Martin S. (Pseudonym) während seiner Bildungskarenz auf den Philippinen
Arbeitsmarkt

Bildungskarenz: Soziale Hängematte oder Aufstiegshilfe?

Die Bildungskarenz soll Arbeitnehmern den sozialen Aufstieg ermöglichen. Sehr oft wird die berufliche Auszeit aber schlicht dazu genutzt, um fern vom stressigen Arbeitsalltag die Welt zu bereisen – dank praktischer Online-Kurse und ganz legal.

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Ein Abendkurs entfällt, Lisa Steiner hat also Zeit, über sich zu erzählen. Ausnahmsweise. Einen Gesprächstermin mit der gebürtigen Wienerin zu vereinbaren, gestaltet sich schwierig. Zwischen Bürojob und Fortbildung bleibt wenig Zeit. Sport oder soziale Kontakte leiden, aber Steiners Ziel ist klar: Die 29-Jährige will eine eigene Veranstaltungsfirma gründen. Dass sie als ehemaliger Lehrling einmal so weit käme, hätte sie nie zu träumen gewagt.

Beruf und Weiterbildung unter einen Hut zu bringen, ist für viele Menschen schwierig bis unmöglich. Eben deshalb gibt es die Bildungskarenz – eine berufliche Auszeit für Arbeitnehmer, die sich weiterbilden möchten. Für Menschen wie Lisa Steiner.

Nach der Lehre zur Bürokauffrau heuerte sie als Kundenberaterin bei einer Traditionsbank an. Bald fand sich die junge Bankangestellte in einem beruflichen Hamsterrad wieder, der Alltag drehte sich ausschließlich um Kontoeröffnungen, Sparpläne und Kreditberatungen. Nach zehn Jahren ging ihr die Puste aus.

Statt zum Arbeitsplatz musste sie zur Therapie. Die Situation erschien zunehmend ausweglos. Wegen ihres anhaltenden Krankenstands wurde ihr die Kündigung nahegelegt. Der von ihr ersehnte Berufswechsel schien unmöglich. „Ich wollte mich beruflich umorientieren, aber ohne Matura waren die Chancen nicht gerade gut“, erzählt Steiner.

Sie einigte sich mit ihrem Arbeitgeber auf ein sanftes Job-Fade-out: zwölf Monate Bildungskarenz, gleichzeitig wurde die einvernehmliche Kündigung unterzeichnet – vordatiert. Eine durchaus übliche Vorgehensweise. Lisa war also für die Dauer der Karenz noch bei der Bank angestellt, aber statt eines Gehalts erhielt sie ein Weiterbildungsgeld vom Arbeitsmarktservice (AMS) in Höhe des Arbeitslosengelds. In ihrer Bildungskarenz holte sie die Matura nach. Hätte sie gekündigt, wäre sie stattdessen in AMS-Kursen. Lisa Steiner ist ein Paradebeispiel für den sozialen Aufstieg durch die Bildungskarenz: Arbeiterkind, Lehre, nachgeholte Matura, demnächst Firmengründung. Alles wunderbar?

Kevin Yang

schreibt im Rahmen des 360° JournalistInnen-Traineeship für profil.