faktiv

Klima: Die (angeblich) irrwitzigen Emissionen der Superreichen

Kann das reichste Prozent der Weltbevölkerung wirklich so viel konsumieren, dass es dabei dieselbe Menge an Emissionen erzeugt wie fünf Milliarden Menschen?

Drucken

Schriftgröße

„Das reichste Prozent verursacht so viele Treibhausgase wie die ärmeren zwei Drittel der Weltbevölkerung. Durch ihren extremen Konsum befeuern Superreiche die Klimakrise, die die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen bedroht.“

Oxfam Deutschland

Irreführend

Wie rücksichtslos Superreiche das Klima schädigen, war zuletzt flächendeckend in zahlreichen Medien zu erfahren. Das oben angeführte Zitat stammt von der Website der NGO Oxfam Deutschland, und es wurde fast wortgleich von zahlreichen Medien im deutschsprachigen Raum übernommen. Sie vertrauten dabei einer Studie mit dem Titel „Climate Equality: A Planet for the 99 Percent“ der in den Niederlanden angesiedelten Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam, die eigentlich ein internationaler Verbund mehrerer NGOs ist. Niemand bezweifelte die Angaben.

Kein Wunder, schließlich ist hinlänglich bekannt, dass Superreiche sich auf Yachten vergnügen, für kurze Trips private Jets benutzen und in riesigen Villen wohnen. Diesen Punkt hebt auch Manuel Schmitt, Referent für soziale Ungleichheit bei Oxfam Deutschland, hervor, der in den meisten Meldungen zitiert wird: „Durch ihren extremen Konsum befeuern die Reichen und Superreichen die Klimakrise, die mit Hitzewellen, Dürren oder Überschwemmungen die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen bedroht, insbesondere in den einkommensschwachen Ländern des Globalen Südens.“

Auch die Politik greift die Oxfam-Studie gern auf. Julia Herr etwa, Klima-Sprecherin der SPÖ, zitiert daraus, dass „das reichste Prozent so viel CO2 wie die ärmeren zwei Drittel ausstößt“.

Doch kann ein Prozent der Weltbevölkerung, das sind 77 Millionen Menschen, wirklich dieselbe Menge an Emissionen verursachen wie fünf Milliarden? Zu dem reichsten Prozent gehört man laut Oxfam ab einem Jahreseinkommen von 128.000 Euro, weit entfernt also von Privatjets und Yachten. Wie viel kann eine Person tatsächlich konsumieren?

 

Die Antwort darauf findet sich praktischerweise in der Oxfam-Studie, allerdings wird diese Erklärung in all den Meldungen nicht zitiert. Die Emissionen, die in dieser Studie einer Person zugerechnet werden, stammen nämlich nur zu einem kleinen Teil aus deren Konsum. Mehr als die Hälfte – laut Oxfam „50 bis 70 Prozent“ – haben mit dem persönlichen Verbrauch nichts zu tun. Woher also stammt der doch recht erhebliche Anteil an Emissionen?

Ganz einfach: Oxfam rechnet jeder Person auch die Emissionen zu, die sich aus deren Investments ergeben. Wie das funktioniert, lässt sich am besten am Beispiel besonders reicher Individuen erläutern. Oxfam nennt sie „CO2-Milliardäre“.

20 dieser Superreichen erzeugen durch ihren privaten Konsum im Schnitt laut Oxfam 8190 Tonnen CO2 pro Jahr. Was enorm viel ist, denn ein durchschnittlicher Österreicher oder eine Österreicherin produziert bloß rund acht Tonnen pro Jahr. Doch den 20 Superreichen werden zu den 8190 Tonnen pro Kopf weitere 3,1 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen zugeordnet. Das bedeutet, die durch den Konsum verursachten Emissionen fallen in der Gesamtbilanz kaum ins Gewicht.

Sehen wir uns zum Beispiel Bill Gates an, Microsoft-Gründer und einer der reichsten Menschen der Welt. Wendet man die Berechnungsmethode von Oxfam an, kommt er auf die unglaubliche Emissionsmenge von über sechs Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Der wesentliche Grund dafür ist, dass er Hauptaktionär des US-amerikanischen Abfall-entsorgungs- und Recyclingunternehmens Republic Services (und ein paar weiterer Unternehmen) ist. Deshalb werden alle Emissionen, die dieses Unternehmen im laufenden Betrieb erzeugt – vor allem durch Fahrzeuge und Maschinen – und auch die Emissionen, die bei der Erzeugung der von Republic Services verwendeten Energie anfallen, Gates’ persönlicher Bilanz aufgebrummt – und zwar entsprechend seinen Unternehmensanteilen.

Oxfam argumentiert, dass Investmententscheidungen reicher Leute für die Emissionen verantwortlich seien, die deren Unternehmen verursachen, und es deshalb logisch sei, sie für diese Emissionen verantwortlich zu machen. Gegenprobe: Würde Bill Gates die Anteile an Republic Services verkaufen, würde das Unternehmen deshalb nicht weniger CO2 ausstoßen. Wäre es im Besitz vieler kleiner Aktionäre, würde sich das Volumen auf diese verteilen. Nur wenn es verstaatlicht würde, verschwänden die Emissionen aus der Oxfam-Bilanz der Weltbevölkerung. Nicht jedoch aus der Atmosphäre.

Tatsächlich bemüht sich Republic Services nach eigenen Angaben um klimaschonendere Technologien und möchte die Emissionen bis 2030 um 35 Prozent reduzieren. Es stellte in diesem Jahr den ersten elektrisch betriebenen „Recycling- und Abfallentsorgungs-Lkw der gesamten Branche“ vor. Doch selbst wenn die Reduktion der Emissionen um 35 Prozent gelingt, bliebe Bill Gates weiterhin einer der schlimmsten CO2-Emittenten der Welt.

Egal ob man der Methodologie von Oxfam folgt oder sie für falsch hält – den Vorwurf, das reichste Prozent der Weltbevölkerung „verursache so viele Treibhausgase wie die ärmeren zwei Drittel der Weltbevölkerung“, mit ihrem „extremen Konsum“ zu verknüpfen, ist in jedem Fall irreführend.

Dieser Beitrag steht mit umfangreichen Zusatzinhalten für den Unterricht auf WAS JETZT SCHULE zur Verfügung.
Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur