Chapeau Château: So liquide ist René Benkos Weinkeller
Von Stefan Melichar und Anna Thalhammer
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„Peccatum“ heißt zu Deutsch „Sünde“ – und davon gibt es in der Signa Holding offenbar jede Menge. Zumindest 72 Flaschen voll. Das klingende Wort mit dem leicht verruchten Charme für lateinkundige Weinliebhaber dient dem burgenländischen Winzer Leberl als Name für eine hochwertige Cuvée aus Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon und Merlot. „Die Trauben werden im August stark ausgedünnt“, heißt es auf der Website des vielfach ausgezeichneten Familienbetriebs. Ebenfalls stark ausgedünnt wird gerade das von Pleiten gezeichnete Signa-Reich von René Benko. Und dabei stieß der Sanierungsverwalter, der seit einigen Wochen im Amt ist, auf einen flüssigen Nachlass im Wert von zigtausend Euro.
Im Hauptquartier des zunehmend in Auflösung befindlichen Immobilien-Imperiums auf der Wiener Freyung findet sich auch ein Weinkeller – oder besser gesagt: eine Wein-Beletage. Der Hort der edlen Tropfen ist nämlich im ersten Stock angesiedelt: Vom inneren Stiegenhaus führt eine mit Zahlenschloss geschützte Tür in einen rund sieben Meter langen, zweieinhalb Meter breiten und mit einer großzügigen Deckenhöhe von viereinhalb Metern ausgestatteten Raum. Parkettboden, Kristallluster, goldverzierte Wandtäfelung und linker Hand ein sechs Meter langes, mannshohes Weinregal. Bis obenhin gefüllt mit dem, was sich in Analogie zur Firmenstruktur der Signa wohl als Prime- und Development-Portfolio für Weinkenner und -genießer bezeichnen ließe.
Letztere gibt es bei der Signa bekanntlich bis in die oberste Führungsriege hinauf. Fungiert doch mit Ex-SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ein ausgewiesener Freund kräftiger Rotweine gleich mehrfach als Aufsichtsratschef bei – mittlerweile insolventen – Teilgesellschaften. Bei der Dachfirma Signa Holding GmbH wiederum gehörte er jahrelang dem zuletzt aufgelösten Beirat an.
Darüber hinaus verrechnete Gusenbauer als Berater Millionenhonorare. Sollte sich der Ex-Kanzler nach der einen oder anderen zermürbenden Gremiensitzung jemals ins Weinlager im ersten Stock verirrt haben, ist nicht auszuschließen, dass er auch dort auf seine Kosten kommen hätte können. Wirft der Ex-Kanzler jedoch dieser Tage einen Blick ins Internet, blutet ihm vermutlich das Herz: Befindet sich doch das sorgsam akquirierte Wein-Portfolio der Signa gerade mitten im gnadenlosen Abverkauf.
Alles muss raus
Seit einigen Tagen bietet der Onlineauktions-Spezialist „Aurena“ im Auftrag des Sanierungsverwalters der Signa Holding die Weine aus René Benkos Imperium auf seiner Website feil. Gut 720 Flaschen, davon rund 170 in Magnum-Größe, können ersteigert werden. Von den gut 670 Litern entfallen mehr als 480 auf Rotweine – schwerpunktmäßig Franzosen und Italiener mit klingenden Namen. Dazu noch die Leberl-Cuvée aus dem Burgenland. Bei den insgesamt 190 Litern Weißwein wiederum handelt es sich ausschließlich um Wein aus der Wachau: Grüner Veltliner der süffigen Kategorie „Federspiel“ sowie Grüner Veltliner und Riesling der Top-Kategorie „Smaragd“.
Neben Wein kommt auch ein – möglicherweise für bodenständigere Gaumen vorgesehener – Bestand an Campari, Gin, Aperol, Averna Amaro und Lillet unter den virtuellen Hammer.
Der Zuschlag erfolgt am 2. Februar. Wie sich aus den öffentlichen Einträgen auf der „Aurena“-Website ergibt, lagen bis zur Wochenmitte Gebote in einer Gesamthöhe von mehr als 30.000 Euro vor. Erwartet wird freilich, dass sich zu einem so frühen Zeitpunkt besonders potente und fachkundige Interessenten noch nicht in die Karten schauen lassen.
„So lieblos, wie die mit Geld umgehen, gehen sie auch mit dem Wein um"
Teuerste Einzel-Bouteille war zu diesem Zeitpunkt ein „Château Lynch Bages Pauillac 2019 Grand Cru“ für 220 Euro. „Das ist ein Superwein“, bestätigt der profil-Weinexperte und frühere „Steirereck“-Sommelier Adi Schmid (adi-schmid.at). Auch den zur Wochenmitte höchstgebotenen Auktionsposten – sechs Flaschen „Château Léoville Poyferré Saint-Julien 2eme Grand Cru 2019“ – könne man für die gebotenen 450 Euro durchaus kaufen, meint der Fachmann.
