Klimakrise
Bestsellerautorin Amelie Fried: „Was, wenn eines meiner Kinder da kleben würde?“
Die deutsche Bestsellerautorin und Moderatorin Amelie Fried hat einen berührenden Mutter-Tochter-Roman über die Klimakrise geschrieben.
Von Franziska Dzugan
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In Ihren Büchern ging es bisher hauptsächlich um Beziehungen, Familien und die Liebe. Hatten Sie keine Angst, Ihre Leserinnen und Leser mit der Klimakrise zu vergraulen?
Fried
Darüber habe ich mit dem Verlag gesprochen, als mir die Idee kam. Aber wir kamen zu dem Schluss, dass man das Thema auf spannende Weise auch in einem Unterhaltungsroman erzählen kann. Außerdem geht es in meinen Büchern immer auch um gesellschaftlich relevante Themen. Ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht, ich sei so eine Liebesschmonzetten-Autorin. Das bin ich tatsächlich nicht.
Woher kam die Idee, über Klimakleber, Hungerstreiks und die Autoindustrie zu schreiben?
Fried
Mich hat es bewegt, als ich die ersten Menschen gesehen habe, die sich auf die Straße klebten. Junge Menschen, die sich beschimpfen und bespucken lassen, die von der Polizei oft brutal weggerissen werden und die einen ungeheuren Hass auf sich ziehen. Ich habe eine Tochter, die demnächst 30 wird, und einen Sohn mit 33 Jahren. Dann habe ich mich gefragt: Was wäre, wenn eines meiner Kinder da kleben würde? Eigentlich müsste ich meinem Kind sagen: Ich teile dein Anliegen. Ich habe Angst, dass du verletzt wirst, dass du vor Gericht landest. Das war der Ausgangspunkt für das Buch.
Die Hauptfigur Ihres Mutter-Tochter-Romans „Der längste Sommer ihres Lebens“ ist Chefin eines Autohauses und angehende Bürgermeisterin.
Fried
Pünktlich zum Beginn des Wahlkampfs klebt sich Claudias Tochter Anouk das erste Mal auf die Straße. Das gibt sehr schlechte Presse, so nach dem Motto: Wenn du schon deine eigene Tochter nicht im Griff hast, wie willst du dann eine Stadt regieren? Für die Hauptfigur ist das richtig schwer, weil sie keine blöde Klimaleugnerin ist, sondern auch findet, dass ihre Tochter recht hat – aber ihr Lebenstraum damit in Gefahr gerät. In einem ähnlichen, vielleicht nicht ganz so starken Konflikt sind wir doch eigentlich alle jeden Tag. Im Grunde genommen wissen wir, dass diese Leute uns nur auf etwas hinweisen, was wir nicht mehr leugnen können. Aber wir wollen uns das Leben nicht vermiesen lassen.
Ist das Kleben auf der Straße der richtige Weg? Im Grunde werden da Menschen verärgert, die das System schwer ändern können.
Fried
Darüber kann man lange streiten. Ich persönlich habe da meine Zweifel. Andererseits gab es in der Geschichte immer wieder Beispiele, dass ziviler Ungehorsam notwendig ist. Etwa Rosa Parks, die das Sitzverbot für Schwarze im Bus nicht mehr akzeptierte. Ich verstehe, dass junge Leute wütend sind, weil unsere Regierung ihren Job nicht macht.
Wie wütend sind denn Sie auf die Politik?
Fried
Wer kann in diesen Zeiten mit der Politik zufrieden sein? Ich sehe mit großen Bedenken, dass in Europa die Klimaziele immer weiter in den Hintergrund rücken. Der Green Deal wird ersetzt durch eine wirtschaftsfreundlichere Politik, es geht wieder mehr um Wettbewerbsfähigkeit. Das kann nicht in unserem Interesse sein.
Der Bestsellerautor und ehemalige Werbetexter Marc Elsberg meinte im profil-Podcast, man sollte den Klimaaktivistinnen eine wirklich gute PR-Agentur empfehlen. Sehen Sie das auch so?
Fried
In einem Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ wurde kürzlich analysiert, dass Menschen überhaupt nicht zu erreichen sind, wenn man ihnen sagt, sie sollen auf etwas verzichten. Es wäre vielmehr wichtig, das Positive herauszuarbeiten, das wir gemeinsam erreichen wollen. Ich glaube, das ist der richtige Ansatz. Denn wenn man die Bürger gegen sich hat, die alle wütend sind, weil sie im Stau stehen, dann macht man es der Politik wahnsinnig leicht, das eigene Anliegen zu ignorieren. Und manche dieser jungen Aktivisten haben sich auch in eine Opferrolle drängen lassen.
Einige von ihnen stehen in Deutschland vor Gericht.
Fried
Es gibt diesen aus meiner Sicht völlig abwegigen Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Trotzdem glaube ich, dass es am Ende zu nichts führt, wenn man sich zu massiv gegen einen Staat stellt, der am Ende immer stärker ist. Man muss andere Mittel finden. Aber wenn ich wüsste, wie man es besser machen könnte, dann wäre ich längst die PR-Beraterin dieser Bewegung.
Sie recherchieren sehr genau in den Milieus, über die Sie schreiben. Waren Sie auch in Autohäusern?
Fried
Ich war in einem Autohaus ziemlich ähnlich dem, das ich im Buch beschreibe. Es liegt auch in der Provinz, hat viele Filialen und ist ein großer Arbeitgeber in der Region. Menschen, die Autos mögen, sind nicht automatisch Klimaleugner oder Ignoranten. Es sind oft sehr engagierte Leute, die den Klimawandel begriffen haben und ihr Angebot in Richtung Elektromobilität umstellen.
