Gerichtsurteil

„Cinnamood“ in Wien: Wie schmecken die Schnecken?

Viele haben darauf gewartet – jetzt ist es so weit: Wien hat endlich einen „Cinnamood“-Store.

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Sie sind also wirklich da, live und in Farbe, finally: Zimtschnecken, für die sich die Leute schon in anderen glücklichen Städten in endlos langen Schlangen anstellen durften.

Betritt er den seit 4. November geöffneten „Cinnamood“-Store in der Wiener Mariahilfer Straße, drängt sich dem nicht digital nativen Schneckenfreund zunächst einmal folgende Frage auf: Hätte dieses von Anna Schlecht und Luca Breuer gegründete Kölner Start-up denselben Erfolg, wenn es Instagram und TikTok nicht gäbe? Das Konzept gibt jedenfalls alles, um auf den Plattformen zu performen. Die Filiale ist im schönsten Social-Media-Violett ausgemalt, in einer sehr großen Vitrine liegen sehr viele Schnecken in sehr bunten Farben. Hat man es erst einmal hineingeschafft (auch in Wien nahm die Schneckenschlange bereits schlagzeilenträchtige Ausmaße an), erschlägt einen gleich einmal ein heimeliger Zimtgeruch. Würde Willy Wonka von heute auf morgen eine Schokoallergie entwickeln, er könnte in der Zimtschnecken-Fabrik gut eine neue Heimat finden.

Wie zwischen dem großen Schoko-Gott Wonka und seinen kleinen Oompa-Loompa-Lakaien herrscht auch zwischen den „Cinnamood“-Schnecken eine hierarchische Rangordnung: Sie reicht von den Classic Rolls um 4,50 Euro über die Fruity Rolls um 5,30 Euro bis zu den, anschnallen bitte, Next Level Rolls um 5,50 Euro. Geschenkt ist das schon mal nicht. Also: Noch schnell stylen, ein paar sinnlose Fotos von mir selbst knipsen – und auf geht’s!

Erster Eindruck: Die Rollen sind nicht so süß, wie man es befürchten könnte. Der Grundteig ist durchwegs derselbe, den Unterschied macht die Garnierung. Das Gebäck ist insgesamt deutlich weicher, als man es aus Café-Konditoreien sonst kennt. Man kann sich den Kaffee zum Tunken also auch sparen.

Die Grundversion der klassischen Zimtschnecke ist schon einmal sehr gut gelungen, der Zimtgeschmack nimmt niemals überhand, die Schnecke ist besonders saftig. Die Apple Roll wurde mit einem Apfelkompott getoppt. Damit die Frisur hält, wurde der würfelig geschnittene Apfel recht stark geliert, ähnlich die Blueberry Roll. Diese kommt ohne Zimt aus, dafür wurden die Heidelbeeren in den Teig verarbeitet und mitgebacken. Fürs Foto noch ein paar Blütenblätter drauf – ebenfalls richtig gut.

Mit den Next Level Rolls wird es dann ernst: Die Carrot Cake Roll arbeitet mit kleinen Karottenstücken im Teig, die Lemon in der Lemon Cream kann man zwar nur erahnen, genauso wie auch den angeblich enthaltenen Kardamom, dafür planiert ein picksüßer Haselnussgeschmack alle anderen Zutaten vollkommen weg. Die Red Velvet Roll kommt optisch sehr aufwendig daher, erweist sich aber eigentlich als recht konservative Form der Erdbeerenpräsentation. Die Idee, die inoffizielle Lieblingsfrucht der Menschheit mit Mascarpone darzureichen, hatten andere auch schon. Die Pistachio Roll verfügt über eine sehr intensiv nach Pistazien schmeckende, fast schon harte Creme, recht deftig auch die Oreo Roll. Wie schmeckt die? Eigentlich wie jedes andere Schokocroissant auch – allerdings sehr mächtig und schokoladig. Die Salted Caramel Roll wiederum soll das Publikum offenbar nicht verschrecken: Man setzt die Salzkomponente derart sparsam ein, dass man sie sich auch gleich hätte sparen können.

Was soll man von dem ganzen Schneckengetöse halten? Es ist natürlich absurd, sich dafür ewig anzustellen. Doch die Schnecken schmecken alles andere als schlecht, teilweise sind sie sogar sehr gut. Wäre es sinnvoller, das Geld zur Bäckerei zu tragen? Vielleicht. Aber: Wir wollen halt einfach oft das, was alle anderen auch gerade wollen. Insofern ist „Cinnamood“ schon fast so was wie eine Parabel auf das Menschsein. Oder es sind einfach nur Zimtschnecken.

Empfehlung: Kosten Sie nicht acht Schnecken auf einmal.

Stimmung: Also heute bin ich mal literally fancy.

Preisverhältnis: Classic Roll 4,50 Euro, Fruity Roll 5,30 Euro, Next Level Roll 5,50 Euro.

Stephan   Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.