiker, kein Trump-Befürworter zu sein. Trump hat die Kontrolle über die Basis und damit über die ganze Partei.

profil: Wie sah Trump nach vier Jahren Präsidentschaft, zwei Impeachment-Verfahren und dem Sturm aufs Kapitol aus?

Wolff: Großartig, der Mann ist vollkommen entspannt. Die meisten Präsidenten verlassen ihr Amt auch äußerlich schwer angeschlagen. Sie sehen viel älter aus nach ihrer Amtszeit. Nicht so Donald Trump. Er sieht blendend aus. Nicht das Amt hat ihn verändert, er hat das Amt verändert.

profil: Wie erklären Sie sich das?

Wolff: Sein Leben in Mar-a-Lago und im Weißen Haus ist vollkommen gleich. Er hat immer noch eine Menge Meetings, trifft Leute, vor allem Schmeichler und Höflinge. Trump macht, was er immer macht. Er redet und redet: bla, bla, bla. Es ist das, was er am liebsten tut: sich selbst zuhören. Für ihn ist alles so geblieben, wie es auch vorher war. Die Leute kommen, umschmeicheln ihn, und er redet wie ein Wasserfall.

profil: Haben Sie mit Trump über die Präsidentschaftswahl gesprochen? Glaubt er immer noch, dass sie ihm gestohlen wurde?

Wolff: Trump spricht nur über Trump. Egal wer mit ihm spricht, er redet ohne Unterlass. Es gab keine Gelegenheit, zu sagen: "Hey, du hast die Wahl verloren, sie wurde dir nicht gestohlen." Ich habe gesagt: "Sie glauben, dass die Wahl gestohlen war. Warum?" Er sagte zu mir: "Ich weiß, wer dafür verantwortlich ist. Ich werde es Ihnen noch sagen, aber nicht jetzt." Er hat weiter konfus vor sich hingeredet.

"Er ist ein Mann, der keinen Plan und keine Kenntnis davon besitzt, wie eine Regierung funktioniert"

profil: Jetzt hängen ihm die Ereignisse vom 6. Jänner nach. Das hatte sich ja bereits drei Wochen vorher bei Ausschreitungen ankündigt in Charlottesville. Er hätte also wissen können, was seine Aufforderung, zum Kapitol zu marschieren, bedeuten konnte.

Wolff: Da meinte er noch: "Sieht aus nach ein paar Spinnern."

profil: Die US-Medien verglichen den 6. Jänner mit einem versuchten Staatsstreich. Wie beurteilen Sie das?

Wolff: Nein, das war kein Staatsstreich. In den Medien war das die Standardformel für das, was hier vor sich ging. Aber es war mehr eine Tragödie. Trump hatte überhaupt keine Strategie, gar keine. Er war verantwortlich für die Ereignisse, gewiss. Aber er war nicht derjenige, der einen Staatsstreich geplant hätte. Einige Reporter haben versucht, in diese chaotischen Ereignisse eine gewisse Logik hineinzulesen. Aber das verfehlt die Sache völlig: Es gibt keine Logik, wenn es um Trump geht. Er ist ein Mann, der keinen Plan und keine Kenntnis davon besitzt, wie eine Regierung funktioniert. Dieser irrationale Mensch kann nicht wirklich etwas ausrichten.

profil: Nun ja, ihm hätte klar sein können, dass Rechtsradikale in seinem Namen unterwegs waren und am liebsten die Grundordnung der USA auf den Kopf gestellt hätten.

Wolff: Wissen Sie, er war vollkommen mit etwas anderem beschäftigt. Trump verlor nicht sonderlich viele Gedanken an die Gruppen, die sich für die Kundgebung am 6. Jänner zusammenfanden. Ihn trieb einzig die Frage um, was Vizepräsident Mike Pence im Kongress tun würde - ob er das aus seiner Sicht Richtige tun würde oder nicht. Dass zeitgleich Tausende Menschen in Washington eintrafen, war ihm völlig gleich. Trump sagte immer wieder über Pence: "Er muss das Richtige tun. Er wird das Richtige tun." Nämlich die ernannten Wahlleute ablehnen.
 

profil: Pence tat es nicht.

Wolff: Er war sich vorher nicht sicher und sagte das Trump auch. Der erwiderte: "Möchten Sie lieber ein Patriot sein oder ein Schlappschwanz?" Pence sollte ihm eine weitere Amtszeit bescheren, indem er die Wahlergebnisse im Kongress zurückweist. Das war die Sache, die Trumps Geist vollkommen besetzte: Er wollte weiter Präsident bleiben. Als dann die Massen ins Kapitol eindrangen, nahm er das nicht so wahr. Trump kann keine Realität außerhalb seiner eigenen wahrnehmen.

profil: Er saß im Weißen Haus während der Randale.

Wolff: Es waren zu dem Zeitpunkt nur eine Handvoll Menschen im West Wing. Sie trauten sich nicht, ihm etwas entgegenzuhalten. Eine Sache, die man mit Trump nicht machen kann, ist, ihn zu beschuldigen. Wenn man ihn unterstützt, sind das für ihn immer sehr smarte Leute. Kritisiert man ihn, kennt er diese Leute nicht mehr.

profil: Er hat die Ereignisse am 6. Jänner ums Kapitol nicht live im Fernsehen gesehen?

Wolff: Doch, er hat es gesehen. Die Diskussion, ob der Präsident hinausgehen und etwas sagen solle - etwas Beruhigendes -, dauerte fast eine Stunde. Seine Tochter Ivanka kam zu ihm und sagte: "Du musst etwas sagen." Ivanka wollte sich nicht gänzlich von den Protestierenden distanzieren - das war im Weißen Haus die Basis. Der Präsident hatte nach wie vor einzig die Wahlanfechtung im Blick und war für alles andere blind. Ganz gleich, mit welcher Dringlichkeit man versuchte, ihm begreiflich zu machen, dass das Kapitol unter Belagerung stand. Es dauerte lange, bis er endlich eine Erklärung abgab. Erst am späten Nachmittag gab es dann den widerwilligen Video-Aufruf an die Randalierer, nach Hause zu gehen.

profil: Wie reagierte er nach dem Ereignis?

Wolff: Er war augenscheinlich verwirrt. Es geht ihm immer darum, sich nicht beschuldigen zu lassen, sondern jemand anderen zu beschuldigen. Die Leute um ihn waren sehr besorgt, dass er etwas sagt, das die Sache noch schlimmer machen könne. Trump ist wie eine Wild Card.

profil: Er nannte die Randalierer "liebevolle Leute".

Wolff: Ja, das war seine Sicht der Dinge.

"Er war immer von Leuten umgeben, die ihm nicht die Wahrheit sagten, die sagten, was er hören wollte"

profil: Der engste Kreis hatte keinen Einfluss auf ihn? Sie beschreiben die Leute um ihn herum als Speichellecker oder totale Chaoten wie seinen Anwalt, den früheren New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani.

Wolff: Giuliani war immer betrunken. Trump sagte das auch stets zu allen, Rudy ist betrunken, Rudy ist fett. Aber der frühere Bürgermeister von New York City sagt Trump eben das, was er hören will. Giuliani war in einem konstanten Zustand der Erregung, häufig grenzten seine Handlungen und seine Manie an geistige Verwirrtheit. Er versuchte, die Gunst des Präsidenten für sich zu gewinnen, indem er tat, was dieser verlangte, und seine Obsessionen befeuerte.

profil: Und das Trump-Team?

Wolff: Höflinge und Speichellecker. Die Leute, die für ihn gearbeitet haben, auch aus seiner Familie, haben ihn immer nur mit guten Neuigkeiten versorgt. Er war immer von Leuten umgeben, die ihm nicht die Wahrheit sagten, die sagten, was er hören wollte. Das Team, das er hatte, um die Wahlen noch zu ändern, war dazu nicht in der Lage. Das hatte schon fast operettenhafte Züge. Die Medien sprachen davon, dass Trump die Wahlen nicht anerkennen würde, es gebe die Idee von einem Staatsstreich. Die Wahrheit aber war eine andere. Das Wahlergebnis wurde von diesen Leuten anerkannt. Es gab wirklich niemanden, der das anders gesehen hätte, auch nicht in seiner Familie. Und es gab nie die Absicht, die Präsidentschaft von Joe Biden nach der Wahl irgendwie zu verhindern. Trump sagte: "Die Medien denken, ich werde nicht gehen. Glauben sie das wirklich? Das ist verrückt." Für 77 Tage war die Präsidentschaft in einer merkwürdigen Pathologie befangen. Aber es gab nie ein Programm für einen Umsturz. Um einen gewählten Präsidenten zu verhindern, braucht man einen immensen Einsatz. Den gab es nicht.

profil: Wäre seine Präsidentschaft mit einem anderen Team anders verlaufen?

