Heimat, fremde Heimat

Auer-Welsbach-Park, Wien: An der Ausfallstraße

Die Sommerferien sind auch nicht mehr, was sie einmal waren. Die Corona-Saison 2020 beschert vielen Österreicherinnen und Österreichern einen unverhofften Heimaturlaub. Was man da so alles erleben kann-und was man besser bleiben lässt: 20 Tipps zwischen Militärbad und Kreisverkehr.

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Wer Wien kennenlernen will, der kommt in den Auer-Welsbach-Park. Zumindest scheinen das viele Touristen so zu sehen. Regelmäßig stehen sie in kleinen Gruppen am Eingang zum Park im 15. Bezirk, schauen auf ihr Handy und dann verdutzt auf die Bäume vor ihnen. Handy, Bäume, Handy, Bäume. "Entschuldigen Sie, Schönbrunn?", fragen sie mich dann oft, wenn ich am Weg von der U-Bahn durch den Park gehe. "Ja, hier", bin ich manchmal geneigt zu sagen. Aus Mitleid erkläre ich ihnen dann doch, dass sich das Habsburgerschloss auf der anderen Seite der gleichnamigen U-Bahn-Station befindet. Dazwischen liegen 100 Jahre Stadtgeschichte. In Schönbrunn kann man die Vergangenheit besichtigen, im Auer-Welsbach- Park die Gegenwart erleben. Eingekastelt zwischen zwei Autobahnzubringer, treffen sich hier junge Frauen zum abendlichen Yoga, türkisch-österreichische Familien schmeißen rauschende Feste, und ältere Herren und Damen üben sich in der Kunst der Tai-Chi-Entspannung. Am Rande des AWP (so wird der Park von den Einheimischen genannt) sorgt "Radler's Grill-Imbiss" für Würstel, Bier und Nachbarschaftstratsch.

Hier, im einkommensschwächsten Bezirk der Stadt, kommt das moderne Wien zusammen. Nur eine Straßenüberquerung von seiner verkitschten Vergangenheit entfernt. Und wer vom AWP in Richtung Innenstadt schlendern möchte, der tut das am besten über die Mariahilfer Straße, die direkt am Park endet. Vorbei an alten Blumengeschäften, kleinen Marktständen und bosnischen Cevapcici-Buden erreicht man in 20 Minuten den funkelnden Teil der Einkaufsmeile. Ich würde mich jedoch beeilen, denn es dürfte nicht mehr lange dauern, bis die Touristengruppen im AWP auf ihr Handy starren und mich hoffnungsfroh fragen: "Auer-Welsbach-Park?"

Lesen Sie in profil 29/2020: Mitte Juli, höchste Reisezeit. Coronabedingt liegt in diesem Jahr ein Urlaub im eigenen Land nahe. Aber wohin genau? Es ist ein weites Feld, das sich da zwischen Bodensee und Zurndorf auftut. Die profil-Redaktion hat das Land erkundet und legt 20 unverbindliche Reiseempfehlungen vor. Es geht zu egalitären Badeseen und ziellosen Orten, Raststationen und Umsteigebahnhöfen. Es geht unter Wasser und auf die Landstraße. Betonmauern, urbane Gstätten und historische Schädelsammlungen werden erkundet, Badeseen von oben und unten betrachtet, Selbst-,Fremd-und Nahtoderfahrungen gemacht. In diesem Sinne: Gute Reise!