„Mir ist natürlich bewusst, dass mich nicht alle Leute mögen.“
Powerlunch

Ein Gang mit … Laura Sachslehner

Es gibt Menschen, die meinen, sie ist so etwas wie die Zukunft der ÖVP, was komisch ist, weil sie auch die Vergangenheit ist. Aber eigentlich ist das egal, weil man sich bei Laura Sachslehner sowieso oft fragt: Meint sie das ernst?

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Man möchte keine Tomate sein, wenn Laura Sachslehner eine Gabel in der Hand hat und über die Grünen spricht. Sie sitzt hinter einer Burrata mit roten Zwiebeln und Datteltomaten, wir reden über die Koalition von ÖVP und Grünen, und jedes Mal, wenn sie die Grünen erwähnt, sticht sie zu. Eiskalt. „Die Grünen sind schlecht für das Land“, sagt sie, Stich, „sie setzen ausschließlich falsche Initiativen. (Stich) Die Gender-Debatte von Alma Zadić oder alles, was aus dem Ressort von Leonore Gewessler kommt, Tempo 100 zum Beispiel, das interessiert die Menschen doch nicht.“ Stich, Stich, und dann noch einer. Nach jedem Stich hebt sie die Tomate auf, führt sie zum Mund, beißt aber nicht hinein. Manchmal dreht sie sie, schaut sie gedankenverloren an, so, als würde sie nach Ähnlichkeiten mit grünen Politikerinnen suchen, und legt sie dann schnell zurück. Am Ende des Gesprächs wird vor Laura Sachslehner ein halb voller Teller mit Burrata mit roten Zwiebeln und zu Ketchup zerstochenen Tomaten stehen.

Wie geht gute Politik? Was braucht man, um erfolgreich zu sein, und vor allem: Wie findet man die Themen, für die man sich einsetzen soll? Das möchte ich von Laura Sachslehner wissen, die Frau ist dafür ausgewiesene Expertin, das weiß jeder, der ihr auf Instagram folgt oder sie schon einmal in einer dieser als Diskussionssendung getarnten Krawallshows im Privatfernsehen gesehen hat. Dort kann sie sich ohne zu lachen über Graffitis genauso ärgern wie über Migration. Sie kann über alles Linke schimpfen, alles Progressive und Moderne, Gendern, Wokeness, ganz egal, Sachslehner ist da traditionell sehr skeptisch. Sie hat manchmal richtige Punkte, und dann beschreibt sie nur wenige Sekunden später Wien als Kriminalitätshochburg, als eine Lost City, in der sich sogar die härtesten Straßenbanden Bogotas fürchten müssten – würden sie es bloß durch die Tempo-30-Zonen und an den Fahrradwegen vorbei bis in die Innenstadt schaffen.

Wenn man Laura Sachslehner über einen längeren Zeitraum beobachtet, vor allem bei ihren öffentlichen Auftritten, dann drängen sich ein paar Fragen auf, und eine davon ist ganz zentral: Meint sie alles, was sie sagt, wirklich ernst?

„Man muss auch mal pointiert formulieren, nur so bekommt man die Aufmerksamkeit und den Scheinwerfer auf die Themen, die einem wichtig sind“, sagt Sachslehner, und das stimmt: Innerhalb kürzester Zeit hat sie es damit von einem Social-Media-Phänomen zur ÖVP-Generalsekretärin geschafft und dann auch wieder zurück, weil sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren konnte, dass auch Gefängnisinsassen den Klimabonus ausbezahlt bekommen. „Es gibt eine schweigende Mehrheit in dem Land, und für die will ich Politik machen“, sagt sie jetzt: „Gute Politik ist, wenn man die Lebensrealitäten der Menschen erkennt und sich für sie einsetzt. Den Grünen geht es darum nicht. Die Grünen wollen ausschließlich die Interessen ihrer Wählergruppen befriedigen, aber das reicht natürlich nicht.“ Ob man das vielleicht auch als Kritik am ÖVP-Bauernbund verstehen soll, der gemessen am Anteil an der Bevölkerung einflussreichsten Lobbyorganisation des Landes? „Nein“, sagt Sachslehner, „für Landwirtschaft muss man sich einsetzen, die ist wichtig für das ganze Land.“

Wir sitzen in einem Lokal namens Ribelli, das ist das Restaurant im 25Hours Hotel an der Wiener Lerchenfelder Straße. Es ist ihr Stammlokal, die Burrata (15,50 Euro) hat sie deswegen auch ohne auf die Karte zu schauen bestellt, mir empfiehlt sie Tagliatelle alla Bolognese (18 Euro, die Sauce ist erfrischend geschmacksneutral, und die Nudeln durften so lang im Wasser baden, dass man in Italien damit allerhöchstens undichte Fenster kitten würde). „Es ist vielleicht nicht der beste Italiener der Stadt, aber das Ambiente passt, das Essen auch, und die Lage ist super.“ Außerdem seien hier nur Touristen, weswegen sie, anders als zum Beispiel im Café Eiles, nicht alle paar Minuten mit jemandem smalltalken muss. Offenbar interessieren sich doch mehr Menschen für Politik, als viele glauben, und das ist eigentlich eine gute Nachricht.