Der „Peccatum“ wiederum sei „eine gute österreichische Cuvée“ – der 2015er-Jahrgang, aus dem die meisten feilgebotenen Bouteillen stammen, sogar „sehr gut“. Skeptisch zeigt sich Schmid allerdings bezüglich der bisherigen Lagerung in einem Regal im ersten Stock: „So lieblos, wie die mit Geld umgehen, gehen sie auch mit dem Wein um“, fürchtet der Sommelier.
„Große Vorliebe für Rotwein“
Caroline Derler (43) ist Expertin für gute Tropfen. Sie organisiert österreichweit
Wine-Experiences wie private Wein-Dinner in exklusiver Atmosphäre für betuchte Kunden, die man über carolinederler.com buchen kann. Derler hat für profil die Signa-Weinwelt näher analysiert.
„Es sind viele Flaschen von einem Wein – das deutet darauf hin, dass man diesen für größere Gruppen oder Feiern gekauft hat“, lautet ihr erster Befund. Und: „Irgendjemand dürfte bei Signa eine große Vorliebe für Rotwein, genauer gesagt Bordeaux, haben. Insgesamt lässt sich sagen, dass es sehr gute Weine sind, die aber nicht in der Ikonen-Liga spielen wie zum Beispiel Masseto, Petrus oder Mouton-Rothschild.“ Von diesen Preziosen kostet manch eine Flasche bereits mehrere Tausend Euro.
Derler erklärt, dass es in der berühmten französischen Weingegend Bordeaux unterschiedliche Klassifikationen gibt. Die absoluten Spitzenweine seien „erste oder zweite Gewächse“– daran gemessen handle es sich hier eher um die fünfte Liga. Etwa bei dem Château Batailley, der zur Versteigerung feilgeboten wird. „Trotzdem sind das noch immer Top-Weine, die noch zu einem sehr guten Preis zu haben sind.“
Der Rufpreis einer Flasche „Château Batailley Pauillac 2005 Grand Cru“ lag bei sieben Euro. „Das muss man sich einmal vorstellen“, ist Derler ob des niedrigen Preises erstaunt. Mitte der Woche lagen die Gebote etwa bei 50 Euro. Sie schätzt, dass eine derartige Flasche im Handel mindestens das Doppelte kostet. Die Expertin fügt mit Blick auf die Differenz aber hinzu: „Ich bin überzeugt, dass sich das gegen Ende der Auktion noch ändern wird, weil sich Weinkenner erst dann mit ihren Geboten melden werden.“
„Wo ist der Champagner?“
Unter der angebotenen Fülle an Weinen finden sich auch echte Geheimtipps, wie etwa der „Château Larcis Ducasse Saint-Emilion 2019 Grand Cru“. „Das ist ein Wein, den wohl ein echter Kenner ausgesucht hat“, stellt Derler fest: „Er hat top Bewertungen und auch das Preis-Leistungs-Verhältnis ist top. Außerdem arbeitet das Château mittlerweile biodynamisch – auch nicht selbstverständlich in der französischen Weinregion Bordeaux, der gerne wenig Nachhaltigkeit vorgeworfen wird.“
Der Rufpreis liegt bei zehn Euro. Zur Wochenmitte lagen die Gebote rund um die 50 Euro. Noch immer ein Schnäppchen, meint Derler: Die Flasche ist im Handel um 100 Euro zu finden.
„Wo ist der Champagner? Womit haben die angestoßen?
Unter den österreichischen Weinen findet sich neben Leberl noch der Wachauer Winzer Prager – durchaus auch in Form von Magnum-Flaschen. Derler kann sich nicht vorstellen, dass hier Schnäppchen zu schlagen sein werden: „Prager kennt man in der oberen Managementebene gut und dementsprechend auch die Preise.“ Über eines wundert sich die Fachfrau aber doch: „Wo ist der Champagner? Womit haben die angestoßen?“ Und fügt trocken hinzu: „Es gibt aber eh nichts mehr zu feiern.“
profil hat auch einen ganz besonderen Experten um seine Einschätzung zum Signa-Weinportfolio gebeten.
Alfred Gusenbauer ließ die Anfrage allerdings unbeantwortet. Somit blieb auch offen, inwieweit er die Signa bei önologischen Beschaffungsfragen beraten hat – und ob er nun selbst mitsteigern wird. Gusenbauer ist bekanntlich nicht nur in Weinkunde, sondern auch in Fremdsprachen äußerst versiert, wobei er darüber hinaus über beachtliche Lateinkenntnisse verfügen soll.
Was „Peccatum“ heißt, weiß er sicher. Aber natürlich gilt: Wer ohne Sünde ist, entkorke den ersten Wein.
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.