Ingrid Brodnig

#brodnig: Schau hin!

Menschen sind intellektuell in der Lage, Falschmeldungen zu erkennen – nur sollte man sie daran erinnern.

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Warum teilen Menschen Falschmeldungen? Diese Frage beschäftigt die Forschung. Eine denkbare Erklärung: Manche Leute sind verwirrt von all den unterschiedlichen Behauptungen und fallen dann auf Falschmeldungen herein. Ein anderer Verdacht lautet: Es ist vielen Menschen komplett egal, ob eine Meldung stimmt oder nicht. Der Kognitionswissenschafter David Rand und Kollegen haben dies nun überprüft. Ihre Studie deutet auf Folgendes hin: Dass Menschen versehentlich Falschmeldungen teilen, weil sie diese für wahr halten, reicht als Erklärung allein nicht. Denn die Studienteilnehmenden wurden um ihre Einschätzung gebeten, welche Überschrift wahr und welche falsch ist.

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle konnten Menschen den Wahrheitsgehalt richtig erkennen. Das ist eine gute Nachricht. Es legt nahe, dass viele Menschen intellektuell in der Lage sind, zu erkennen, wenn etwas falsch ist. Nur warum wird trotzdem so viel Falsches auf Social Media geteilt? Ist es einigen Menschen egal, wenn sie falsche Behauptungen weitererzählen?

Anscheinend nicht: Die Mehrzahl der Befragten gab auch an, dass es ihnen sogar „extrem wichtig“ ist, wahrheitsgetreue Information zu verbreiten. Klingt widersprüchlich, aber die Forscher stellen folgende These auf: Ganz nüchtern betrachtet, können Menschen nach genauer Überlegung  sehr wohl Wahres von Falschem unterscheiden. Nur in den sozialen Medien denken sie oft nicht so gründlich über die Richtigkeit der Aussage nach – sie lassen sich womöglich mehr vom Bedürfnis treiben, ihren Freunden oder der eigenen politischen Community Inhalte zu liefern, die dort gut ankommen könnten.

Die Forscher sahen: Wenn man Leute online daran erinnert, über den Wahrheitsgehalt einer Nachricht nachzudenken, dann teilen sie danach insgesamt weniger Falschmeldungen. Sie schreiben, dass soziale Medien daraus etwas lernen können: „Zum Beispiel könnten Plattformen User regelmäßig darum bitten, zufällig ausgewählte Überschriften auf ihre Richtigkeit hin einzustufen – und damit an Sorgfalt erinnern.“

Diese Studie gibt etwas Hoffnung: Intellektuell sind viele Menschen in der Lage, zwischen „wahr“ und „falsch“ zu unterscheiden, jedoch ist es anscheinend notwendig, sie aktiv daran zu erinnern, nicht impulsiv Inhalte zu teilen, sondern vorher näher hinzuschauen.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.