Kolumne

#brodnig: Blocken ist Teil der Psychohygiene

Zwei Strategien, um auf hasserfüllte Online-Kommentare und Falschmeldungen im Internet zu reagieren: blocken und achtsam sein, wo man seine Zeit investiert.

Drucken

Schriftgröße

Es ist oft ärgerlich, wie viele aggressive und faktenwidrige Kommentare online kursieren, aber ich möchte als Gegenstrategie zwei Tipps zur digitalen Selbstverteidigung geben:

Erstens: Blocken hilft tatsächlich, auch Technik kann hier praktisch sein. Martin Moder ist Molekularbiologe, Wissenschaftskommunikator und Teil der Aufklärungssendung "Science Busters". Er kriegt immer wieder Unfreundlichkeiten von Leuten ab, die zum Beispiel die Corona-Impfung als Teufelszeug wahrnehmen und dazu Falschmeldungen verbreiten. Diese Szene existiert bis heute-und dass das schwarz-blau regierte Niederösterreich nun die Werbung für die Corona-Impfung einstellt, motiviert sie jetzt erneut, ihre Theorien zu verbreiten. Auf Twitter hat Moder derzeit 57.000 Follower:innen. Das Problem ist: Wenn ein Tweet viral wird, also viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, muss man damit rechnen, umso mehr Gehässigkeiten, Sticheleien und Häme abzubekommen. Wenn die coronaskeptische Szene mobilisiert, dann kann es sein, dass ein Tweet mit einer Falschmeldung zum Beispiel 80 Likes bekommt. Gerade aggressive Profile feuern sich gegenseitig gerne mit Likes an. Moder nutzt ein Tool namens "Likers Blocker". Dieses ist für Browser wie Google Chrome, Firefox und Microsoft Edge erhältlich. Mit ein paar Klicks kann man alle 80 User:innen blockieren, die den faktenwidrigen oder unfreundlichen Tweet gelikt haben. Das klingt nach einer harten Maßnahme, aber in der Praxis ist dieses Tool wirklich praktisch. Es hilft, weniger mit Häme, Beleidigungen und Falschbehauptungen überschüttet zu werden. Natürlich kann es sein, dass Einzelne dabei zu Unrecht geblockt werden-weil sie zum Beispiel versehentlich auf "gefällt mir" geklickt haben oder das Like nicht als Zustimmung gemeint haben. Meine Erfahrung ist: Wenn man ins Visier von sehr aggressiven Communitys gerät, ist es sinnvoll, viele dieser Accounts zu blocken, weil sie sonst über Tage hinweg Beleidigungen bei einem posten (übrigens: Wer juristische Beratung benötigt, findet diese bei der Meldestelle gegen Hass im Netz von der Organisation Zara).Ich selbst bin auch weniger zurückhaltend beim Blocken als früher, weil das Teil der digitalen Psychohygiene ist, wenn man an Online-Debatten teilnimmt. Übrigens, neulich schrieb mir ein User, den ich auf Facebook blockiert habe, ein E-Mail. Er meinte: "Was is mit dir, linksversiffte Verschwörerin? Vertragst keine Kritik??? Immer nur depperte Lügen und Verschwörungen erfinden, und dann nicht mal Kritik-und Diskussionsfähig! FEIG-LING!!Du kannst sperren wen du willst, es nutz dir nix, angrennte !GEH SCHEISSEN!!!"Ich muss sagen: Dieses E-Mail hat mich eher darin bestärkt, dass ich diesen User zu Recht blockiert habe.

Solche Postings zeigen, wie Antisemitismus in Österreich verharmlost wird.

Zweiter Tipp: Ein gutes Gegenprogramm zu den aggressiven Kommentaren suchen. Manchmal kriege auch ich Unfreundlichkeiten ab. Auf Twitter zum Beispiel habe ich neulich die FPÖ Niederösterreich kritisiert. Oskar Deutsch von der Israelitischen Kultusgemeinde hat etliche Vorfälle und Skandale aufgelistet, die Mitglieder der FPÖ lieferten-vom Hitlergruß bis zur Idee, dass Jüdinnen und Juden namentlich eingetragen werden sollen, wenn sie koscheres Essen beziehen wollen. Ich teilte diesen Beitrag-und prompt kamen Kommentare, die verharmlosten, die vom Thema abzulenken versuchten oder sinngemäß erklärten, jüdische Menschen würden sich ständig "von jedem Schatten verfolgt" fühlen. Solche Postings zeigen, wie Antisemitismus in Österreich oft verharmlost wird. Ich selbst dokumentiere solche, weil ich sie später in meinen Vorträgen und Artikeln zitieren kann. Und ich mache noch etwas Zweites: Wenn ich online phasenweise viel gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit lese, suche ich mir bewusst einen Ausgleich. Ich versuche, solchen User:innen nur begrenzt meine Aufmerksamkeit zu schenken. Stattdessen höre ich mir etwa Podcasts von Menschen an, deren Expertise ich schätze (zum Beispiel ist der Technik-Podcast "Pivot" von Kara Swisher und Scott Galloway großartig).Oder ich lese auf Social Media mit, aber gezielt bei Menschen, deren Expertise ich schätze-wie etwa beim schon erwähnten Martin Moder. Und wer beispielsweise den Rassismus in Österreich problematisch findet und auch die Erfahrungen von Menschen mit Migrationshintergrund verstehen will, der oder die kann darüber bei der Journalistin Melisa Erkurt oder der Influencerin Toxische Pommes lernen. Ich versuche, meine Aufmerksamkeit nicht jenen Menschen zu schenken, die mit Aggression andere Meinungen wegmobben und übertönen wollen. Wenn einen aufregt, wie sichtbar oft aggressive und teilweise auch Falschmeldungen verbreitende Kanäle sind, kann man gegensteuern, indem man gezielt nach konstruktiven und hörenswerten Stimmen im Internet sucht. Ein Teil der digitalen Selbstverteidigung ist meines Erachtens auch, die eigene Zeit möglichst in jene Kanäle zu investieren, von denen man etwas lernen kann-und speziell jene zu liken, kommentieren und zu sharen, die ein Gegengewicht zu Aggression und Falschmeldungen darstellen.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.