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Eine kleine Geschichte des Emojis (inklusive Coolness-Einordnung)

Die Wahl der Emojis verrät viel über das Alter des Absenders. Als Coolness-GAU gilt in der Generation TikTok das Lachtränen-Smiley.

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Um die Jahrtausendwende Geborene würden sich wohl mit einem Gefühl aus Ekel und Verachtung abwenden, müssten sie den Emoji-Geschmack türkiser Regierungsmitglieder bewerten. Sebastian Kurz (34) erklärte in einem (vor der "Ich liebe meinen Kanzler"-Affäre geführten) Interview mit der "Kleinen Zeitung", dass das Lachtränen-Smiley 😂 neben dem Smiley vulgaris 🙂 und dem Daumen nach oben zu seinen Lieblings-Emojis zähle.

Der Begriff Emoji selbst hat übrigens nichts mit Gefühlen zu tun, sondern kommt vom japanischen Wort für "Bildschriftzeichen". Tatsächlich ist das Smiley "Face with Tears of Joy", das von den Oxford Dictionaries anno 2015 gar zum "Wort des Jahres" gekürt wurde, von den rund 3300 bekannten Emojis das am häufigsten verwendete. Deshalb ist man in der Generation TikTok auch mehr als unten durch, wenn man das Bildsynonym für LOL ("Laughing Out Loud") allzu inflationär zum Einsatz bringt. Millennials, die auch aus generationsstiftender Abgrenzung nicht so am Gelbfieber leiden (die meisten Emojis leuchten in diesem Farbton), beschränken sich, um ihre Humorbereitschaft zu signalisieren, auf einen 💀 lachenden Totenkopf.

😘 Kuss-Smileys mit Herzchen (wie sie am Ballhausplatz und Umgebung gerne losgepfeffert werden) demaskieren ihre Absender ebenfalls als haltlos gestrige "Boomer". So nennen die TikToker mutmaßliche Angehörige der Generation der Babyboomer, die dank ihrer verstaubten Ansichten (Leistungsgesellschaft, Wohlstandserhalt, Konsumbesessenheit) bestenfalls mit einem 🤡 Clown-Emoji rechnen dürfen. Bei totalen Attitude-Versagern wird der lachende 💩 Fäkal-Haufen, der in Japan zum Beispiel als Glückssymbol gilt, zum Einsatz gebracht. Man muss den Emoji-Entwicklern zugutehalten, dass sie den Diversitätsgedanken lange vor der Black-Lives-Matter-Bewegung hochhielten und seit 2015 bei allen Gesichtern und Körperteilen sämtliche Hautfarben zur Auswahl stellen.

Wie bei vielen digitalen Trends verschiebt sich auch das Phänomen der Bild-Ausstattung von Textnachrichten langsam, aber sicher in die älteren Generationen. Facebook ist heute aus der Sicht der noch nicht 20-Jährigen, ähnlich wie E-Mails, maximal ein Kommunikationsinstrument für Friedhofs-Deserteure. Und wer hat sie nicht, die Oma oder Großtante, die sich in ihren späten Siebzigern in die digitale Welt stürzt und jede Nachricht mit Zierleisten von Einhörnern, Herzchen und knallenden Sektflaschen begleitet? Dieser überhitzte Enthusiasmus wird von Digitalforschern einfach nur mit dem verachtenden Kürzel "TTH" bedacht, was für "trying too hard" steht. 🤦‍♀️

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort