2018 im schnellen Rücklauf

Zeremonien-Pannen, "Signature"-Frisuren, Modernisierungs-Gewinner, eine Granny-Offensive und #Metoo-bedingter Schichtwechsel.

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FRISUR DES JAHRES

Schur fixe

Ihr Garçon-Schnitt ist bereits eine Trademark. Lange wird es nicht dauern, und der Look wird hemmungslos kopiert werden. Pamela Rendi-Wagner, 47, reaktiviert mit dem Haarstil, für den man früher das aus der Mode gekommene Adjektiv "flott" verwendet hätte, das Flair der 1920er-Jahre. Die sogenannten "flapper girls" signalisierten mit dem damals radikalen Schnitt Unabhängigkeit, Rebellion gegen Konventionen und Individualismus. Berühmt machten den Bubi-Kopf, auch Bob-Variante genannt, die Stummfilmstars Louise Brooks und Asta Nielsen. Twiggy und Jean Seberg erkoren Garçon-Varianten in den 1960er-Jahren zu ihrer "signature"-Frisur, um klarzustellen, dass die Zeit der anschmiegsamen Puppenfrauen vorbei war. Auch Lady Diana ließ sich ihre Frisur nach der Scheidung von Prince Charles auf Bubi-Länge kürzen. Während der #metoo-Debatte schritten Stars wie Kristen Stewart und Cara Delevingne zur Schur-Subtext: Zeit für Amazonen, Jagdzeit auf sexistische Saurier. Und Kampfgeist, wie ihn die neue SPÖ-Chefin auf dem Parteitag in Wels zeigte.

FAUX PAS DES JAHRES

Der Knicks-Knacks

Die Fotos vom Knicks der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl vor Wladimir Putin während der Hochzeitssause gingen um die Welt. Die Geste war nicht nur aus diplomatischer Sicht höchst fragwürdig, sondern auch ein Etiketten-Fehltritt. Das leichte Einknicken beider Knie ist im großbürgerlichen Universum auf kleine Mädchen beschränkt, die Erwachsenen ihre Ehrerbietung erweisen. In Royals-Kreisen gilt die königliche Kniebeuge als Geste der Unterwürfigkeit vor Ranghöheren. So musste kürzlich die schwedische Kronprinzessin vor dem japanischen Kaiser in die Knie gehen, was angesichts der überschaubaren Größe des Herrschers nicht frei von Komik war. Auch die dänische Prinzessin Mary beugt die Knie, wenn sie den niederländischen König begrüßt. Der Knicks-Knigge des britischen Königshauses ist besonders gefinkelt: Trifft Herzogin Kate allein auf Camilla, muss sie vor der Schwiegermutter in die Knie gehen. Ist jedoch Thronfolger William an ihrer Seite, dreht sich der Spieß um.

OMAS DES JAHRES

Alter ist die neue Jugend

Iris Apfel, 97, läutete vor einigen Jahren die Age-is-cool-Bewegung ein. Der New Yorker Blogger Ari Seth Cohen bereitete in der Folge das Terrain mit seiner Rubrik "Advanced Style", in der er hip gestylte Seniorinnen präsentiert. In diesem Jahr wurden solche Frauen zwischen 60 und 100 zu "Botschafterinnen des Alters", so Seth. Lyn Slater, 64, mit ihrem Instagram-Account @iconaccidental oder die 94-jährige Emiko Mori gehören dazu. "Diese Frauen", so die britische Soziologin Marie Stafford, die das Phänomen unter dem Titel "Elastic Generation" untersuchte, "geben uns eine wichtige Botschaft: Alter diktiert nicht mehr unseren Lebensstil. Es sind Gesundheit, Lebenseinstellung und natürlich auch finanzielle Möglichkeiten."

KONTAKTPFLEGE DES JAHRES

Berührende Momente

Wir alle haben ein Meghan-Markle-Burnout; die Rundumversorgung der Boulevardmedien zum Thema Hochzeitskleid, Wohnsitz, Kosten der Maniküre etc. war einfach zu üppig ausgefallen. Dennoch sind Meghans ständige Handgriffe nach Prinz Harry auf sämtlichen Reisen immer wieder ergreifend - umso mehr, als Verhaltensforscher herausgefunden haben, dass Paare von unterschiedlichem sozialen Status generell weitaus zurückhaltender sind, was ihren PDA-Faktor ("public display of affection") betrifft. Die Herzogin von Sussex bricht auch hier erfolgreich mit Traditionen. Nur die Queen is not amused, wenn in ihrer Anwesenheit haptische Zärtlichkeiten ausgetauscht werden.

MUTTERKONZEPT DES JA H R E S

Beate Meinl-Reisinger

Familie modern

Elisabeth Köstinger, Ministerin für Nachhaltigkeit, machte vor, wie es gehen kann: Nach zweimonatiger Babypause kehrte sie im September in ihr Amt zurück; Lebensgefährte Thomas Kassl ging dafür für zwei Jahre in die Väterkarenz. Da Köstinger noch stillt, begleiten Vater und Sohn Lorenz sie bei Dienstreisen, jüngst zur Umweltkonferenz in Kattowitz. In einem Land, in dem Frauen so lange in Karenz gehen wie in keinem anderen in Europa, wirkt ein solches Verhalten vorbildhaft und erleichternd - für andere Mütter, aber auch Väter. Die neue Chefin der NEOS, Beate Meinl-Reisinger, die ihr drittes Kind im April erwartet, will die Babypause ebenfalls kurz halten. Nach der Geburt des Kindes wird ihr Ehemann, ein Richter, in Karenz gehen. Solche Männer braucht das Land.

SCHICHTWECHSEL DES JAHRES

Die Schlagkraft von #Metoo

201 Männer verloren im Zuge der #Metoo-Debatte in den USA Jobs. 124 von ihnen wurden ersetzt, allerdings noch immer zugunsten des stark geschwächten Geschlechts: Die "New York Times", jenes Medium, das die Debatte ins Rollen gebracht hatte, erhob, dass 54 Frauen und 70 Männer die Nachfolge der gefeuerten Männer antraten. Die prominentesten Ersatzspielerinnen: Robin Wright löste in der Netflix-Serie "House of Cards" ihren bisherigen Partner Kevin Spacey in der Präsidentenrolle ab; laut Insidern wird Spacey in Hollywood wohl nie wieder Fuß fassen. Christiane Amanpour, frühere CNN-Kriegsreporterin, übernimmt den Moderationsjob von Charlie Rose bei CBS. Die NBC-Unterhaltungschefin Jennifer Salke beerbt Roy Price als Boss der Amazon-Studios, der eine Produzentin 2015 belästigt hatte.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.