Gerichtsurteil

Der „Gleisgarten“: Ein Besuch in Wiens erster Food Hall

Die Aufregung um Wiens erste Food Hall ist riesig. Aber wie schmeckt's dort eigentlich? Ein Lokalaugenschein.

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In der alten Meidlinger Remise hat seit vergangenem Donnerstag eines der ambitioniertesten Gastro-Projekte dieses Herbsts geöffnet – Wien hat mit dem „Gleisgarten“ endlich seine erste Food Hall bekommen. Das Konzept beruht auf Überwältigung: Nimmt man an einem der zentral gelegenen Tische Platz, staunt man zunächst einmal über die spektakuläre, meterhohe Bepflanzung und erspäht wuchtige Braukessel. Ja, im Gleisgarten befindet sich tatsächlich auch eine Brauerei. „Vienna Kraft“ heißt diese, und das Bier soll (ab wahrscheinlich Dezember, wie der freundliche Herr an der Bar verrät) quasi direkt vom Tank ins Glas gezapft werden. Derweil gibt’s aber auch schon eine umfangreiche Auswahl.

Die Getränkefrage ist also zumindest perspektivisch schnell geklärt, beim Essen wird die Wahl schon schwieriger – auch wenn man es dem unbedarften und möglicherweise etwas erschlagenen Gast mit der Orientierung wirklich leicht macht. Durch niederschwellige Beschilderungen wie „Italienisch“ oder „Heuriger“ weiß dieser sofort, was ihn am jeweiligen Selbstbedienungsstand erwartet. Da wären also der bereits aus dem 7. Wiener Gemeindebezirk bekannte Räucher-Barbecue-Spezialist „Trixie Kiddo’s“; ebenso anwesend ist der Pinsa-Bäcker „Ragazzi, Pinsa!“. Noch mehr mediterrane Vibes verbreitet der Grieche „Iris“. Ein paar Meter weiter warten andere Kontinente: Bei „Gnaoua Kitchen“ geht’s marokkanisch zu, asiatische Wok-Gerichte werden bei „Sajado“ kredenzt, und bei „Papa Duck“ bekommt man Ramen und Gyoza. Auch ein Heuriger soll noch einziehen (in der Soft-Opening-Phase war dieser noch nicht offen) und ein „Local Hero“ darf ebenfalls bald kulinarisch aufzeigen. Bedeutet: Junge Gastronominnen und Gastronomen sollen die Möglichkeit bekommen, in einer fertig eingerichteten Küche direkt loszulegen und so ihr Talent zu präsentieren.

Orientiert? Also, erster Halt: Asien. Die Wahl fällt bei „Sajado“ auf Tom Yam Gung (5,90 Euro) und Chili-Beef (14,90 Euro). Die thailändische Suppe enthält neben den üblichen Garnelen auch Miesmuscheln, schmeckt tomatig und nicht zu scharf, aber auch nicht zu mild. Einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt das Chili Beef mit gedämpftem Reis. Es ist eher süßlich und hat ein Problem: Das Fleisch war – für meinen Geschmack – dann doch etwas zu rudimentär zugeputzt.

Weiter geht es nach Marokko. In der „Gnaoua Kitchen“ setzt man auf Couscous. Dieser dient als Grundstock, und man kann entweder ein vorgegebenes Gericht dazu ordern – oder sich eines selbst zusammenstellen. Wir lassen den Koch entscheiden, sein Ergebnis: Couscous mit Granatapfel, Paprika, Zucchini, Zwiebel, Karotten, Kichererbsen und Fischbällchen (13 Euro) – sehr saftiger Couscous, fruchtig-scharfer Gesamteindruck.

Nächster Halt: „Papa Duck“. Dort gibt es zwar keine Ramen mit Ente, dafür aber mit Rind, Meeresfrüchten oder vegetarisch. In der letzteren Variante (11,90 Euro) kommt Gemüse mit sehr gutem Biss zum Einsatz – nichts ist hier verkocht. Die Brühe ist kräftig und rund abgeschmeckt.

Und schließlich noch ein kleiner Abstecher nach Italien. Wie so oft hat die Küche unserer südlichen Nachbarn einfach am meisten Zug: Die Pinsa Silvia (11 Euro) bei „Ragazzi Pinsa“ mit Büffel-Mozzarella, Tomatensauce und Cocktailtomaten ist zwar schlicht, aber toll gelungen. Das liegt vor allem am Teig: Der ist unfassbar fluffig.

Im Gleisgarten hat man sich viel vorgenommen. Langfristig wird man hier wohl die ganz große Masse brauchen, um die Hunderten Sitzplätze sinnvoll zu bespielen. Auch das Speisenangebot zielt eindeutig in Richtung großes Publikum: Man setzt auf gut bekannte, familientaugliche Gerichte, die niemanden vor große Herausforderungen stellen. Man muss es hier einfach sehr vielen Menschen recht machen. Und das gelingt schon einmal sehr gut.

Empfehlung: öffentlich anreisen und durchprobieren

Stimmung: sehr lebendig, für zarte Pflänzchen vielleicht zu stressig

Preisverhältnis: Shoppingcenter-Food-Corner sind nicht billiger

Gleisgarten, Eichenstraße 2, 1120 Wien, gleisgarten.com

Stephan   Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.