Handysucht - was tun?
VORBILDFUNKTION: Herausfordernd, aber die Mühe wert, weil extrem prägend. Eltern, die sofort auf jedes Handy-Signal reagieren und für ihre Kinder nicht ansprechbar sind, weil sie stattdessen aufs Display starren, legen ein fatales Fundament. Als erster Sozialisationsfaktor wirkt die Medienkompetenz der Eltern nachhaltig auf den späteren Umgang und Konsum ihrer Kinder.
KEINEN „DIGITALEN SCHNULLER“: Tatsächlich sollte man vor allem Kleinkinder möglichst ganz vor dem Zugriff auf die digitale Welt bewahren. Denn im Kindergartenalter sind sie in der Regel noch nicht fähig, zwischen analoger Realität und digitaler Welt zu unterscheiden. Je nach Entwicklungsfortschritt können sie diese Ebenen erst im Volksschulalter differenzieren.
SCHLAFSTÖRUNGEN: Bei Kindern, die an Schlafstörungen leiden, rät die Kinder- und Jugendpsychiaterin Katrin Skala dringend, zwei Stunden vor der Bettzeit jeglichen Kontakt mit dem blau scheinenden Schirm zu vermeiden: „Denn sonst wird die Melatonin-Produktion, die dem Körper anzeigt, das System herunterzufahren, gestört.“
KINDERSCHUTZ-APPS: Mit solchen Überwachungsinstrumenten, die in zahlreichen Varianten in den App Stores angeboten werden, können Eltern kontrollieren, wo und wann sich ihre Kinder online herumtreiben – und bestimmte Bereiche einschränken oder ganz sperren.
AB WANN SMARTPHONES? Da sind Experten unterschiedlicher Meinung. Als Faustregel gilt: Handys ab zehn, Smartphones ab zwölf und den Zugang zu sozialen Medien möglichst lange hinauszögern: 16 klingt utopisch, wäre aber optimal.
ZEITLICHE RESTRIKTIONEN: Genaue Regeln, wann Online-Zeiten im häuslichen Umfeld erlaubt sind. Falls möglich, sollten Kinder nicht im isolierten Abseits ihres Zimmers, sondern im Wohnzimmer im Familienverband surfen.
SOZIALE MEDIEN: Studien belegen, dass besonders Mädchen durch den Druck der Selbstoptimierung auf Instagram und Co. weit anfälliger sind als Buben. Die statistisch belegbare Verschlechterung ihrer psychischen Gesundheit (Depressionen, Essstörungen, Selbstverletzungen) steht in direktem Zusammenhang mit ihrer Präsenz auf dieser Plattform. Die Suchtproblematik der Burschen konzentriert sich mehr auf Computerspiele wie Minecraft oder Fortnite, die oft in Gruppen quer über die Kontinente gespielt werden.
TIKTOK: Das problematischste soziale Medium. Durch die Schnelligkeit und die Präzision der Algorithmen sind jugendliche Nutzer hier besonders in Suchtgefahr. Blockieren!
ADHS: BESONDERE GEFÄHRDUNG. Kinder (vorrangig Buben) mit einer Diagnose der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung sind extrem anfällig für die Tricks der Spieleindustrie, weil sie sehr impulsiv und belohnungsabhängig agieren. „Durch die ständige Dopaminausschüttung“, so der Innsbrucker Psychiater Martin Fuchs, „wird jede Form von Konzentration auf das Hier und Jetzt unmöglich gemacht.“
WANN IST PROFESSIONELLE HILFE NOTWENDIG? Das Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters an der Hamburger Uniklinik spricht über eine problematische Smartphone-Verwendung, „…wenn eine selbstbestimmte und kontrollierte Mediennutzung nicht mehr möglich ist.“ Ansonsten dienen die offiziellen Diagnoserichtlinien der WHO für die „Computerspielstörung“ als Richtschnur: Kontrollverlust, Priorisierung des Spielens gegenüber allen anderen Freizeitaktivitäten, Fortsetzung der Nutzung trotz negativer Konsequenzen. Hilfe bieten die Ambulanzen des psychosozialen Diensts, Psychiater und Psychologinnen mit Schwerpunkt Suchtverhalten, die Ambulanzen für Kinder- und Jugendpsychiatrie in den Spitälern und die im Zuge von Corona eingerichtete niederschwellige Hilfeplattform „Gesund aus der Krise“.