Das Credo vieler Wirtschaftsgrößen war bisher, sich zumindest vordergründig aus der Politik rauszuhalten. Verändert sich das gerade?
Fried
Ja, zum Glück. Es gibt zum Beispiel eine Initiative in Sachsen, wo sich Unternehmen ganz klar gegen die AfD aussprechen, auch weil ihnen klar ist, dass eine AfD-Regierung eine Schwächung des Wirtschaftsstandortes bedeutet. Auch beim Klima wissen die meisten Unternehmen, dass es ein riesiger Wettbewerbsnachteil sein wird, wenn sie die grüne Transformation nicht schaffen. Sie sind da in manchen Punkten der Politik voraus.
Sie haben auch mit Eltern gesprochen, deren Kinder sich im Klimastreik fast zu Tode gehungert haben.
Fried
Ich habe erschütternde Schilderungen gehört, zum Beispiel vom Vater eines dieser jungen Männer, die im ersten Hungerstreik 2021 in Berlin vor dem Reichstag dabei waren. Der Sohn landete nach 27 Tagen auf der Intensivstation, und sein Vater wusste nicht, ob er überleben wird. Das ging mir sehr unter die Haut.
Auch hier stand der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Raum.
Fried
Der Vater beschrieb, wie die Polizei frühmorgens sein Haus auf den Kopf stellte, obwohl der Sohn längst nicht mehr dort wohnte. Er hat das als Schikane empfunden, was ich nachvollziehen kann. Was haben die Polizisten da gesucht? Er meint, man wollte ihn einfach nur einschüchtern. Solche Dinge tragen nicht dazu bei, das Vertrauen in den Staat und in die Politik zu fördern. Das ist einfach viel zu konfrontativ, viel zu wenig konstruktiv und dialogisch. Das bedauere ich sehr.
Wie ist denn die Geschichte mit diesem jungen Hungerstreikenden ausgegangen?
Fried
Er hat überlebt, aber es ging ihm wirklich sehr schlecht gegen Ende. Auch kürzlich gab es wieder einen Hungerstreik mit mehreren Beteiligten. Einer dieser Männer hat 92 Tage lang gehungert. Unvorstellbar. Er hatte nur einen einzigen Wunsch, nämlich dass Kanzler Olaf Scholz ehrlich sagt, wo wir in der Klimakrise stehen. Das ist im Grunde eine harmlose Forderung. Aber natürlich kann sich ein Staat nicht in dieser Form erpressen lassen. Da läuft schon lange etwas schief, und man hätte viel früher ansetzen müssen mit dem Dialog.
Hatten Sie während der Recherchen das Gefühl, die Klimabewegung könnte sich radikalisieren?
Fried
Jene, die ich getroffen habe, haben die Gewaltfreiheit immer hochgehalten. Das habe ich sehr bewundert, ich weiß nicht, ob ich das an ihrer Stelle durchgehalten hätte. Ich kann mir trotzdem vorstellen, dass es möglicherweise Einzelne gibt, die irgendwann so weit sind, anders Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt. Es würde der Sache enorm schaden.
Viele Ihrer Romane wurden verfilmt. Gibt es zum aktuellen Buch bereits Anfragen aus der Filmbranche?
Fried
Es gibt Gespräche meiner Agentur mit Interessenten. Aber eine Verfilmung ist heute schwer, weil die Konkurrenz der Streamingdienste so groß ist.
Würden Sie an dem Drehbuch mitarbeiten wollen?
Fried
Bei uns ist mein Mann Peter Probst der Drehbuchautor, der von meinen früheren Romanen einige umgearbeitet hat. Aber ich würde mich schon freuen, wenn ich da einen gewissen Einfluss hätte. Davon sind wir aber noch ein ganzes Stück entfernt.
Sie schreiben bereits am nächsten Buch. Worum geht es?
Fried
Ich kann noch nicht viel verraten. Aber es wird um soziale Spaltung gehen, um die Schere zwischen Arm und Reich und um die Bildungschancen von Kindern.
Bei Ihren Lesungen zum aktuellen Roman gibt es immer wieder Zwischenrufe. Wie reagieren Sie darauf?
Fried
Ich höre da durchaus die eine oder andere kritische Stimme. Ich muss dann immer klar machen, dass ich nicht die Anwältin der Klimaaktivisten bin, sondern dass ich nur über sie erzähle. Das war manchmal ein bisschen schwierig. Aber es sind sehr spannende Gespräche entstanden, und ich glaube, es ist mir gelungen, dass viele am Ende Verständnis für beide Seiten haben. Das ist das Schönste, was ich mir vorstellen kann.
Amelie Fried, 65,
zählt zu den bekanntesten Gesichtern Deutschlands. Ab 1984 moderierte sie „Stern-TV“ und „Live aus dem Alabama“, von 1998 bis 2009 präsentierte sie mit Giovanni di Lorenzo Deutschlands älteste Talkshow „3 nach 9“. Ihr erster Roman „Traumfrau mit Nebenwirkungen“ wurde 1996 zum Bestseller, viele weitere folgten. Mit ihrem Mann, dem Drehbuchautor Peter Probst (Foto links), verfasste die Münchnerin 2012 den Sachbuch-Bestseller „Verliebt, verlobt, verrückt? – Warum alles gegen die Ehe spricht und noch mehr dafür“.
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Franziska Dzugan
schreibt für das Wissenschaftsressort.