46-215926181

Grillparty in Nickelsdorf: Die „Jazzgalerie“ hat wieder eröffnet

Eine motivierte Gastro-Gruppe lässt die „Jazzgalerie“ in Nickelsdorf wiederauferstehen – als „Wirtshaus zum dritten Tage“.

Drucken

Schriftgröße

Kurzes Brainstorming zum Thema „Nickelsdorf“: liegt im Burgenland, hat 1843 Einwohner, wird von der SPÖ regiert – und hat eine relativ hohe Medienpräsenz. Letzteres lag bisher an zwei Dingen: dem Grenzübergang zu Ungarn und dem jährlich dort stattfindenden Musikfestival Nova Rock. Mit 6. Juni ist noch eine Sache dazugekommen, der das Dorf offenbar sogar noch energischer entgegengefiebert hat als dem Auftritt von Linkin Park. Die legendäre, jahrzehntelang von Hans Falb betriebene „Jazzgalerie“ beziehungsweise das Gasthaus „Falb“ ist wiederauferstanden.

46-215926178

Schon am Tag der Reinkarnation platzt das neuerdings biblisch mit „Wirtshaus zum dritten Tage“ betitelte Lokal aus allen Nähten. Zu hören gibt’s hier nichts – die Bühne im Innenhof bleibt zumindest heute unbespielt – zu sehen dafür umso mehr: Gleich neben der Erhöhung hat sich Künstler und Koch Jürgen „Mafia Tabak“ Fetz hinter zwei Holzkohlegrillern verschanzt. Um die Grillage von dort zu den Gästen zu bringen, müssen Yannik Steer, der das vor Ort stattfindende Jazzfestival „Konfrontationen“ schon seit Längerem gastronomisch begleitet, und Barchefin Johanna Maroušek wirklich alles geben. Vorerst wird das „Wirtshaus zum dritten Tage“ an drei Tagen (Freitag, Samstag und Sonntag) als Pop-up geführt. Die Karte ist klein und konzentriert sich auf Gegrilltes und Standards wie Gulasch, Krautfleckerl und Schnitzel. Hier gibt’s kein Dessert, zumindest keines, das auf der Karte steht; auch was hier Vorspeise und was Hauptspeise ist, bleibt dem Gast überlassen.

46-215926183

Die Grillparty beginnt ohne Fleisch mit einer verkohlten roten Rübe (Bild oben). Sie ist eher süß als erdig und setzt sich wunderbar gegen das viele Drumherum aus Burrata, eingelegtem Paprika, ungerösteten Pinienkernen sowie viel Mojo Verde durch. Das Mojo in der Verde kommt häufig von Koriander – hier handelt es sich um einen schwer eingrenzbaren Kräutermix.

46-215926182

Der grüne Spargel (Bild oben) wird mit karamellisierten Pistazien in der Hollandaise ebenfalls recht süß interpretiert, die Salzzitrone kann nicht viel dagegen ausrichten. Dazu gibt es noch frittierten Knoblauch und wieder Pinienkerne – Grillen kann so viel mehr sein als nur trockenes Schweinskotelett.

An den teuren Kernen jedenfalls scheint Herr Fetz einen Narren gefressen zu haben, bei den Spareribs (Bild ganz oben) kommen sie ein weiteres Mal zum Einsatz. In der hausgemachten Barbecue-Sauce haben sie sich neben den ebenfalls schon bekannten Pistazien breitgemacht. Das Aroma der Holzkohle ist im Fleisch präsent, nur leider ist dieses minimal trocken geworden. Das sehr saure eingelegte Radieschen daneben fristet ein kontextloses Dasein – Pro-forma-Gemüse par excellence. Auf gesunde Nährstoffe pfeift man bei den mit Pulled Pork getoppten Dirty Fries ehrlicherweise vollständig: Das Fett von oben (Pork) addiert sich mit dem Fett von unten (Pommes) und lässt darunter noch eine Fettschicht entstehen. Am Ende hat man das Gefühl, die Plörre aus dem Teller löffeln zu können. So was hat sicher seine Fans, mir ist das zu steil.

46-215926179

Etwas gesünder dann das, was aus der „normalen Küche“ kommt und orientalische Versatzstücke zitiert: Sterz wird mit Bohnen (Bild oben) vermengt, und diese Mischung steht auf dem Frischkäse Labneh. Zusammen mit viel Knoblauch, Petersilie, Koriander und einer zur Sauce verarbeiteten, fermentierten Tomate überzeugt das auch ohne Holzkohle.

Schon am ersten Tage offenbart das „Wirtshaus zum dritten Tage“ sein großes Potenzial: Jeder, der dort arbeitet, will, dass das hier funktioniert. Das merkt man am riesigen Einsatz der Mann- und Frauschaft. Der Stress war hoch – funktioniert hat’s trotzdem. Und: Mit Holzkohle auf der Terrasse grillen? Wen sollte das in hiesigen Breitengraden eigentlich nicht abholen? Selbst die überzeugtesten Home-Fleischwender dürfen die Schürze mit dem peinlichen Aufdruck gerne mal für einen Sonntag im Schrank lassen und nach Nickelsdorf aufbrechen.

Stimmung: Grillparty ohne Verwandtschaft
Empfehlung: auch als Vegetarier hingehen
Preisverhältnis: Speisen 12 bis 17 Euro

Wirtshaus zum dritten Tage
Untere Hauptstraße 13
2425 Nickelsdorf
zumdrittentage.at 

Stephan Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.