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Wer schlägt den Trump?

Trotz Gerichtsverfahren und Skandalen bleibt Donald Trump der beliebteste Kandidat der republikanischen Basis. Aber die Konkurrenz hat sich in Stellung gebracht. Kann ihm jemand die Präsidentschaftskandidatur streitig machen? Ein Überblick.

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Am 8. Januar 2024 geht es los. Die Vorwahlen der Republikaner starten in den US-Bundesstaaten Iowa und New Hampshire. Dann entscheidet sich, wer im November 2024 als Präsidentschaftskandidat gegen den Amtsinhaber Joe Biden antritt. Eine Sache macht die Wahlen zu einem außergewöhnlichen Ereignis. Donald Trump geht in den Wahlkampf, obwohl ihm eine Haftstrafe droht. Er ist der erste Ex-Präsident, der von einem Bundesgericht angeklagt ist. Die Justiz wirft ihm zahlreiche Straftaten vor. So hat er etwa Dokumente, die die nationale Sicherheit betreffen, zu Hause gehortet (unter anderem auf der Toilette in seinem Privatanwesen in Florida). Entscheidend aber ist: Trump hat diese Dokumente trotz mehrfacher Aufforderung der Behörden über eineinhalb Jahren hinweg nicht herausgerückt. Das ist in den USA ein ernsthaftes Vergehen. Verstöße gegen das Anti-Spionage-Gesetz werden mit bis zu zehn Jahren Haft geahndet. William Barr, Trumps ehemaliger Justizminister, sagte über die Vorwürfe: „Wenn auch nur die Hälfte davon wahr ist, dann ist er erledigt.“ Aber ist er das wirklich?

Nicht wirklich. Umfragen zufolge steht Trump trotz der Skandale gut da. 47 Prozent der US-Amerikaner halten die Anklage gegen ihn für politisch motiviert. Unter republikanischen Wählern liegt diese Zahl sogar bei 80 Prozent. Ebenso viele finden, dass Trump auch im Falle einer Verurteilung Präsident werden kann.

Für Trump ist im Moment vor allem die letzte Zahl relevant. Denn in den Vorwahlen muss er keine Demokraten, sondern nur die eigene Parteibasis überzeugen. Die Anklage schadet Trump also (noch) nicht. Ja mehr noch: Sie könnte ihm sogar helfen. Der Gerichtsaal ist schon jetzt seine wichtigste Wahlkampfbühne. Dort kann er sich der Basis als Märtyrer inszenieren, der gegen eine vermeintlich korrupte Justiz ankämpft. Es ist davon auszugehen, dass Trump

die Wahl als letzte Chance darstellen wird, gegen den „tiefen Staat“ - ein beliebter, rechter Verschwörungsmythos - aufzustehen. Mit dieser angstbesetzten Erzählung schart er seine Unterstützer noch enger um sich. Das macht es für seine Rivalen schwierig. Sie wollen sich als neue Alternative präsentieren, wissen aber gleichzeitig, dass Trump in der Basis nach wie vor die populärste Lichtgestalt ist.

Wie also positionieren sich die parteiinternen Rivalen? Und wer hat die größten Chancen?

Donald Trump – Der Favorit vor Gericht

Donald Trump hat bereits eine Amtszeit hinter sich und er will wieder ins Weiße Haus. Seine Niederlage von 2020 gegen Joe Biden erkennt er bis heute nicht an. Im Wahlkampf positioniert er sich als Getriebener. „Sie wollen mir meine Freiheit nehmen, weil ich es nicht zulasse, dass sie euch eure nehmen“, sagte er unter tosendem Applaus nach dem Prozessauftakt in der Dokumentenaffäre. Und: „Sie wollen mich mundtot machen, weil ich es nicht zulasse, dass sie euch mundtot machen.“ Diese Rhetorik bestätigt einmal mehr: Kein Präsident hat die Demokratie in den USA derart geschädigt und in Frage gestellt, wie Trump. Und das, obwohl die Beweislage gegen ihn überwältigend ist. Sie reicht von Fotos über Tonaufnahmen bis zu Notizen seines Anwaltes. Trump geht es aber nicht um einen Sieg im Gerichtssaal. Er will die öffentliche Meinung seiner Anhänger so lange formen, bis das Urteil für sie unerheblich geworden ist. Zumal der Gerichtsprozess für sie ohnehin nicht die oberste Priorität hat. Umfragen zufolge sind für die Republikaner politische Erfolge von Bedeutung. Über 70 Prozent erwarten von ihm, dass er die Inflation bekämpft und Steuern senkt. Ständig über sich selbst und die Vergangenheit zu sprechen, hilft Trump also nicht. Wichtiger ist seinen Wählern, was er in der Zukunft vorhat. Und so könnten ihm die Prozesse am Ende doch noch schaden, weil sie über Monate, wenn nicht Jahre, die US-Öffentlichkeit beschäftigen werden.