„Es ist vielleicht nicht der beste Italiener der Stadt, aber das Ambiente passt, das Essen auch, und die Lage ist super“, sagt sie. Außerdem seien hier nur Touristen, weswegen sie, anders als zum Beispiel im Café Eiles, nicht alle paar Minuten mit jemandem smalltalken muss. Offenbar interessieren sich doch mehr Menschen für Politik, als viele glauben, und das ist eigentlich eine gute Nachricht.

Sachslehner ist gerade einmal 29 Jahre alt, aber sie ist seltsam alterslos. Sie könnte genauso gut 19 sein oder 49, und das ist vor allem inhaltlich gemeint. Sachslehner redet viel und gerne, und bei vielen ihrer Sätze merkt man, dass sie sie nicht zum ersten Mal sagt. Wenn sie etwa meint, dass „eine Politik der offenen Grenzen keine menschliche Flüchtlingspolitik ist, weil wir können die Leute nicht alle unterbringen. Also: Was ist daran menschlich?“ Sätze wie diese bringen ihr viel Beifall am rechten Rand der ÖVP, und wahrscheinlich wird man dort auch gerne hören, dass Sachslehner eine Koalition mit Herbert Kickl nicht ausschließen will: „Warten wir mal, wie die Wahl ausgeht.“ Ob sie findet, dass die ÖVP zur Not auch einen FPÖ-Kanzler wählen sollte? Sie druckst ein bisschen herum. Sie will nicht ja sagen, aber auch nicht nein, und entscheidet sich dann für diese Formulierung: „Zuerst muss das Ziel sein, dass die ÖVP die Wahl gewinnt und stärkste Partei wird, auch wenn die Umfragen derzeit nicht gut sind. Aber man darf nichts ausschließen, und am Ende hat der Wähler das letzte Wort.“

Wenn man Laura Sachslehner über einen längeren Zeitraum beobachtet, vor allem bei ihren öffentlichen Auftritten, dann drängen sich ein paar Fragen auf, und eine davon ist ganz zentral: Meint sie alles, was sie sagt, wirklich ernst? Oder spielt sie nur eine Rolle und ist in Wahrheit ganz anders? Freundlicher? Reflektierter? „Ich wurde das schon öfter gefragt, und ich sage immer das Gleiche: Ich trete für das ein, wovon ich zu 100 Prozent überzeugt bin. Man muss als Politikerin auch unbequeme Dinge ansprechen. Mir ist natürlich bewusst, dass mich nicht alle Leute mögen, aber wenn man nur geliebt werden will, dann soll man nicht Politikerin werden.“ Das ist dann doch ein bisschen überraschend. In der Regel gelten Politiker als besonders liebesbedürftige Menschen, man muss es ja auch nicht immer so proaktiv ausleben wie der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer.

Aber offenbar ist das bei Sachslehner nicht gespielt, sie fühlt sich wohl in ihrer Rolle. Wir sind mittlerweile mit dem Essen fertig, Sachslehner hat die halbe Burrata zurückgeschickt und einen Verlängerten bestellt. Sie trinkt ihn in langen, langsamen Schlucken, die Tasse hält sie dabei mit beiden Händen. Bevor sie geht, möchte ich von ihr noch wissen, wie ein normaler Arbeitstag bei ihr aussieht. „Meistens laufe ich von Termin zu Termin. Und natürlich versuche ich auch auf Social Media klare Kante zu zeigen und die Aufmerksamkeit auf die Themen zu legen, die mir wichtig sind. Gerade als Politikerin haben die Leute ein Recht darauf, einen bei der Arbeit zu sehen. Dem versuche ich gerecht zu werden. Ich teile gerne Sachen zu politischen Themen und ab und zu sogar Privates.“

Die Videos macht sie übrigens selbst, manchmal hält ihr Mann die Kamera, als einfache Gemeinderätin hat man dafür kein eigenes Team, sagt sie. Ob ihr Mann gerne den Husband-of-Instagram macht? Sachslehner lacht nur: „Er hasst es. Aber da muss er durch.“ Sie selbst übrigens auch. Bevor sie geht, sagt sie nämlich noch, dass sie ihre Stimme eigentlich nicht gerne hört. „Wenn ich meine Videos schneide, dann dreh ich oft den Ton aus.“

Markus  Huber

Markus Huber

ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.