Wolff: Nein, Trump ist zu verrückt. Das hat er nicht drauf. Es geht immer nur ums Reden: bla, bla, bla. Es gibt wirklich nichts in seinem Verhalten, seinen Denkweisen und Entscheidungen, das dem entspricht, was der Job eines Präsidenten erfordert.

profil: Sie schreiben, dass Trump im Wahlkampf einer verrückten Idee erlegen sei. Andrew Cuomo und Michelle Obama sollten laut dem Plan der Demokraten um die Präsidentschaft kandidieren, das hätte er insgeheim erfahren. War das wirklich so?

Wolff: Davon war er nicht abzubringen. Er war felsenfest überzeugt, dass die Demokraten Joe Biden nicht nominieren würden, sondern stattdessen den Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, und Michelle Obama als Vize-Präsidentin installieren wollten.

profil: Wie kam er darauf?

Wolff: Das hatte ihm der Fox-Moderator Sean Hannity gesteckt. Er hatte ihm erzählt, wenn er, Trump, Biden nur massiv genug angreifen würde, wäre dieser so beschädigt, dass die Demokraten ihn als Kandidat zurücknehmen und dann auf Cuomo zurückgreifen würden. Trump hatte Respekt vor Cuomo, weil der seine Corona-Politik regelmäßig auseinanderpflückte. Er war absolut überzeugt, dass dies der Plan wäre. Er habe das aus supergeheimer Quelle erfahren. Das war natürlich purer Unsinn. Trump aber war der Meinung, dass es sich hier um einen streng geheimen Plan der Demokraten handeln würde.

profil: Konnte man es ihm ausreden?

Wolff: Jared Kushner hatte Karl Rove engagiert. Er sollte Trump auch davon überzeugen, dass so etwas nicht passieren würde. Rove ist ein Mann, der acht Jahre lang in diesem Trakt des Weißen Hauses unter George W. Bush gearbeitet hatte, zu einer Zeit, als noch nicht Hinz und Kunz Zugang zum Oval Office hatten. Man führte ihn dorthin zu einer angeblich geheimen Sitzung, wo es zuging wie an einer Bushaltestelle. Rove fragte Trump daraufhin, warum der eindeutige Zweite Bernie Sanders so etwas zulassen sollte. Trump erwiderte: Weil die Obamas alles koordiniert hätten. Rove fragte entgeistert: "Mein Gott, wo hat er das bloß her?"

profil: Wie stark hat Trump die USA geprägt oder verändert?

Wolff: Die Hälfte des Landes lebt in Bezug auf die alternativen Fakten und folgt einer vollkommen verrückten Person. Es hat zu einer Wahrnehmung einer alternativen Realität geführt. Trump ist verrückt. Trump ist crazy. Ein verrückter Mensch.

Könnte Trump in die Politik zurückkehren?

Was geschah in den letzten Tagen von Donald Trumps Präsidentschaft? Was passierte nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021 in Washington hinter den Kulissen? Und wann – und vor allem wie – könnte Trump in die Politik zurückkehren?

Für sein neues Buch „77 Tage. Amerika am Abgrund: Das Ende von Trumps Amtszeit“ hat Michael Wolff mit Mitarbeitern des Weißen Hauses und mit Trump selbst gesprochen. Es ist, nach „Feuer und Zorn: Im Weißen Haus von Donald Trump“ (2018) und „Unter Beschuss: Trumps Kampf im Weißen Haus“ (2019) das dritte Buch des amerikanischen Journalisten und Autors über den 45. Präsidenten.

Fazit: Donald Trump glaubt die wirren Verschwörungstheorien, die er so oft wiederholt, wirklich, allen voran jene über den Betrug bei den Präsidentschaftswahlen 2020. Auch in guten Momenten sei er logischen Argumenten nicht zugänglich, schreibt Wolff, der außerdem zu dem Schluss kommt, dass Trump nie einen Plan gehabt habe, was am 6. Jänner passieren sollte.

Das neue Buch des 67-Jährigen liest sich wie ein skurriler Thriller. Nach der Wahl im November sei das Weiße Haus endgültig ins Chaos gestürzt, die Republikaner stünden dennoch nach wie vor hinter Trump. Mit seinen Lügen, glaubt der US-Starautor Wolff, könnte Trump die Midterm-Wahlen 2022 gefährden. Und: Er wolle ins Weiße Haus zurück. Es scheint also, als müsste sich die Weltöffentlichkeit noch länger mit Trump beschäftigen. Gut möglich also, dass Wolff ein viertes Buch über ihn schreiben muss.