Powerlunch

Ein Gang mit … Martin Ho

Man nennt ihn „Gastronom“, aber Martin Ho ist weit mehr als das: Er ist Influencer, Veranstalter, Freund vieler Mächtiger und eine der spannendsten Personen des Wiener Nachtlebens. Bei ihm läuft derzeit alles perfekt. Trotzdem möchte er nicht, dass seine Kinder einmal in seine Branche wechseln.

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Martin Ho hat ein Problem mit seiner Nase, und das ist nicht metaphorisch gemeint. Wir sitzen im „Dots at The Leo Grand“ am Wiener Bauernmarkt, Hos neuestem Lokal im gleichnamigen Hotel des Wiener Großinvestors Martin Lenikus mitten im 1. Bezirk, und offenbar juckt sie ihn gewaltig. Immer wieder streicht er mit dem linken Zeigefinger unter den Nasenflügeln, dann drückt er dagegen und massiert sich den Nasenknochen. Es dauert nur einen kurzen Augenblick, aber sobald man es einmal gesehen hat, kann man gar nicht anders, als immer wieder hinzuschauen. Es passiert alle paar Minuten, linker Zeigefinger nach oben, Druck auf die Nasenwand, kurze Massage, Pause, Repeat. Eine Allergie? Ein Tick? Irgendwann merke ich, dass ich mir selbst dauernd auf die Nase greife, und überlege, ob ich ihn darauf anreden soll, aber das ist wahrscheinlich zu persönlich.

Aber was fragt man Martin Ho überhaupt? Der 36-Jährige ist eine der schillerndsten Figuren Wiens, er wird als „Gastronom“ bezeichnet, und das ist zwar nicht falsch, aber definitiv zu kurz gegriffen. Ho ist Influencer, er hat beste Verbindungen, besonders zu Sebastian Kurz, vor allem aber ist er ein interessanter Geschäftsmann. Innerhalb kürzester Zeit hat er aus einem Sushi-Laden für geschmacksneutrale Rich Kids ein Gastroimperium aufgebaut, mittlerweile besitzt er sieben Restaurants und drei Clubs.

Er hat mit Kunst und wirklich teuren Luxusuhren gehandelt, außerdem gehört ihm ein Hotel, in dem man nur buchen kann, wenn man Ho persönlich kennt, und ein Club, in den man nur hineinkommt, wenn man einen Schlüssel dazu bekommen hat. Das regt die Fantasie an und lässt die Gedanken in Graubereiche der Geschäftswelt abdriften. Es gab und gibt Gerüchte und Geschichten, dann wieder haben Rechercheure probiert, in einem Ho-Lokal Drogen zu kaufen und, Überraschung, es auch geschafft. Aber was beweist das? Dass es in einem Nachtclub nicht nur Gin Tonic gibt, ist so überraschend wie die ernüchternde Feststellung, dass man von Red Bull nicht wirklich abhebt. Aber will ich darüber mit Ho wirklich reden? 

Ho trägt Sonnenbrille, eine gute Frisur und ein offenes Hemd, an der linken Hand eine Uhr, die leider so gut unter der Manschette versteckt ist, dass man nicht erkennen kann, wie teuer sie ist, aber teuer ist sie definitiv. Er wirkt freundlich, aber bestimmt, und dass er anders als ich für dieses Gespräch einen ganz konkreten Plan hat, erkenne ich schon allein daran, dass auch sein PR-Berater am Tisch hockt. Ohne Zögern bestellt Ho für alle: Sashimi, Hongkong Prawns, ein leicht gewöhnungsbedürftiges Ceviche und etwas, das die Küche „Popcorn Chicken“ nennt und das auch genau so schmeckt. Dazu kommt eine Flasche Grüner Veltliner von FX Pichler. Martin Ho hatte darauf bestanden. Wer mittags nicht trinkt, ist seiner Meinung nach ein Eumel, und er ist ganz sicher keiner. 

Es gibt ein paar Dinge, die Ho loswerden möchte, und deshalb redet er los, noch bevor ich eine Frage stellen kann. Er erzählt, wie erfolgreich die Dots-Gruppe seit 18 Jahren und trotz der aktuellen Herausforderungen ist und dass er sich jetzt um die Internationalisierung kümmert: „Wir eröffnen demnächst in Dubai, dann sind London, Miami und Vietnam geplant.“ Nein, ganz einfach wäre es im Moment nicht: „Die Menschen haben weniger Geld, das merken wir vor allem in den Restaurants. In den Clubs weniger, trinken und feiern wollen die Menschen immer.“ Zu schaffen macht ihm, so wie allen Gastronomen, die Personalsituation: „Der Arbeitsmarkt ist nicht mehr so gemacht, dass man arbeiten geht.

