Scheidungsfragen
tomX spielt die Diskoversion des Italo-Popsongs „Sarà perché ti amo“ auf seinem Saxofon. Auf dem provisorischen Laufsteg vor ihm präsentieren derweil vier Models die Brautmode der Saison – zuerst die Klassiker, danach Trachten – keine zehn Meter daneben kann man Hochzeitstorten verköstigen. Bei der Hochzeitsmesse in der Wiener Marxhalle vergangenen Jänner gibt es alles, Mietcasinos, Oldtimer-Weinbars, Pyrotechnik. Nur eine Sache hat keinen Infostand bekommen: Das Scheidungsrecht.
Unberechtigterweise, schließlich wird in Österreich rund jede dritte Ehe geschieden. Der Großteil davon einvernehmlich, das bedeutet, dass sich die Eheleute über die Scheidung selbst und die mit ihr verbundenen Folgen einig sind.
Ist man sich nicht einig, wird das ganze schon deutlich komplizierter, es kommt zur streitigen Scheidung. In Österreich gilt nach wie vor das Verschuldensprinzip. Ein Ehepartner kann also auf Scheidung klagen und vor Gericht eine Eheverfehlung geltend machen – Gründe dafür können etwa Untreue, Gewalt, seelisches Leid oder liebloses Verhalten sein. Von der Schuldfrage hängt ab, ob und wie viel Unterhalt zu bezahlen ist.
Diskutiert wird dieses Prinzip schon länger. Bereits im Regierungsprogramm der türkis-grünen Koalition wollte man das Verschuldensprinzip „überprüfen“ und „gegebenenfalls neu fassen“. Gekommen ist es dazu nie. Auch im Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und Neos liest man von einer „Reform des Scheidungsrechts einschließlich einer Neuregelung des nachehelichen Unterhalts, unter anderem unabhängig vom Verschuldensprinzip“.
Am Landesgericht für Zivilrechtssachen würde man das begrüßen. Bei einer Presseveranstaltung im Justizpalast wiederholen Präsidentin Waltraud Berger, die Vorsteherin des Bezirksgerichtes Josefstadt, Gabriela Thoma-Twaroch, und der Vorsitzende eines Rechtsmittelsenates, Ulf Marschner, die wichtigsten Kritikpunkte am Verschuldensprinzip. Zum einen könne die derzeitige Regelung eine Benachteiligung des weniger vermögenden Ehepartner bewirken. Zum anderen erschwere eine Eskalation im Scheidungsverfahren die notwendige Konsensfähigkeit für die Zukunft von gemeinsamen Kindern. Scheidungen basierend auf dem Zerrüttungsprinzip, also dem Fakt, dass die Ehe unwiderruflich gescheitert ist, wären sach- und zeitgemäßer.
Schuldhaftes Verhalten ist neben Österreich noch in Albanien, Bulgarien, Frankreich, Litauen, Rumänien, Schottland und der Türkei ein Scheidungsgrund. In Ländern wie Deutschland oder Finnland hat man aufgehört, gerichtlich zu klären, wen die Schuld am Scheitern einer Ehe trifft. Zerrüttung, also das Scheitern der Ehe, reicht.
Auf der Hochzeitsmesse im Jänner denkt daran allerdings noch keiner. Ein Pärchen in der zweiten Zuschauerreihe vor tomX ist sich schnell einig: Geheiratet wird in Tracht.
Man kann nur hoffen, dass der Konsens hält.