Ron DeSantis – der Anti-„woke“-Krieger

Floridas Gouverneur ist derzeit der stärkste innenpolitische Rivale von Donald Trump – auch wenn die Umfragen ihn ursprünglich weiter vorne sahen. Dennoch: Er hat die wohl größten Chancen, Trumps Sieg zu gefährden. Vielleicht, weil er erkannt hat, dass es nicht reicht, nur gegen Donald Trump zu sein. 74 Prozent der Republikaner wünschen sich einen Nachfolger, der so ähnlich ist wie Trump. DeSantis muss also einen Balanceakt zwischen Distanzierung und Aneignung wagen. Inhaltlich ist er ganz auf Trump-Linie, verspricht aber einen neuen Stil: jünger und ohne Skandale. Dazu kommt sein Markenzeichen: Der Anti-woke-Kampf. DeSantis definiert sich vor allem über polarisierende Kulturthemen: Er war einer der Ersten, der aus „woke“ einen politischen Kampfbegriff machte. Er hat Gender-Themen aus dem Schulunterricht streichen lassen und entsprechende Bücher aus Bibliotheken verbannt. Sein Kampf gegen den Unterhaltungsriesen Walt Disney, der Floridas homophobe Gesetze kritisierte, hat ihn über die Grenzen des Bundesstaates hinaus bekannt gemacht.

Mike Pence – der Evangelikale

Er war Trumps Vizepräsident und loyaler „Ja-Sager“, der sich keinerlei Kritik am Chef erlaubte. Bis zum 6. Januar 2021, als Trump-Anhänger das Kapitol stürmten und „Hängt Mike Pence!“ riefen. Pence weigerte sich, Trumps Lüge, er habe die Wahl gewonnen, anzuerkennen. Dass er in einem der verletzlichsten Momente der US-amerikanischen Geschichte standhaft blieb, rechnen ihm viele als Verdienst um die Demokratie an. Doch für weite Teile des Trump-Lagers wird er gerade deshalb für immer ein Verräter bleiben. „Niemand, der sich über die Verfassung stellt, sollte Präsident der USA sein“, sagt er.

Das klingt moderat, aber genau das ist Pence in Gesellschaftsfragen nicht. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat ihn einmal als „netten Extremisten“ bezeichnet, denn er gilt selbst manchen Konservativen als zu radikal. Der 64-Jährige beschreibt sich selbst mit dem Dreisatz: „ein Christ, ein Konservativer, ein Republikaner - in dieser Reihenfolge.“ Fast 40 Prozent der US-Bürger sind evangelikale Christen. Die will Pence abholen. Er tritt für ein bundesweites Abtreibungsverbot ein – auch im Fall einer Vergewaltigung. In der Vergangenheit warb er dafür, Geld, das für die Behandlung von Aidskranken vorgesehen ist, für die Heilung von Homosexuellen umzuwidmen. Pence leugnet den vom Menschen gemachten Klimawandel und zweifelt an der Evolutionstheorie.   

Tim Scott – der Optimist

Scott ist der einzige Afroamerikaner im US-Senat, wo er den Bundesstaat South Carolina vertritt. Dort, im tiefsten Süden, hat es der Sohn einer alleinerziehenden Mutter aus ärmlichen Verhältnissen bis ganz nach oben geschafft. Heute sagt Scott den erstaunlichen Satz: „Amerika ist kein rassistisches Land“. Seine Karriere sei der Beweis, dass es jeder und jede schaffen könne. Dass schwarze Amerikaner nach wie vor stärker von Polizeigewalt oder Obdachlosigkeit betroffen sind, überspielt er mit der Feststellung, dass früher alles noch schlimmer war. „Als meine Mutter geboren wurde, hatten nur zehn Prozent der Afroamerikaner einen Universitätsabschluss. Heute sind es über 90 Prozent“, sagt er etwa. Diese Übertreibung steht für seine Strategie: Er ist ein Schönfärber. Damit will er wohl auch nicht-farbige, also weiße Menschen in Sicherheit wiegen, immerhin die Mehrheit seiner potenziellen Wähler. Sein Vorteil: Trump greift ihn (vorerst) nicht an, sondern hat ihm sogar zur Bewerbung gratuliert. Wohl auch deswegen, weil dieser in Umfragen zwischen zwei bis vier Prozent schwankt. Er wird als ein möglicher Vizepräsident gehandelt, sollte Trump gewinnen.

Nikki Haley – die einzige Frau

Haleys Kandidatur war keine Überraschung. Sie steht schon länger in den Startlöchern. Die Tochter indischer Einwanderer, wurde in South Carolina geboren, wo sie 2011 zur jüngsten Gouverneurin der US-Geschichte gewählt wurde. 1997 ist sie zum christlichen Glauben konvertiert. Unter Trump wurde sie Anfang 2017 Botschafterin der USA bei der UNO. Vor wenigen Jahren hatte sie noch erklärt, nie gegen ihren ehemaligen Chef antreten zu wollen. Jetzt appelliert die 51-Jährige an die Notwendigkeit eines Generationenwechsels und kritisiert Trump offen, wenn auch strategisch bedacht. „Wenn sich die Anklage als wahr herausstellt, dann ist Trump unglaublich rücksichtslos mit der nationalen Sicherheit umgegangen“, sagte Haley nach Bekanntwerden der Dokumentenaffäre. Im selben Atemzug spekulierte sie aber, Trump zu begnadigen und spricht von einer „Vendetta-Politik“ gegen ihn.

Ein Ass im Ärmel hat Haley: Entwickelt sich das Duell zwischen DeSantis und Trump zur Schlammschlacht, könnte Sie als Sauberfrau punkten. Besonders trittsicher ist sie im Feld der Außenpolitik, wobei sie klare Positionen sowohl gegen China als auch Russland bezieht.

Vivek Ramaswamy – der Multi-Millionär

Mit 37 Jahren der jüngste Bewerber und ein politischer Quereinsteiger. Der Sohn indischer Einwanderer hat Start-Ups geleitet, Investmentfonds gegründet und Millionen mit seiner Biotech-Firma angehäuft. Politisch setzt auch er auf den Kulturkampf, begreift sich als Vorkämpfer gegen „säkulare Religionen“. Damit meint er Gruppen, die sich für die Bekämpfung des Klimawandels oder gegen Rassismus stark machen. In dieser Frage nähert er sich DeSantis an. Und auch Trump kritisiert er kaum, sondern versucht diesen zu kopieren, indem er ein „America First!“ fordert. Wo also liegt der Unterschied? Trump habe das Land gespalten und er, Ramaswamy, werde es wieder einen, verspricht er. Seine politischen Ziele klingen aber alles andere als versöhnlich. Der Unternehmer hat unter anderem angekündigt, die seiner Meinung nach korrupte Bundespolizeibehörde FBI reformieren zu wollen. Seit der Anklage gegen Trump streut er regelmäßig Misstrauen gegen die Rechtsstaatlichkeit in den USA. Abtreibung ist für ihn Mord, aber anders als der Rest der Republikaner fordert Ramaswamy mehr Verantwortung von Männern bei der Kindererziehung.

Chris Christie – der Angriffslustige

Der Ex-Gouverneur von New Jersey und ehemalige Berater von Trump hat sich zu dessen lautstärksten Kritiker gewandelt. Christie tingelt durch die Fernsehsender des Landes und spielt seine größte Stärke aus: Er ist ein überzeugender Redner, spricht das Publikum direkt an und plaudert gerne aus dem Nähkästchen. Sein Lieblingsthema: Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl. „Es gibt einfach keinen Beweis dafür. Das ist eines der destruktivsten Dinge, die Trump getan hat, und das war der Moment, als ich mit ihm durch war“, sagte er unlängst im TV-Sender „CNN“. Und weiter: „Er ist wie ein Kind. Lassen Sie nicht zu, dass dieser Showman die Fakten verschleiert. Fakt ist: Er hat verloren.“ Noch arbeitet sich Christie unablässig an Trump ab, auch wenn er keine realistischen Chancen hat, ihn ernsthaft herauszufordern. Unangenehm ist er für Trump trotzdem, weil er Trumps Lügengebäude erschüttert, zum Teil mit Insiderinformationen aus erster Hand.

 

 

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.