Grundstück-Deals: Aussage von ÖVP-General Stocker ist irreführend

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker fordert nach dem Kleingarten-Deal, dass der involvierte SPÖ-Bezirksvorsteher sein Amt “ruhend stellt”. Schließlich hätten das Vertreter anderer Parteien “in vergleichbaren Situationen” ebenfalls getan. Belege dafür legte Stocker keine vor.

Drucken

Schriftgröße

In vergleichbaren Situationen [bei Grundstück-Deals, Anm.] mussten Vertreter anderer Parteien ihre Ämter ruhend stellen, bis es zu einer umfassenden Klärung der Vorwürfe kam.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker

23. September 2023

Irreführend

Das mit den Umwidmungen ist so eine Sache. Sie passieren recht schnell und man bekommt sie erst so richtig mit, wenn sie einem Bürgermeister oder Bezirksvorsteher unangenehme Schlagzeilen bescheren. Man denke an die Klein-Dubai-Causa in Grafenwörth oder an die Schrebergarten-Affäre in der Donaustadt. Apropos Donaustadt. Christian Stocker, Generalsekretär der Volkspartei, forderte in der Causa rund um SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy in einer Aussendung vom 23. September: „Politische Verantwortung muss endlich auch für die SPÖ gelten - das Messen mit zweierlei Maß muss ein Ende haben.“ Und er forderte die „roten Umwidmungs-Spekulanten“ dazu auf, ihr Amt bis zu einer umfassenden Klärung ruhend zu stellen. Denn, so die Argumentation des ÖVP-Generals: “In vergleichbaren Situationen mussten Vertreter anderer Parteien ihre Ämter ruhend stellen, bis es zu einer umfassenden Klärung der Vorwürfe kam.” Wen er damit meint? Stocker reagierte auf Nachfrage nicht. profil hat ähnlich gelagerte Fälle analysiert.

Was rechtlich möglich wäre

Rechtlich gesehen können weder Bürgermeister noch Bezirksvorsteher ihre Ämter ruhend stellen. Die Wiener Stadtverfassung erlaubt es Bezirksvorstehern wie Nevrivy allerdings, einen ihrer Stellvertreter mit der Amtsführung zu betrauen, sollten sie “vorübergehend verhindert” sein.

Ähnliches wäre auch in Gemeinden denkbar: “Formell kann man sein Amt nicht ruhendstellen. Die bestehende Rechtslage erlaubt aber sicher eine gewisse Flexibilität. Ein Bürgermeister kann natürlich schon sagen: Ich gehe einen Monat oder zwei Monate in eine Auszeit und lasse mich vom Stellvertreter vertreten”, erklärt Verfassungsjurist Peter Bußjäger gegenüber profil.

Hat in der Vergangenheit ein Lokalpolitiker nach Vorwürfen der Bereicherung von dieser Option Gebrauch gemacht?

Bürgermeister Alfred Riedl (ÖVP), Grafenwörth

Die 3.000-Einwohner-Gemeinde Grafenwörth in Niederösterreich kommt seit geraumer Zeit nicht mehr aus den Schlagzeilen. Der Grund: ÖVP-Bürgermeister Alfred Riedl verdiente durch mehrere Grundstücksdeals eine Million Euro. An einem Foliensee sollen mehr als 200 Häuser entstehen, das Bauprojekt ist nicht nur wegen der Dimension - Stichwort: Versiegelung - umstritten. Für Kritik sorgt auch, dass das Projekt auf Grundstücken realisiert wird, die zuvor Riedl gehörten. Durch eine Umwidmung auf Bauland steigerte sich ihr Wert teils massiv und der Bürgermeister konnte sie mit großem Gewinn weiterverkaufen.

Seither wird öffentlich darüber diskutiert, ob sich Riedl seinen Informationsvorsprung als Bürgermeister privat vergolden ließ. Die niederösterreichische Gemeindeaufsicht prüft den Fall.

Als die Causa öffentlich wurde, stellte Riedl sein Amt als Präsident des österreichischen Gemeindebunds ruhend. Nun beziehen sich die Vorwürfe aber auf seine Funktion als Bürgermeister. Und da sieht die Sache für Riedl wieder ganz anders aus. In der letzten Gemeinderatssitzung bekräftigte er laut NÖN sogar: „Ich werde nicht zurücktreten! Ich habe nichts gestohlen, für mich sind die Anschuldigungen nicht nachvollziehbar!“ 

Michael Oberschil (ÖVP), Hagenbrunn

Im Mai 2023 wurden, ebenfalls in Niederösterreich, Vorwürfe laut, die Familie des Hagenbrunner Bürgermeisters Michael Oberschil würde persönlich von einer Umwidmung profitieren. Eine Auszeit erfolgte nicht.

Andreas Rabl (FPÖ), Wels

Weiter nach Oberösterreich. Der Garten des Welser Bürgermeisters Andreas Rabl taucht immer wieder in den Medien auf. Seine Frau erwarb 2020 ein Grundstück im südlichen Teil des Lokalbahnhof-Areals, um laut “Kronen Zeitung” den „Garten des Wohnhauses zu erweitern“. Nun wurde das Grundstück per Gemeinderatsbeschluss in die Kernzone übernommen. Das erleichtert eine Bebauung. “Das sei aber weder geplant, noch gewollt”, sagte eine Sprecherin der Welser Freiheitlichen gegenüber dem profil. Rabl nahm sich, Sie ahnen es, auch in diesem Fall keine Auszeit.

Helmut Walch (SPÖ), Wildon

Der Bürgermeister der Gemeinde Wildon in der Steiermark landete wegen eines Grundstück-Deals im Jahr 2017 sogar vor Gericht. Der Vorwurf: Er hätte ein Grundstück billig erworben und dann für die Umwidmung der Parzelle gesorgt. Schuldhaftes Verhalten konnte man ihm in einem Prozess zwar nicht nachweisen. In der Urteilsbegründung sagte der Richter dennoch: „Es macht kein gutes Licht, wie sie das gemacht haben.“ Walch war noch bis 2020 Bürgermeister von Wildon.

Dominik Mainusch (ÖVP), Fügen im Zillertal

2020 sah die Opposition im Gemeinderat in Fügen im Zillertal in Tirol eine schiefe Optik bei einem Grundstückskauf ihres Bürgermeisters Dominik Mainusch. Bevor man Freiland in Bauland umwidmete, sicherte sich Mainusch im betroffenen Gebiet einen 750 Quadratmeter großen Grund. Er stellte sein Amt nicht ruhend.

Landes- und Bundespolitik

Mit Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner gibt es in der ÖVP einen prominenten Mann, der sein Amt für zwei Monate pausierte. Damals war der Landeschef ins Visier der Justiz geraten. Nicht wegen Grundstücksdeals, sondern rund um die Inseratenaffäre des Wirtschaftsbundes. Allerdings war der offizielle Grund für Wallners Auszeit seine Gesundheit - und nicht die Ermittlungen. Das zeigt sich auch daran, dass Wallner zurückkehrte, bevor die Ermittlungen gegen ihn eingestellt wurden.

Die zahlreichen Vertreter der ÖVP-Bundespartei, die ihre Funktion trotz laufenden Ermittlungen nicht beziehungsweise nicht sofort ruhendstellten, können an dieser Stelle als bekannt vorausgesetzt werden.

Fazit

Anders als Stocker in Bezug auf den Kleingarten-Deal von SPÖ-Bezirksvorsteher Nevrivy behauptet, kam es “in vergleichbaren Situationen” zu keiner Ruhendstellung der Ämter von (Lokal-)Politikern. Zwar stellte Grafenwörths ÖVP-Bürgermeister Riedl seine Gemeindebund-Funktion ruhend, die Vorwürfe zu seinen Grundstücks-Deals betreffen aber sein Amt als Ortschef. Und da denkt Riedl nicht daran, Konsequenzen zu ziehen. Ruhendstellen könnten er und Nevrivy ihre Ämter gar nicht. Sie könnten aber eine Auszeit nehmen.

Eva  Sager

Eva Sager

seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.