Der Unterschied zwischen Nicht-Arbeiten und Arbeiten ist zu gering.“ Anders als die meisten, die so argumentieren, möchte Ho aber nicht das Sozialsystem kürzen oder die Lohnnebenkosten verringern, er will das System der Gastronomie insgesamt ändern: „Warum machen wir es nicht wie in den USA oder Großbritannien oder dem arabischen Raum? Führen wir doch eine Service Charge ein, zehn Prozent der Rechnungssumme, 15 Prozent, egal, aber die Gäste sollen das einfach on Top bezahlen, und das geht ans Personal. Dadurch sind die Mitarbeiter motivierter, weil sie mehr verdienen, wenn sie mehr Umsatz machen.“  Hat Ho da tatsächlich gerade zwischen Hongkong Prawns und FX Pichler das Trinkgeld erfunden? Oder das Modell einer Umsatzbeteiligung, das es in vielen Betrieben bereits gibt? Nein, lieber nicht nachfragen.

„Nehmt noch Sashimi, Männer“, sagt Ho, und sofort greifen sein PR-Berater und ich zu. Bei Ho sagt man nicht so leicht Nein, danke, das würden viele bestätigen, auch Sebastian Kurz oder Ex-„Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak. Die halbe Stadt feiert nämlich gern bei ihm, und das Spannendste daran ist: Ho weiß das offenbar ganz genau. Jetzt sitzt er mitten im überdimensionierten Gastgarten und isst selbst sehr wenig, er lässt nachschenken, redet, spielt mit seinem Handy, greift sich an die Nase und hat dabei trotzdem wie ein Patrone alles unter Kontrolle: die Kellner mit ihren Knöpfen im Ohr, die Gäste und die Passanten. Manche winkt er zum Tisch, andere bekommen zumindest ein cooles Kopfnicken, nur Andreas Hanger, den begrüßt er nicht, vielleicht hat er ihn mit der neuen Frisur gar nicht erkannt. Wobei: Hanger wirkt jetzt auch mit der neuen Frise nicht so, als würde er ständig in der Pratersauna oder dem Club X abhängen.

Wenn Ho redet, dann ist er dabei präzise, er ist sympathisch, duzt sofort, ist dabei aber weder jovial noch anbiedernd. Der Mann hat eine professionelle Höflichkeit, er ist ein guter, umsichtiger Gastgeber, und trotzdem merkt man sehr schnell, dass er eine Rolle spielt, eine Rolle, an die er sich eisern hält. Er ist darin weniger Wirt als Investor, jemand, dem es bei seinen Unternehmungen vor allem um eines geht: um Geld. Seine Lokale hat er optimiert, sie funktionieren, und das standortunabhängig, das Dots am Bauernmarkt könnte in Sachen Speisekarte und Gäste genauso gut in Genf liegen oder in Manhattan oder auch in Attnang-Puchheim. Und er findet das gut: Seine Lokale müssen skalierbar sein.  „Ich brauche Ziele. Stillstand ist für mich ein Rückschritt“, sagt er jetzt. Offenbar hat er auch „Wall Street 2“ gesehen. Lieber nicht nachfragen.

Das Essen ist fertig, nein, wir nehmen keine Desserts, und ich druckse herum. Wir haben nämlich noch nicht über Drogen geredet, und irgendwie gehört das doch dazu, oder? Also nehme ich meinen ganzen Mut zusammen, und frage ihn, was sich da so in seinen Clubs abspiele, zum Beispiel vor den Toiletten in der Pratersauna.  „Diese ganzen Geschichten sind Blödsinn“, sagt Ho, „Es gibt bei uns eine strikte Anti-Drogen-Politik, wir haben schon mehrere Dealer an die Polizei übergeben. Wir arbeiten eng mit der Exekutive zusammen, sprechen uns ab, übergeben bei Bedarf unsere Videoaufzeichnungen. Was aber die Leute von draußen mitnehmen, das können wir natürlich nicht kontrollieren.“ Ich frage wieder nicht nach. 

Ho hat es jetzt ziemlich eilig. Er muss von unserem Mittagstermin zurück ins Büro in der Pratersauna. Ob er möchte, dass seine beiden Kinder mal in seine Fußstapfen treten, frage ich ihn noch. Nein, sagt Ho, ganz bestimmt nicht: „Ich hoffe, das der Tag nie kommt, an dem sie in einen meiner Clubs wollen.“ Und wenn sie dann woanders ausgehen? „Da haben sie Pech, der Papa wird immer so viel Einfluss haben, dass er weiß, was sie am Vorabend gemacht haben.“ 

Markus  Huber

Markus Huber

ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.