Gerichtsurteil

Das Gasthaus „Zum fröhlichen Arbeiter“ funktioniert auch ohne SPÖ

Das Gasthaus „Zum fröhlichen Arbeiter“ verbreitet gute Laune. Hans Peter Doskozil hat damit nichts zu tun.

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Steuert man von der im 19. Wiener Gemeindebezirk gelegenen profil-Redaktion aus das nahe der ungarischen Grenze im burgenländischen Apetlon ansässige Gasthaus „Zum fröhlichen Arbeiter“ an, nimmt man eine lange Anreise in Kauf; so weit auseinander liegen aktuell sonst nur die unterschiedlichen Lager innerhalb der Sozialdemokratie.

Geschichtsträchtig ist die 1924 gegründete Gaststätte jedenfalls; im Foyer liegt ein Flyer aus, der Aufklärungsarbeit leistet. Damals waren die Gäste Landarbeiter, und wenn der Lohn ausbezahlt wurde, „war die Stimmung fröhlich und ausgelassen“. Die Klientel hat sich seitdem geändert, wie viele von ihnen den Doskozil’schen Mindestlohn beziehen, ist uns freilich nicht bekannt. In jedem Fall ist es gelungen, die Stimmung von damals auf den Gast von heute zu übertragen. Da hat das ehemalige Arbeiterlokal der ehemaligen Arbeiterpartei doch einiges voraus.

Die Inhaberfamilie Tschida hat mutmaßlich einen Hang zum Understatement. Der Begriff „Gasthaus“ stapelt recht tief; man könnte das Lokal auch ganz keck „Restaurant“ nennen. Die fein gezwirnten Vollprofi-Kellner fügen sich nahtlos ins Interieur ein, das modernes Ambiente und althergebrachtes Gasthaus-Flair nahtlos vereint. So viel Atmosphäre nährt schon beim Platznehmen im Garten die Hoffnung: Hier könnte ein fröhlicher Koch am Herd stehen. Tatsächlich experimentiert die Küche von Hannes Tschida erfolgreich mit regionalen und internationalen Versatzstücken und formt daraus eine runde Erfahrung. Bereits der Gruß aus der Küche fällt überzeugend aus: eingelegte Paprika, Olivenöl, Butter, Wurst, gebackener Spargel und Sauce tartare. Schöne Grüße zurück!

Die Vorspeise ist dann ein Ausritt in trendige Gefilde – die Ceviche vom Zanderbackerl mit Gurke, Radieschen, Avocado und Pumpernickel macht keinen Fehler. Das aus rohem Fisch zubereitete lateinamerikanische Gericht steht aktuell hoch im Kurs auf mitteleuropäischen Speisekarten. Im vorliegenden Fall stimmt die Proportion zwischen den Komponenten perfekt. Die Avocado wurde zu einer Guacamole verarbeitet und schmeckt mehr nach Avocado, als es eine Avocado selbst jemals könnte. Trotzdem geht der Zander nicht unter – und ein zarter Hauch von Koriander entfacht eine wahre Frische-Explosion.

Bei der Hauptspeise fällt die Wahl auf den Rücken vom Milchkalb (im Bild unten). Das Gericht gerät mit seinen Beilagen Fregola Sarda, Spargel, Erbse und Kräuterseitlingen zum österreichisch-sardinischen Hybridmodell. Der Kalbsrücken wird mit einer Kräuterkruste gratiniert serviert und zeugt von einer küchentechnischen Meisterschaft: Er ist, obwohl überbacken, perfekt medium gegart. Der Spargel kann in Zeiten wie diesen nicht vermieden werden, etwas seltener sind – noch – die Fregola Sarda. Die Nudel-Kügelchen sind süßlich abgeschmeckt, funktionieren in dem Zusammenspiel mit dem kräftigen Jus aber hervorragend.

Ein kleiner Ausflug nach Ungarn darf es dann noch beim Dessert sein: Bei den aus weichem Biskuit hergestellten Somloer Nockerln drängen sich die Rumrosinen niemals zu stark in den Vordergrund. Alkoholfreier Genuss mit Alkohol – quasi.

Ob der Koch bei seiner Arbeit tatsächlich fröhlich war, kann nicht endgültig eruiert werden, eines jedoch steht fest: Dieses Gasthaus in der burgendländischen Region Seewinkel spielt in der Oberliga und leistet gute Arbeit, die man an allen Ecken und Enden zu spüren bekommt. Und so verlässt man den „fröhlichen Arbeiter“ in bester Stimmung und in Richtung Neusiedler See, also buchstäblich: Auf zu neuen Ufern.

Empfehlung: den Weg nach Apetlon auf sich nehmen

Stimmung: fröhlich – what else?

Preisniveau: für Gasthausverhältnisse hochpreisig

Gasthaus „Zum fröhlichen Arbeiter“, Quergasse 98, 7143 Apetlon

froehlicherarbeiter.at

Stephan   Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.