Paul-Anton Esterházy: "Herr Ottrubay stellte sich mir in den Weg und zischte, ich solle mich nicht so aufspielen"
Esterházy: „Vor der Familiengruft standen Security-Männer“

Esterházy: „Vor der Familiengruft standen Security-Männer“

Paul-Anton Esterházy, 32, vertritt als Sohn des Familienoberhaupts Anton Esterházy die öffentlichen Interessen seiner Familie.

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Interview: Marianne Enigl, Sebastian Hofer

profil: Was sagen Sie zur jüngsten Scheinentführung der Mutter von Generaldirektor Stefan Ottrubay aus Eisenstadt? Esterházy: Es ist erschreckend, was sich dort abgespielt hat. Und gleichzeitig wundert es einen nicht. profil: Warum überrascht es Sie nicht? Esterházy: Wir als Familie Esterházy mussten Herrn Ottrubay in den vergangenen 18 Jahren kennenlernen und haben eigene Erfahrungen gemacht, die uns dieses jüngste Ereignis nicht überraschend erscheinen lassen. profil: Sie sind Großneffe der verstorbenen Melinda Esterházy und sollen bei Besuchen der alten Dame ziemlich rüde behandelt worden sein. Spielen Sie darauf an? Esterházy: Seit Herr Ottrubay im Jahr 2000/2001 bei den Esterházy-Stiftungen wie aus dem Nichts erschienen ist, war es für uns sehr schwer, mit Tante Melinda überhaupt Kontakt zu halten. Bis dahin hatten wir ein gutes direktes Verhältnis, ich konnte normal mit ihr reden. Bevor ich zum Studium nach Schottland gegangen bin, gab es noch ein Treffen mit Tante Melinda, zu dem ich, orchestriert von Herrn Ottrubay, vorgelassen wurde. Nun saß meine Tante zwischen Frau und Herrn Ottrubay, und alle meine Sätze wurden von ihnen aufgefangen und leicht abgeändert an sie weitergetragen. Mit dieser Firewall war kein direktes Gespräch mehr möglich.

Später sagte er, er hätte mir auch die Polizei auf den Hals hetzen können.

profil: Und wie verliefen weitere Besuche? Esterházy: Zu ihrem 90. Geburtstag wollte ich ihr in Eisenstadt ein Bild aus unseren glücklichen gemeinsamen Zeiten schenken. Ich konnte meine Tante aber nicht mehr sehen, auf Anweisung von Herrn Ottrubay hatte ich zu gehen. Später sagte er, er hätte mir auch die Polizei auf den Hals hetzen können. profil: Davor hatte Melinda Esterházy Ihrer Mutter geschrieben: „Es wäre schön, wenn Paul später einmal in eine nähere Beziehung mit den Esterházyschen Stiftungen treten würde.“ Das war 2004. Hatte Ihre Großtante demnach für Sie eine Rolle in den Esterházy-Stiftungen vorgesehen, in denen der größte private Grundbesitz in Österreich liegt? Esterházy: Es war vorgesehen, dass ich die Nachfolge meines Großonkels Paul, also des Fürsten Esterházy, antrete. Heute bin ich selbstständiger Unternehmer im Investmentbereich.

profil: Können Sie uns erklären, was es mit den mittlerweile acht Esterházy-Stiftungen in Österreich und weiteren in Liechtenstein auf sich hat? Esterházy: Das schlüssig zu erklären, ist auch für Experten schwierig. Aus einer klaren Stiftungskonstruktion hat Herr Ottrubay ein komplexes Geflecht aus Stiftungen mit knapp 50 operativen Gesellschaften gemacht, die auch untereinander Geschäfte tätigen. Von außen ist extrem schwer nachvollziehbar, was da vor sich geht. profil: Laut Geschäftsberichten sind die Gesellschaften sehr erfolgreich. Esterházy: Die Frage ist, was als Erfolg gewertet wird. Es gibt Gewinne aus Ertrag, und es gibt finanzielle Gewinne. Wenn man etwa ein Grundstück von A nach B schiebt und ein anderes Preisschild daranhängt, ist das dann ein Gewinn? profil: Als die Stiftung 1996 errichtet wurde, war eine Kontrolle durch die Esterházys vorgesehen. Esterházy: Es gab Kontrolle durch die Begünstigten und durch den Familienbeirat, der in der Ära Ottrubay eliminiert wurde. Warum wurde dieses Kontrollinstrument in einem gut laufenden Unternehmen ab 2001 systematisch ausgeschaltet? Denn wenn man nichts zu verstecken hat, muss man Kontrolle nicht fürchten.

