Faktencheck

Mit Vollgas daneben: FPÖ glaubt, Tempo 150 verhindert Inflation

Die FPÖ will schneller fahren und damit Inflation verhindern – warum diese Rechnung nicht aufgeht.

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Udo Landbauer möchte „die Steinzeit“ verlassen – mit diesem Bild illustrierte der niederösterreichische FPÖ-Chef und Landeshauptfrau-Stellvertreter seine Forderung nach Tempo 150 auf Autobahnen. Auf dem Beifahrersitz nahm Landbauers oberösterreichischer Parteikollege Platz: Verkehrslandesrat Günther Steinkellner verkündete, auch er könne sich eine Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit vorstellen. 

Den Blauen geht es dabei nicht nur um Fahrspaß: Tempo 150 soll laut Steinkellner sogar „weitere Inflation verhindern.“

Schnelles Fahren bedeutet weniger Zeit und verhindert weitere Inflation.

Günther Steinkellner, FPÖ-Verkehrslandesrat in Oberösterreich

Aussendung, 8. Oktober 2023

Unbelegt

Eine „wirklich weit hergeholte“ Schlussfolgerung, wie der Präsident des Fiskalrates Christoph Badelt auf profil-Anfrage meint: „Nach dieser Logik wäre ja gar nicht fahren inflationstreibend.“

Auf Anfrage konkretisiert der Landesrat: „Zeit ist Geld, heißt es im Volksmund. Vice versa bedeutet mehr Transportzeit auch höhere Kosten.“

Diese Rechnung geht aber nicht auf: „Der Großteil der Güter wird in LKWs transportiert, die gar nicht in die Nähe von Tempo 150 kommen und keinen echten Zeitgewinn hätten. Sollten die Unfälle zunehmen, dann könnte das höhere Tempolimit den anderen Verkehr sogar eher bremsen“, so Wirtschaftsforscher Josef Baumgartner vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Verkehrsplaner Günter Emberger ergänzt: „Neben der Unfallhäufigkeit nimmt auch die Unfallschwere zu, wenn langsame und schnelle Fahrzeuge dieselbe Autobahn benutzten.“ Auch der Spritverbrauch steigt mit erhöhter Geschwindigkeit an – und damit die Spritkosten. 

Zwar spielen Transportzeiten und Treibstoffverbrauch eine Rolle in der Kalkulation der Preise und haben damit auch eine Auswirkung auf die Inflationsrate. Aber: „Es gibt keine Untersuchungen und Studien dazu, wie sich Tempoerhöhungen unmittelbar auf die Inflation auswirken“, so Wirtschaftsforscher Baumgartner. Und: „Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass Tempo 150 irgendeinen inflationsdämpfenden Effekt hätte und schon gar nicht, dass man dadurch Inflation zur Gänze verhindern könnte.“ 

Fazit

Die Behauptung, Tempo 150 würde eine weitere Inflation in Österreich „verhindern“ ist somit unbelegt – es liegt keine Evidenz dafür vor.

Für mich ist durchaus denkbar, dass wir in jenen Bereichen, wo die Autobahn drei Fahrstreifen hat und keine Luftbelastung verursacht wird, 150 km/h ermöglichen.

Günther Steinkellner, FPÖ-Verkehrslandesrat in Oberösterreich

Aussendung, 8. Oktober 2023

Falsch

Bleibt die Frage, auf welchen Autobahnabschnitten sich Tempo 150 überhaupt umsetzen ließe. Laut Verkehrslandesrat Steinkellner soll eine Strecke dafür zumindest zwei Voraussetzungen erfüllen: Die Autobahn muss mindestens drei Fahrstreifen haben und es soll „keine Luftbelastung verursacht werden“. Laut ÖAMTC wäre eine Strecke ohne zusätzliche Luftbelastung bei Tempo 150 nur „theoretisch“ möglich – wenn sich beispielsweise der Anteil an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben signifikant vergrößern würde.

Landesrat Steinkellner dazu auf Anfrage: „Durch die moderne Motorentechnologie, gekoppelt mit hochentwickelter Abgasreinigung wird die Schadstoffbelastung nicht erheblich steigen.“ 

Bei aktuellen Verbrennungsmotoren führt Tempo 150 aber unweigerlich zu deutlich höherem CO2-Ausstoß, wie der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) vorrechnet: „Der Spritverbrauch und damit auch der CO2-Ausstoß ist bei 150 km/h um rund 20 Prozent höher als bei 130 km/h.“ Auch das Umweltbundesamt, das Klimaministerium, der ÖAMTC und Mobilitätsexperten bestätigen den Anstieg. „Neben der kinetischen Energie nimmt auch der Luftwiderstand mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zu – es ist also bei einer höheren Geschwindigkeit auch mit einer Erhöhung der Energiemenge und damit mit einer Erhöhung der Schadstoffbelastung – fossil oder elektrisch – zu rechnen. So ist die Physik nun mal, das kann man leider nicht ändern“, erklärt Verkehrsplaner Emberger. Sogar Landesrat Steinkellner räumt ein: Die Gutachten der bis 2020 bestehenden Tempo-140-Teststrecke in Oberösterreich würden eine Zunahme von Kohlendioxid und Stickoxiden zeigen, allerdings nur „um geringfügige ein bis zwei Prozentpunkte.“ 

Die Verkehrsforscher Wolfgang Josef Berger und Astrid Gühnemann geben außerdem zu bedenken, dass ein weiterer Faktor zu mehr Luftverschmutzung führt – auch bei Elektroautos: „Höheres Tempo führt zu mehr Bremsabrieb und mehr Reifenabrieb. Dadurch gelangt schädliches Mikroplastik in die Luft.“ 

„Strecken ‚ohne Luftbelastung‘ gibt es nicht, man kann höchstens schauen, ob für lokale Bevölkerung oder Ökosysteme schädliche Grenzwerte überschritten würden“, so die Forscher weiter. 

Fazit

Mit 150 km/h unterwegs zu sein und dabei keine Luftbelastung zu verursachen, ist also mit aktuellen Fahrzeugen unmöglich – und die Argumentation des FPÖ-Landesrates falsch.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.