Johann Strauß
Anlässlich des 200. Geburtstags von Johann Strauss Sohn findet an der Universität Wien eine Ringvorlesung über den Komponisten statt. Univ-Prof. Michele Calella, Leiter des Instituts für Musikwissenschaft, will auch die Forschung intensivieren.

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War Johann Strauss zu seiner Zeit als Komponist populär?

Michele Calella: Seine Bedeutung war größer, als man es sich heute vorstellen kann. Tatsächlich hatte er einen internationalen Ruf, und präsentierte sich auf seinen Tourneen als Dirigent mit einem breiten Repertoire und führte dabei auch seine eigenen Kompositionen auf. Seine Berühmtheit hatte fast eine globale Dimension. 

Kann man ihn mit heutigen Popkünstlern vergleichen?

Calella: Mit derartigen Vergleichen sollte man vorsichtig sein. Im 19. Jahrhundert waren die Grenzen zwischen der populären und der Kunstmusik _ im Sinne von U- und E-Musik – fließend, zu einer radikalen Spaltung kam es erst im 20. Jahrhundert. Aber er war sicher ein sehr populärer Musiker, in dem Sinne, dass seine Musik nicht nur in Konzertsälen und Opernhäusern, sondern an verschiedenen Aufführungsorten und in unterschiedlichen Veranstaltungsformaten gespielt wurde und so ein breites Publikum erreichte.

Und er füllte auf seinen Tourneen große Säle …

Calella: Das 19. Jahrhundert war eine Zeit monumentaler Musikfeste, und Strauss gehörte zu dieser Kultur. Sie hat ihn nicht nur durch ganz Europa geführt, sondern sogar bis nach Amerika. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Netz der Bahnschienen größer, somit begannen Musiker und Instrumentalensembles intensiver auf Tournee zu gehen. Dasselbe gilt für die Dampfschifffahrt: Dass Strauss 1872 den Atlantik überquerte und in Boston ein Konzert mit mehreren Tausend Musikern vor einem riesigen Publikum dirigierte, ist ein Zeichen der Zeit. Diese Faszination wirkt bis heute nach: Viele Touristen aus den USA – und nicht nur aus diesem Land – assoziieren Wien mit seiner Musik. 

Michele Calella

Univ-Prof. Michele Calella, Leiter des Instituts für Musikwissenschaft

Dennoch hinkt die Forschung hinterher?

Calella: Es wurde einiges geleistet, vor allem von Archivar*innen, Bibliothekar*innen, Dirigent*innen, freien Musikforscher*innen und nicht zuletzt vom Wiener Institut für Strauss-Forschung, aber es fehlt noch eine akademische Tradition in diesem Bereich. Auch das ist teilweise der Spaltung in Unterhaltungs- und Kunstmusik geschuldet: Strauss wurde als Komponist der leichten Muse betrachtet und daher in einer Musikwissenschaft, die sich ausschließlich für den sogenannten Kunstcharakter der Werke nach dem Modell von Beethoven und weniger für deren Kontext interessierte, lange Zeit stiefmütterlich behandelt. Ich nehme mich da gar nicht aus: Auch ich habe die Forschung über Strauss und die Operette erst durch das Strauss-Jahr für mich entdeckt. Als Musikliebhaber kannte ich selbstverständlich einige Werke, aber die Organisation der Ringvorlesung und der intensivere Kontakt mit den Strauss-Forscher*innen hat mich wirklich auf den Geschmack gebracht. Ich kann mir vorstellen, in Zukunft Projekte in diese Richtung anzuregen und zu unterstützen. 

Geht es darum in der Ringvorlesung „Strauss-Topographien: Klang | Raum | Wien“ der Universität Wien?

Calella: Wir möchten Studierende und Musikliebhaber dazu einladen, sich mit Strauss und seiner Musik zu beschäftigen, wobei die Vorträge versuchen, unterschiedliche Kontexte und Handlungsräume eines der berühmtesten Musiker der Welt auch ins neue Licht zu bringen. Wenn wir damit den Anstoß geben können, dass mehr Forschung in diese Richtung betrieben wird, wäre das wunderbar.

Die Ringvorlesung

Strauss-Topographien: Klang | Raum | Wien“ findet bis 12. Juni jeden Donnerstag um 18.30 Uhr am Campus der Universität Wien, Institut für Musikwissenschaft, statt. Mehr Infos unter: www.johannstrauss2025.at