Nach diesem Ereignis waren unsere Begünstigungen weg.

profil: Melinda Esterházy hat 1996 die Besitztümer in die F.E. Familien-Privatstiftung Eisenstadt eingebracht, Esterházys erhielten als Begünstigte jährliche Zuwendungen. Wie viele Begünstigte waren das? Esterházy: Es gab meine Eltern und mich und Mitglieder der Szecheni-Linie, deren Vater meinem Großonkel Fürst Paul zur Flucht aus Ungarn verholfen hat. profil: Sie erhielten bis 2009 jährlich 50.000 Euro, seither nicht mehr. Warum? Esterházy: Viel wichtiger als die Zuwendungen waren die Kontrollrechte, die ebenfalls im Frühjahr 2009 ohne Angabe von Gründen beendet wurden. Dazu passt ein Vorfall: Als ich damals zum 20. Todestag meines Großonkels Paul zum Gedenkgottesdienst gehen wollte, kam ein Anruf aus den Stiftungen. Meine Anwesenheit bei der Gedenkmesse und in der Gruft seien unerwünscht, hieß es. In der Kirche wollte ich mich zu meinem Vater in der ersten Reihe setzen, Herr Ottrubay stellte sich mir in den Weg und zischte, ich solle mich nicht so aufspielen, das werde Konsequenzen haben. Vor der Familiengruft standen Security-Männer, die instruiert waren, mich nicht hineinzulassen.

profil: Die Gruft wurde von Securities bewacht? Esterházy: Ja, was an sich schon bemerkenswert ist. In der Gruft ist auch mein Großvater bestattet. Nach diesem Ereignis waren unsere Begünstigungen weg. Ähnlich war es nach dem Tod meiner Tante Melinda Esterházy im Jahr 2014. Beim Gottesdienst im Eisenstädter Dom wurde ich hinter einer Säule platziert. Man sieht, wie krampfhaft versucht wird, meine Existenz zu leugnen. Doch es gibt die Familie Esterházy, und seit dem Tod von Fürst Paul 1989 war die Nachfolge meiner Familie völlig klar und wurde so auch von Tante Melinda in der Domäne kommuniziert. Das ist das Problem für das Gehabe der Familie Ottrubay. profil: Die Zeit der Feudalherren ist vorbei. Esterházy: Ich pflichte Ihnen bei: Wir leben in einer anderen Zeit. Es geht nicht um feudale Strukturen, sondern darum, einen auch kulturellen Besitz mit Verantwortung sinnvoll zu führen. Die Stiftung richtete sich nach dem Fideikommiss- Prinzip, wonach das Vermögen seit Paul I. im 17. Jahrhundert zusammenbleiben und bewahrt werden muss. Es war nie Privatvermögen, der Fürst war Verwalter und hat es für die nächsten Generationen bewahrt.

Versöhnung? Man hat sehr unterschiedliche Vorstellungen von Verantwortung, und es scheint nicht so, als ob die irgendwie in Einklang zu bringen wären.

profil: Deshalb hat sich Ihr Großonkel Paul nach seiner Verhaftung 1949 in Ungarn geweigert, darauf zu verzichten? Esterházy: Ja, man hat ihm die Arme verdreht. Doch er weigerte sich, das Vermögen den Kommunisten zu überschreiben. Er verfügte in seinem Testament, es gehe nicht um sein Eigentum, sondern um jenes der Familie. profil: Sehen Sie den Auftrag, den riesigen Besitz zusammenzuhalten, durch Generaldirektor Ottrubay gebrochen? Esterházy: Wenn man Geschichtsklitterung betreibt, indem man versucht, die Familie totzuschweigen, von der dieser Besitz kommt, bricht man diesen Auftrag. Wir haben uns immer davon distanziert, dass Dr. Ottrubay für Esterházy Entscheidungen fällt, die wir als Familie so nie getroffen hätten. Die Handlungen, die in den vergangenen Jahren unter dem Feigenblatt Esterházy gesetzt wurden, haben nichts mit der Familie zu tun. profil: Das klingt nicht nach Versöhnung. Esterházy: Versöhnung? Man hat sehr unterschiedliche Vorstellungen von Verantwortung, und es scheint nicht so, als ob die irgendwie in Einklang zu bringen wären. profil: Stimmt es, dass alle gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Familie Esterházy und der Ottrubay-Seite beigelegt sind? Esterházy: Das stimmt nicht. Bei der jüngsten Klage der Ottrubay-Seite, nach der Ungarn Esterházy-Schatzstücke herausgeben soll, ist offen, wer dazu legitimiert ist.

profil: Melinda Esterházy hat die letzten Änderungen in den Stiftungen als 92-Jährige im Jahr 2012 verfügt. Das wurde von Ihnen angefochten. Esterházy: Aufgrund der Ereignisse der vergangenen Woche sind große Fragen aufgetaucht, und man muss wohl neu über die Willensbildung von Melinda Esterházy und den Einfluss auf ihre Willensbildung nachdenken. profil: Das heißt, Sie stellen diese Stiftungsänderungen infrage? Esterházy: Ich muss annehmen, dass Melinda Esterházys Willensbildung jedenfalls manchmal beeinträchtigt gewesen sein muss. Sie sandte schon als „erst“ 81-Jährige dem Gericht in Eisenstadt eine Mitteilung, aus der hervorging, dass sie ein eben signiertes, ganz einfaches Dokument offenbar nicht durchschaut habe. Und trotzdem kamen von ihr danach immer komplexere Verfügungen – bis zu ihrem 92. Lebensjahr waren das allein für eine der Stiftungen sieben – welche die ursprüngliche Stiftung immer mehr aushebelten. Da stellt sich schon die Frage, ob das wirklich alles ihrer Absicht als Stifterin entsprach. Übrigens wurden von ihr ganz zuletzt die Mitglieder der Familie Ottrubay zu Stiftungsbegünstigten erkoren.