Vilimsky liegt falsch: Weihnachtsmarkt nicht von Muezzin eröffnet

Die FPÖ ortet eine „Unterwerfung“, weil ein deutscher Weihnachtsmarkt angeblich von einem Muezzin eröffnet wurde. Das ist allerdings ein Weihnachtsmärchen.

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Wenn die erste Kerze am Adventskranz brennt und der Nikolaus Anfang Dezember Geschenke bringt, dann läuft die FPÖ zu Hochtouren auf. Als prononcierter Traditions-Bewahrerin sind der freiheitlichen Partei weihnachtliche Bräuche ein besonderes Anliegen. „Nikolaus-Verbote“ sind ihr ein Dorn im Auge, das Christkind gilt es gegen den Weihnachtsmann zu verteidigen – und ein Ereignis in Deutschland regt zurzeit besonders auf. 

Ein Weihnachtsmarkt in Karlstadt, einer Kleinstadt im bayerischen Franken, soll durch den Ruf eines Muezzins eröffnet worden sein. Ein entsprechendes Video kursiert in den sozialen Medien, Politiker der deutschen Rechts-Partei AfD (Alternative für Deutschland) und der österreichischen FPÖ echauffieren sich. Darunter auch der FPÖ-Spitzenkandidat für die kommende EU-Wahl, Harald Vilimsky. 

Weihnachtsmarkt mit Muezzin-Ruf eröffnet. #unterwerfung

Freiheitlicher EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky, Twitter

Falsch

Vilimsky verlinkt in seinem Tweet die Nachrichtenplattform „Nius“, ein deutsches Online-Medium, für das prominente Namen wie der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt oder der ebenfalls von der „Bild“ kommende Journalist Ralf Schuler arbeiten. Die Plattform gibt es zwar erst seit Juli, sie sorgte aber schon für gehörig Wirbel: Im Sommer hatte sich die deutsche „Tagesschau“ in einem umfassenden Faktencheck mehrerer auf nius.de publizierter Aussagen zum Klimawandel angenommen, und der Medienjournalist Stefan Niggemeier schrieb im Oktober über Nius: „Es genügt ein Klick auf irgendeinen Artikel, irgendein zufälliges Video, und man sitzt mit offenem Mund vor den Abgründen aus Hass und Gehässigkeit, Verdrehungen und Verleumdungen, Manipulation und Wahn.“

Auch FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl äußerte sich auf Facebook zur Causa, teilte das Video und schrieb von der vermeintlichen Eröffnung des „vorweihnachtlichen“ Marktes durch „einen islamischen Gebetsgesang“. Er habe eine andere Vorstellung einer besinnlichen Adventszeit, so Kickl. Innerhalb weniger Tage zählte das Posting des FPÖ-Chefs fast 1000 Kommentare und hunderte Likes. 

Ein Faktencheck zeigt: Das Video ist zwar echt, der Bürgermeister der Kleinstadt, Michael Hombach von der CSU (Christlich-Soziale Union), widerspricht der Darstellung von Kickl und Vilimsky allerdings auf profil-Anfrage: „Der Andreasmarkt ist kein Weihnachtsmarkt und liegt nicht in der Adventszeit.“ Der Markt findet jedes Jahr im November unter einem anderen Motto statt. 2022 lautete es „Oh du schöne… Herbstzeit“ – und 2023 „Orient trifft Okzident“. 

Außerdem wurde der Markt durch ihn eröffnet, so der Bürgermeister, und nicht etwa durch einen „Muezzin-Ruf“ oder durch „Gebetsgesang“. Auch auf dem Plakat zur Veranstaltung steht: „Eröffnung durch Bürgermeister M. Hombach.“ 

Das weitere Programm des Marktes umfasste „kulinarische Köstlichkeiten und Live-Kochstation der Moscheen“ und „Bühnenprogramm mit musikalischer Darbietung, Sketche und Rollenspiele“. Im Rahmen der Vorstellung der Moscheen gab es auch Lesungen aus dem Koran, wie das Stadtmarketing bestätigt – davon kursiert das Video im Netz. Laut der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) handelt es sich bei dem kurzen Ausschnitt um den Beginn des islamischen Gebetsrufes. 

Verantwortlich für die Planung des Programms sei der Gewerbe- und Tourismusverein „Stadtmarketing Karlstadt” gewesen. Und: „Die Einladung, das Bühnenprogramm der im Jahresverlauf stattfindenden Märkte mitzugestalten, geht grundsätzlich an alle Vereine und anerkannten Glaubensgemeinschaften.“ 

Von den Kirchen oder Jugendgemeinschaften der Kirchen seien für den Andreasmarkt schlicht keine Angebote eingegangen, so das Stadtmarketing zu profil. 

„Nius“ war bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Auch Harald Vilimsky hat nicht auf eine Anfrage reagiert. 

Aus dem freiheitlichen Parlamentsklub heißt es zum Posting von Herbert Kickl: „Der vorweihnachtliche Andreasmarkt ist nicht nur nach dem Heiligen Andreas, einem der zwölf Jünger Jesu, benannt, auch der geschmückte Christbaum wird Ihnen ja wohl nicht entgangen sein. Was ein islamischer Gebetsgesang dort verloren hat, ist fraglich. Dass es diese islamischen Gebetsgesänge dort gegeben hat, ist aber wohl unbestritten.“ Ob es sich um die Eröffnung oder eine sonstige „Einlage“ handle, sei aus Sicht der FPÖ vernachlässigbar – und eine Ergänzung des Postings nicht erforderlich. 

Fazit: Beim Andreasmarkt handelt es sich weder um einen Weihnachtsmarkt, wie Vilimsky auf Twitter schreibt, noch wurde der Markt durch einen Muezzin-Ruf oder islamische Gebetsgesänge eröffnet – sondern durch den Karlstädter Bürgermeister Michael Hombach (CSU). Die Postings von Vilimsky und Kickl und die Headline von „Nius“ sind falsch. Auch BR24 berichtet über die Falschinformationen

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.