Faktencheck: SPÖ-Konflikt-Spezial

Rendi-Wagners Angaben zu Kinderarmut sind irreführend

Kinderarmut ist auch im Jahr 2023 eine traurige Realität in Österreich. Aber muss wirklich jedes fünfte Kind im Winter frieren, wie SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner behauptet? Zum Glück nicht.

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Im Winter die Heizung nicht aufdrehen. Toastbrot zum Abendessen. Kein Geld für Schuhe, kein Geld für Sport, Musik, einen Nachmittag mit Freunden: Das ist Realität für jedes fünfte Kind in Österreich. (…) Die Kinderarmut wächst sogar.

Pamela Rendi-Wagner

SPÖ-Parteivorsitzende, „Plan für Österreich“

Unbelegt

Obwohl Österreich zu den reichsten Ländern Europas zählt, ist Kinderarmut ein reales Problem. Die Armutsgefährdung der Unter-17-Jährigen entspricht dem EU-Schnitt. Nicht umsonst adressiert Pamela Rendi-Wagner die Thematik. Mittels Kindergrundsicherung – jedes Kind erhält einen Grundbetrag, den es zum Leben braucht – sowie der Garantie auf einen Bildungsplatz und warmen, gesunden Mahlzeiten will die SPÖ-Parteichefin der jungen Generation „ein Recht auf ein gutes Leben“ ermöglichen. Wie dramatisch die Situation ist, beschreibt Rendi-Wagner in ihrem „Plan für Österreich“ so: „Im Winter die Heizung nicht aufdrehen. Toastbrot zum Abendessen. Kein Geld für Schuhe, kein Geld für Sport, Musik, einen Nachmittag mit Freunden: Das ist Realität für jedes fünfte Kind in Österreich. (…) Die Kinderarmut wächst sogar.“ Wie steht es darum tatsächlich?

Diakonie und Volkshilfe zeigen sich in jedem Fall alarmiert: „Von Armut betroffen ist nicht nur, wer kein Dach über dem Kopf oder nichts zu essen hat. Armut hat viele Gesichter. In Österreich sind vor allem Frauen und Kinder betroffen.“ Stimmt, belegen aktuelle Zahlen der Statistik Austria, auf deren Auswertungen auch das Büro von Rendi-Wagner verweist: 20 Prozent aller Kinder bis 19 Jahre in Österreich sind armutsgefährdet, das sind rund 358.000. Die Armutsgefährdung wird über eine Schwelle definiert, die bei 60 Prozent des Median-Pro-Kopf-Haushaltseinkommens angesetzt ist. Für einen Einpersonenhaushalt liegt der Wert bei 1.392 Euro im Monat; für Mehrpersonen-Haushalte erhöht sich der Betrag um 696 Euro pro Erwachsenen und um 418 Euro pro Kind. 

Allerdings bedeutet das nicht, dass es für jedes fünfte Kind Realität ist, im Winter zu frieren, Toastbrot zu essen oder sich keine neuen Schuhe kaufen zu können, wie Rendi-Wagner anführt. Aus Detailauswertungen der Statistik Austria für 2022 geht hervor: Von den 358.000 armutsgefährdeten Kindern bis 19 Jahre können sich zehn Prozent nicht leisten, „jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder vegetarisch zu essen“. Das betrifft somit „nur“ zwei Prozent aller Kinder bis 19 Jahre in Österreich (und nicht jedes fünfte, wie behauptet). Rund sieben Prozent aller armutsgefährdeten Kinder leben in Haushalten, die kein Geld für den Kauf neuer Kleidung haben; „lediglich“ vier Prozent in Haushalten, die sich nicht leisten können, ihre Wohnung angemessen warm zu halten. Rendi-Wagners Beispiele sind zwar real, sie betreffen aber deutlich weniger Kinder, als sie behauptet.

Dass die Kinderarmut wächst, trifft so ebenfalls nicht zu; sie stagniert vielmehr auf hohem Niveau, beklagt die Volkshilfe gegenüber profil. „Die Kennzahlen der letzten vier Jahre deuten auf keine starke Veränderung hin, sowohl anteilmäßig als auch in absoluten Zahlen“, heißt es von Seiten der Statistik Austria.

Fest steht: Der vergangene Winter war für viele Familien mit niedrigem Haushaltseinkommen angesichts der Teuerung besonders belastend. Und: Jedes fünfte Kind in Österreich bis 19 Jahre ist armutsgefährdet. Die von Rendi-Wagner angeführten Beispiele zur Verdeutlichung der Dramatik sind jedoch als irreführend einzustufen.

faktiv-Spezial

Dieser Text ist Teil einer Faktencheck-Serie zum Rennen um den SPÖ-Vorsitz. Dabei unterzieht die faktiv-Redaktion zentrale Positionen und Ideen der drei Bewerber einer genauen Prüfung.

Katharina Zwins

Katharina Zwins

war Redakteurin bei profil und Mitbegründerin des Faktenchecks faktiv.